Zahnoperationen: Guttapercha

Heilkundelexikon

Zahnoperationen: Guttapercha


3. Die Guttaperchapräparate. Wir bekommen in den Depots eine Reihe von verschiedenen Guttaperchapräparaten zur Füllung der Zähne, die durch Vermischen mit gereinigter Guttapercha mit mineralischen Substanzen hergestellt sind, in der Absicht, das Material genügend hart zu machen. Das bekannteste davon ist das sogenannte »Hilfs stopping«. Die Vortheile, welche der Guttapercha als Füllungsmaterial zukommen, sind folgende:
Das Material ist sehr leicht einführbar; es reizt absolut nicht; es adaptirt sich leicht und vollkommen; es ist ein schlechter Wärmeleiter; es hat eine gute Farbe. Der grosse Nachtheil, der ihm anhängt, ist die ungenügende Härte; Guttapercha ist zu weich, um dem Kaudrucke lange widerstehen zu können. In Fällen, wo seine Anwendung wirklich indicirt ist, bildet es jedenfalls ein vorzügliches Füllungsmaterial. Man hat behauptet, dass die eingelegte Guttaperchafütlung sich beim Erkalten contrahire und deshalb nicht wasserdicht schliessen könne; das ist nur der Fall, wenn man das Präparat überhitzt. Um das Material zur Füllung zu verarbeiten, ist man genöthigt, kleine Stückchen davon durch Erwärmen plastisch zu machen; treibt man diese Erwärmung zu weit, so bläht sich die Masse auf und zerfliesst. Es scheinen im Präparate kleine
(mikroskopisch sichtbare) Luftbläschen vorhanden zu sein, die beim Erwärmen dieses Aufblähen verursachen.

Um ein solches Verderben des Materials durch Ueberhitzen zu vermeiden, ist deshalb etwas Vorsicht nothwendig, besonders wenn man die Stückchen direct über der Flamme erwärmen will in der Weise, dass man dieselben mit einem erwärmten spitzen Instrument aufnimmt und einige Secunden über der Flamme hin- und herbewegt. Sicherer geht man durch Verwenden eines kleinen, für diesen Zweck construirten Wärmekesselchens, bei dessen Anwendung ein Erhitzen über die Temperatur des siedenden Wassers hinaus ausgeschlossen ist.
Um eine wasserdichte Füllung zu erzielen, muss man aber neben der richtigen Erwärmung des Präparates noch einige andere Punkte berücksichtigen: einmal muss die Höhle absolut trocken sein, dann empfiehlt es sich auch, dieselbe mit einer ganz dünnen Schicht von Copalfirniss auszukleiden in der Weise, dass man die Cavität zunächst mit warmer Luft trocknet (durch Hineinhalten der Spitze des Luftbläsers in die Flamme beim Einziehen von Luft füllt sich derselbe leicht mit erwärmter Luft), dann mit Hilfe eines kleinen, in den Firniss getauchten Pinsels oder Wattebäuschchens mit diesem auswischt und dann wieder mit warmer Luft trocknet. Der Firniss darf nicht zu dick sein, beziehungsweise nicht in zu dicker Schicht aufgetragen werden. Bringt man nun ein kleines Stückchen erwärmter Guttapercha in die so vorbereitete Cavität ein, so haftet es leicht an der Wand und lässt sich gut condensiren; auf das erste Stück bringt man ein zweites, drittes u. s. w., in der Weise etwa, wie man cohäsives Gold einführt, bis die Cavität ganz angefüllt ist. Als Stopfer benutzt man dabei mit Vortheil kleine kugelige Instrumente (Amalgamstopfer) oder solche mit abgerundeten (birnförmigen) Spitzen.
Das Finiren der Guttaperchafüllungen macht etwas Schwierigkeiten; man entfernt den Ueberschuss am besten entweder mit einer Lanzette oder einem anderen schneidenden erwärmten Instrumente (dünnem Spatel etc.), indem man das Material von der Mitte nach dem Rande zu wegschneidet, um die Randpartien der Füllung nicht von der Cavitätenwand loszuziehen. Manche wenden zum Schluss dann noch ein Wattebäuschchen, welches mit einem Lösungsmittel für Guttapercha (Aether, Chloroform, ätherische Oele, auch Terpentinöl u. dergl.) getränkt ist, zum Ueberwischen der Füllung an, um die Oberfläche recht glatt zu machen; ob sich ein solches Vorgehen besonders empfiehlt, ist nicht ganz feststehend, es scheint, als ob eine auf diese Weise glattgemachte Oberfläche bald porös würde und dann unansehnlich aussieht, auch dem Ansetzen von Speisetheilchen Vorschub leistet.
Verwendet man die Guttaperchapräparate in der vorbeschriebenen Weise unter Beobachtung der genannten Cautelen, so wird man auch imstande sein, eine zweckdienliche, vor allem wasserdichte Füllung damit herzustellen; wenn die Guttapercha mitunter als ein schmutziges, zweckloses Material bezeichnet wurde, mit dem keine ordentliche Füllung gemacht werden könne, so mag das zum grossen Theile auf die Lehren zurückzuführen sein, die man früher für die Verarbeitung des Mittels gab, nämlich, dass man ein Stück Guttapercha von der Grosse der Cavität erwärmen und mit dem Finger in diese hineindrücken solle. Dass man in dieser oder ähnlicher Weise eine solide Füllung zu legen nicht imstande ist, darf wohl nicht Wunder nehmen.

