Zahnoperationen: Zahnregulierung

Heilkundelexikon

Zahnoperationen: Zahnregulierung


E Die Regulirung der Zähne.

Die Behandlung einfacher und leichter Stellungsanomalien einzelner Zähne macht uns zunächst zur Aufgabe, die Ursachen aufzusuchen (Raum-mangel, persistirende Milchzahnreste etc.), beziehungsweise zu beseitigen. Ist dann genügend Raum vorhanden, dass der
Zahn in seine normale Stellung einrücken kann, so thut er es in den meisten Fällen von selbst, wenn das Individuum noch nicht älter als 12?15 Jahre ist.

Diese Selbstregulirung, welche zustande kommt durch den Muskel-druck von
Zunge, Wange und Lippe, kann oft wesentlich unterstützt werden durch anhaltenden, oft wiederholten Fingerdruck auf den betreffenden Zahn von Seiten des Patienten, wenn der Zahn ausserhalb des Bogens steht, durch Aufbeissen auf einen schräggehaltenen Löffelstiel etc., wenn er nach dem Innern des Mundes zugerichtet ist.

Ist genügend Platz nicht vorhanden, so muss solcher eventuell durch Extraction geschaffen werden. Dabei gilt als Regel, dass nicht etwa ein benachbarter Milchzahn geopfert wird, sondern dieser immer bis zum Er-scheinen seines Ersatzzahnes zu erhalten ist. Man extrahirt also entweder den anormal stehenden Zahn selbst oder einen anderen bleibenden Zahn, in Bezug worauf es nicht immer leicht fällt zu entscheiden, welcher Zahn zu opfern ist.

Selbstredend wird man, wenn einer der Nachbarzähne vielleicht schon stark erkrankt ist, am ehesten diesen extrahiren; im anderen Falle solche Zähne, die erfahrungsgemäss leicht und frühzeitig cariös werden (Bicuspi-daten), und jene erhalten, die widerstandsfähiger sind (Eckzähne). Der zu extrahirende Zahn braucht nicht immer in nächster Nähe des schief gestellten zu stehen; es wird in vielen Fällen z. B. die Extraction des ersten Mo-laren sehr wohl eine Selbstregulirung des vorstehenden Eckzahnes zu be-wirken imstande sein, indem die Bicuspidaten dann nach hinten rücken.

In Bezug auf die kleinen (seitlichen) Schneidezähne macht man gern eine Ausnahme; man erhält sie, wenn irgend angängig, da es sehr hässlich aussieht, wenn neben dem mittleren Schneidezahn gleich der Eckzahn steht; es verleiht das dem Gesichtsausdruck etwas Doggenähnliches. Ist natürlich der seitliche Schneidezahn schon stark cariös, so wird man ihn doch opfern und dann dem Eckzahn durch Abschleifen eine schneidezahnähnliche Gestalt zu geben suchen.

Im übrigen bedarf es reichlicher Erfahrung, im jeweiligen Fall das Richtige zu treffen; durch planloses Extrahiren kann viel Schaden gestiftet werden. Vor allem sei hier auch der weitverbreiteten Anschauung entgegen-getreten, dass in erster Linie immer der erste Molar (sogenannter Sechs-jahrszahn, weil er im 6. Lebensjahr durchbricht) zu extrahiren sei. Wenn er auch erfahrungsgemäss mit am leichtesten cariös wird, so schliesst das doch nicht in sich, dass er selbst dann als minderwerthig anzusprechen sei, wenn er noch ganz gesund ist. Es ist immer zu berücksichtigen, dass er ein Zahn mit sehr grosser Kaufläche, der dem Patienten so beim Kau-geschäft a priori werthvoller ist als z. B. ein kleiner Biscuspis. Das gilt auch dann noch, wenn die Prädisposition zur Caries wirklich von Einwir-kung, der Zahn also später durch die Füllung restituirt werden müsste.

Ueberzählige Zähne werden, wenn sie Stellungsanomalien verursachen, am besten meist gleich entfernt. Doch soll man nicht leichtfertig einen überzähligen Zahn (Zapfenzähne etc.) entfernen, der an Stelle eines anderen Zahnes durchgebrochen ist, so lange nicht wirklicher Raummangel vorliegt. Sehr häufig kommt es ja vor, so namentlich bei den seitlichen Schneide-zähnen, dass der fehlende Zahn gar nicht gebildet ist, man würde dann durch die Extraction des an seiner Stelle stehenden Zapfen- etc. Zahnes eine sehr hässliche Lücke schaffen. Das Gleiche gilt von Milchzähnen, namentlich Milchmolaren, die an Stelle eines nicht erschienenen (oft nicht gebildeten) Biscuspis oft im Kiefer persistiren.

Genügt für die vorstehend gedachten einfachen Fälle von Irregularität die Behandlung durch Extraction nicht, so kann man in vielen Fällen die Regulirung durch Verwendung von Gummiringen perfect machen. Der Ring wird dabei um den zu bewegenden und einen oder mehrere Nach-barzähne geschlungen.

