Zahnoperationen: Amalgam

Heilkundelexikon

Zahnoperationen: Amalgam


Wir kommen nunmehr zur Betrachtung der sogenannten plastischen Füllungsmaterialien, vorunter man jene versteht, die in weicher Form in die Cavität eingebracht, in derselben nachträglich erhärten. Es gehören hierher:

1. Die Amalgame. Die Amalgame sind ausserordentlich wichtige Füllungsmaterialien für uns, weil die Patienten ihnen der Billigkeit halber in vielen Fällen vor dem Gold den Vorzug geben; dann aber auch, weil sich mit ihnen noch viele Zähne erhalten lassen, die eine Goldfüllung der schlechten Zahnsubstanz wegen nicht mehr aushalten würde, oder aber die der Anwendung von Gold unüberwindbare technische Schwierigkeiten entgegensetzen. Damit soll aber nun nicht gesagt sein; dass eine Amalgamfüllung unter allen Umständen leicht herzustellen sei, wie dies namentlich die Anfänger meist zu glauben geneigt sind, und dann in den grossen Fehler verfallen, das Material ganz sorglos zu verwenden; eine gute, allen Anforderungen entsprechende Amalgamfüllung herzustellen, ist unter Umständen recht viel schwieriger, als eine Goldfüllung zu legen.

Wir unterscheiden einfache Amalgame (Verbindung nur eines Metalles mit Quecksilber) und zusammengesetzte (Verbindung mehrerer Metalle mit Quecksilber). Von einfachen Amalgamen verwendet man nur das Kupferamalgam (bestehend aus Kupfer und Quecksilber); die zusammengesetzten enthalten meist der Hauptsache nach Silber und Zinn (sogenannten Silberamalgame), eventuell auch noch Gold und Platin (Gold- und Platinamalgame).

Die Zahl der Vorschriften hierfür ist Legion; es scheint, als ob es nicht so sehr auf einen bestimmten Gehalt an den verschiedenen Stoffen ankomme, als vielmehr auf eine sorgfältige technische Herstellung, bei der praktische Erfahrung die Hauptrolle spielt. Die Metalle werden in einem Tiegel geschmolzen, zu einem Barren ausgegossen und dann gefeilt; die Feilspäne werden dann zum Gebrauch mit Quecksilber versetzt, respective verrieben, so dass eine teigige Masse entsteht, die man dann in die Cavität einbringt, in welcher sie nach einiger Zeit erhärtet. Darüber, wieviel Quecksilber man zusetzen soll, herrscht auch kein stricter Anhalt; einige verlangen, dass nur ganz wenig Quecksilber zugesetzt werde, dass Amalgam also etwas krümelig verwendet werden müsse, andere wieder behaupten, dass im Gegen-theil recht viel Quecksüber zuzusetzen und das Amalgam mit einem Ueber-schuss von Quecksilber zu verwenden sei. Der goldene Mittelweg ist wohl
auch hier der richtige: man soll nicht zu viel und nicht zu wenig Quecksilber zusetzen; etwa so viel, dass eine feste teigige Masse entsteht. Zuviel zugesetztes Quecksilber lässt sich durch Ausdrücken der Masse in einem Stückchen Leder leicht wieder herausbringen.

In welcher Weise man die Feilspäne mit Quecksilber mischt, ist ziemlich einerlei. Einige verfahren so, dass sie Späne und Quecksilber in einen kleinen Glascylinder thun und ordentlich schütteln; andere verreiben sie im Mörser, noch andere in einem Stückchen Gummi (Cofferdam) und die meisten endlich einfach in der Hohlhand, und lässt sich wohl auch nicht bestreiten, dass dies schliesslich die einfachste und deshalb Vielleicht beste Methode ist. Es wurde die Frage aufgeworfen, ob es hierbei nicht zu einer chronischen Quecksilbervergiftung kommen könne, doch scheint das den in der langjährigen Praxis gemachten Erfahrungen zufolge ganz und gar ausgeschlossen; allerdings scheinen einige wenige Menschen eine sogenannte Idiosynkrasie gegen Quecksilber zu haben, dergestalt, dass bei ihnen sich nach dem Verreiben von Quecksilber in der Hohlhand leichte Vergiftungserscheinungen (Speichel-fluss, metallischer Geschmack etc.) einstellen.

In letzter Zeit feilt man die Legirungen häufig nicht mehr, sondern präparirt sie in Form feiner Späne, die das Quecksilber leichter aufnehmen.