Wir verwenden Guttapercha (Hill's stopping) zu provisorischen Füllungen, dann auch als permanentes Verschlussmaterial bei Approximal- und Wangenflächencavitäten, namentlich der Molaren, wenn diese Cavitäten bis nahe zur Pulpa oder bis zum Zahnfleisch reichen; an Approximalf lachen aber nur dann, wenn die Cavität nicht bis auf die Kaufläche reicht. Die
Haltbarkeit des Materiales an Stellen, die dem Masticationsdruck nicht ausgesetzt sind, ist oft eine ausserordentlich gute.
Dann findet das Guttapercha Verwendung zur Reparatur alter Füllungen aus anderem Material. Es giebt vielleicht nichts Besseres zu diesem Zweck, wenn secundäre Caries an den Rändern wieder aufgetreten ist. Mit Gold ist es zuweilen überhaupt nicht möglich, eine durch secundäre Caries am Halsrande einer alten Goldfüllung entstandene neue Höhle wieder auszufüllen, weil dieselbe schwer zugänglich und nicht trocken zu halten ist; mit Guttapercha lässt sich der Defect meist so repariren, dass die Füllung noch eine Reihe von Jahren hält, da ja diese Partien einer mechanischen Abnutzung nicht ausgesetzt sind.
Guttapercha wird auch zum Ueberkappen freiliegender Pulpen angewendet in zweierlei Weise. Entweder man schneidet nach vollendeter Präparation der Höhle ein Scheibchen Hill's stopping oder Rosa-Guttapercha mit dem erwärmten Messer ab, benetzt die eine Seite dieses Stückchens mit einer Substanz, die Guttapercha löst (Chloroform etc.) und legt es dann mit dieser Seite auf die Pulpa. Es haftet dann an den die freiliegende Partie derselben umgebenden Zahnwänden und adaptirt sich sehr gut. Immerhin ist es natürlich nicht ganz flüssig, und muss man deshalb beim Einführen einen wenn auch ganz geringen Druck ausüben. Die andere Methode ist die Verwendung einer Lösung von Guttapercha (rothe Guttapercha wird meist dazu verwendet) in Chloroform. Man bringt einen kleinen Tropfen davon mit Hilfe eines Excavators oder dergleichen auf die Pulpa, es fliesst dann über diese und die umgebenden Zahnwände weg und überkuppt erstere vollkommen. Die Methode hat jedoch den grossen Nachtheil, dass das Material sich beim Verdunsten des Chloroforms zusammenzieht; die eintrocknende Schicht wird ausserdem runzelig und können die so entstehenden Falten dann sehr wohl einen Reiz auf die Pulpa ausüben. Die Methode empfiehlt sich deshalb wohl doch weniger als die früher besprochene Methode der Pulpenüberkappung mit Fletchercement.
Guttapercha dient dann weiter mit Vortheil als Material zur Unterlage bei grossen Höhlen, wo Gold oder Amalgam zu sehr in die Nähe der Pulpa kommen würden und durch rasche Ueberleitung abnormer Temperaturgrade reizend wirken könnten. Amalgam lässt sich direct über Guttapercha füllen; will man Gold oder Zinngold verwenden, so muss man zuvor auf die Guttapercha noch eine Schicht eines anderen härteren Materiales bringen, da Guttapercha zu weich ist. Phosphatcement eignet sich am besten hierzu. Dann wird Guttapercha auch in Verbindung mit Phosphatcement viel gebraucht. Wir haben gesehen, dass Füllungen aus letzterem Material sich sehr leicht am Zahnhalse auflösen, namentlich gerade in solchen Höhlen, deren Natur ein leicht einführbares Material erfordert. Hier können wir dann sehr gut Guttapercha und Phosphatcement combiniren und werden mit beiden zusammen ein besseres Resultat erzielen.

Es empfiehlt sich überhaupt dort, wo man Cement in der Nähe des Zahnhalses anwendet, also nicht nur bei grossen approximalen Cavitäten, immer etwas Guttapercha unterzulegen; Misserfolge werden dann viel seltener auftreten. Zu Wurzelfüllungen wird Guttapercha sehr viel verwendet, in Substanz sowohl als in Lösung. Bei Besprechung der Wurzelbehandlung werden wir später auf diesen Punkt zurückzukommen haben. Der Verwendung von Guttapercha zur Befestigung von Stiftzähnen wurde früher schon gedacht; auch diese werden wir später noch eingehender zu berücksichtigen haben.

Auch zur Befestigung, beziehungsweise zum Abschluss von Einlagen medicamentöser Natur (Arsenpasta etc.) wurde Guttapercha (Temporary stopping) zuweilen empfohlen; es kann davon aber nur ganz entschieden
abgerathen werden. Man kann auf Watte, die mit Flüssigkeit etc. getränkt ist, nur sehr schwer Guttapercha, auch wenn es ein bei niederer Temperatur erweichbares weiches Präparat ist, legen, ohne einen Druck auf die Einlage auszuüben und dadurch eventuell die Pulpa zu reizen oder einen Theil des eingebrachten Mittels auszuquetschen. Bei. Besprechung des Fletchercementes, welches sich für solche Zwecke in allererster Linie empfiehlt, wurde auf diesen Umstand schon aufmerksam gemacht.


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Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem Text auf dieser Seite um einen Auszug aus einem über hundert Jahre alten Fachbuch der Medizin handelt.
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