Steht jedoch der
Zahn zu weit innerhalb oder ausserhalb des Zahn-bogens, oder ist er mehr oder weniger um seine Achse gedreht, so reicht man auch mit diesem einfachen Hilfsmittel nicht aus, sondern muss zur Anfertigung
Fig. 81: Regulierungsplatte zum Zurückziehen eines vorstehenden Zahnes. Fig. 82: Regulierungsplatte zum Drehen eines Zahnes.
Fig. 81: Regulierungsplatte zum Zurückziehen eines vorstehenden Zahnes. Fig. 82: Regulierungsplatte zum Drehen eines Zahnes.
einer entsprechend construirten Riehtmaschine schreiten, die durch Zug und Druck vermittels daran befestigter Federn, Schrauben Gummibänder etc. den Zahn regulirt.
Fig. 83: Regulirungsapparate
Fig. 83: Regulirungsapparate


Die Varietät dieser Apparate ist eine so grosse, dass es den hier zur Verfügung stehenden Raum weit überschreiten würde, wollten wir auch nur eine kurze Uebersicht darüber geben. Im allgemeinen handelt es sich dabei
Fig. 84: Apparat zum Dehnen des Kiefers.
Fig. 84: Apparat zum Dehnen des Kiefers.

um eine Gaumenplatte aus Kautschuk oder Metall, die an feste Zähne in ähnlicher Weise wie eine Gebissplatte befestigt wird, eventuell unter Ueber-kappung der Kauflächen, um den Biss zu erhöhen und so dem zu reguliren-den Zahn zu ermöglichen, über seine Antagonisten hinwegzurutschen. An dieser Platte sind dann Gummibänder, Federn, Schrauben etc. an entsprechen-der Stelle angeordnet, etwa wie in Fig. 81 und 82.

Oft kann man auch von der Verwendung einer Gaumenplatte absehen und die Federn etc. an kleinen, auf die Zähne aufgekitteten Goldbändern befestigen, wie Fig. 83 dies illustrirt. Das hat natürlich den grossen Vor-theil, den Patienten an sich weit weniger zu belästigen, und sichert auch
Fig. 85: Apparat zum Dehnen des Kiefers.
Fig. 85: Apparat zum Dehnen des Kiefers.

ein prompteres Resultat der Behandlung, weil die Vorrichtung nicht wie eine Platte vom Patienten selbst aus dem Munde entfernt werden kann. Grössere Regulirungen, i. e. solche, wo es sich um mehrere anomal gestellte Zähne oder Anomalien handelt, die eine ganze Zahnreihe betreffen, unternimmt man am besten erst dann, wenn bereits sämmtliche Zähne (ausser den III. Molaren) durchgebrochen sind, also etwa im 12. ?14. Lebens-jahr; einfachere Fälle kann man schon vorher damit behandeln, wenn ge-nügend starke Stützpunkte (feste Nachbarzähne) vorhanden sind. Nach dem
Fig. 86: Retentionsschienen.
Fig. 86: Retentionsschienen.

16. Lebensjahre sind Regulirungen meist nur schwer noch durchführbar, da das Knochengewebe der Alveolen dann schon zu fest consolidirt ist. Doch giebt es natürlich auch da Ausnahmen.

Bei fast allen grösseren Regulirungen, wo Raum nicht durch die Zange geschaffen werden kann, ist es dann meist erforderlich, den Kieferbogen in toto zu erweitern, um den erforderlichen Platz zu gewinnen. Das geschieht durch die zuerst von Coffin angewendeten gespaltenen Platten^ (Fig. 84) mit darin einvulcanisirten, entsprechend gebogenen Federn oder durch Ver-wendung einer Schraubenvorrichtung, die an kleine, auf die Zahnkronen auf-kittbare, entsprechend gestanzte Goldkappen angelöthet ist (Fig. 85).

Die Dauer der Regulirungen ist naturgemäss sehr verschieden und variirt von einigen Tagen bis zu Monaten und Jahren.

Ist die angestrebte Zahnstellung erreicht, so muss überall da, wo nicht durch die Antagonisten der Zahn in der neuen Stellung fixirt wird, noch längere Zeit hindurch ein Fixationsverband getragen werden; gewöhn- lich reicht als solcher eine einfache Gaumenplatte, an welche ein der Front der Zähne anliegender flacher Golddraht zum Zurückhalten derselben an- vulcanisirt ist, oder eine Doppelschiene aus Kautschuk (Fig. 86) aus. Oft kann man auch durch Zusammenlöthen von die einzelnen Zähne um- spannenden Goldbändern eine für den Patienten sehr bequeme Schiene con- struiren, die dann festcementirt wird.


Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem Text auf dieser Seite um einen Auszug aus einem über hundert Jahre alten Fachbuch der Medizin handelt.
So entsprechen vor allem die genannten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen nicht dem aktuellen Stand der Medizin, die Anwendung kann nicht nur die Diagnose einer Erkrankung verzögern, sondern auch direkt den Körper schädigen.

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