Fig. 72. Amalgam-Instrumente von Foster Flagg
Fig. 72. Amalgam-Instrumente von Foster Flagg

Beim Kupferamalgam enthält das Präparat schon das Quecksilber eingeschlossen; zum Gebrauch erwärmt man dann die erforderliche Menge über der Spiritusflamme so lange, bis kleine Quecksilberkugeln auf der Oberfläche erscheinen und verreibt es dann im Mörser, bis es plastisch genug erscheint. Wenn zu weich, lässt sich auch hier das überschüssige Quecksilber leicht ausdrücken, wenn zu krümelig, setzt man eventuell ein wenig Quecksilber zu.

Die Präparation der Cavitäten, welche eine Amalgamfüllung erhalten soll, muss in derselben Weise und ebenso sorgfältig durchgeführt werden wie für Gold; versäumt man dies, so wird die Füllung in den seltensten Fällen ihrer Bestimmung, den
Zahn zu erhalten, genügen können. Allerdings braucht man für Amalgam meist nicht so viel und nicht so starke Unterschnitte als für Gold. Die Art und Weise der Einführung des Materiales ist von der grössten Wichtigkeit: man darf nicht leichtfertig grosse Stücke mit grossen Stopfern einfach in die Höhle hineinstopfen, sondern muss kleine Stückchen sorgfältig anpressen. Am besten verfährt man in der Weise, dass man das Material, nachdem es fertig präparirt ist, in kleine Stückchen schneidet, nun zunächst eines davon mit der Pincette in die Höhle einführt, mit einem Wattebäuschchen andrückt und dann mit kugeligen Instrumenten (Fig. 72) unter kräftigem Händedruck ganz sorgfältig anreibt; dadurch ist man imstande, das Material
in alle Winkel und Vertiefungen hineinzutreiben. Erscheinen beim Conden-siren kleine Quecksilberkügelchen auf der Oberfläche des Amalgams, so entfernt man sie durch Abwischen mit einem Wattebäuschchen oder noch besser durch Abtupfen mit etwas Zinnfolie, welche das Quecksilber begierig aufnimmt. Dem ersten Stückchen Amalgam folgt in gleicher Weise ein zweites, drittes u. s. w., wobei man immer gut condensirt, bis die Höhle voll ist. Von Zeit zu Zeit kann man dabei noch mit einem kleinen knopfförmigen Instrument nachfühlen, ob auch alle Unterschnitte etc. sorgfältig ausgefüllt sind.

Die Oberfläche der Füllung wird dann mit den abgebildeten spateiförmigen Instrumenten plattgedrückt.

Einen sehr grossen Fehler zeigen viele Amalgamfüllungen, die man zu sehen bekommt, den nämlich, dass das Material am Halsrande der Cavität übersteht. Die Folgen sind, da die Füllung nach dem Hartwerden auf das Zahnfleisch und eventuell auch die Wurzelhaut drückt, mitunter recht beträchtliche Schmerzen durch Auftreten einer Entzündung des Zahnfleischrandes und eventuell der Wurzelhaut; vor allem tritt an solchen Stellen dann aber sehr leicht unter der Füllung wieder Caries auf, da sich sehr leicht Speisereste an diesen Partien festsetzen und in Gährung übergehen. Es ist deshalb absolut nothwendig, ein solches Ueberstehen der Füllung zu vermeiden, und thut man gut, gleich beim Glätten des eben eingeführten, noch weichen Materiales hierauf zu achten, nicht erst beim Finiren der hartgewordenen Füllung am nächsten Tage, da es naturgemäss dann viel schwerer ist, die überstehende Masse zu beseitigen, als während der Zeit, wo sie noch weich ist. Man benutzt zu letzterem Zwecke ausser den dünnen spateiförmigen Instrumenten am besten eine dünne spitze Sonde von entsprechender Biegung. Auch das Durchziehen eines Seidenfadens unter dem Zahnfleischrande leistet oft sehr gute Dienste; es lassen sich mit diesen Hilfsmitteln leicht alle überschüssigen kleinen Theile unter dem Zahnfleisch hervorholen.

Die Amalgame besitzen als Füllungsmaterial eigentlich nur einen besonderen Vortheil: dass sie sich ziemlich leicht einführen lassen. Dagegen besitzen sie eine ganze Reihe von Nachtheilen. Namentlich ist die Farbe schlecht und sind die Amalgame dieses Umstandes halber in Frontzähnen überhaupt nicht anwendbar. Zur Zeit des Einlegens ist die Farbe allerdings bei den meisten Amalgamen schön hellgrau oder weissgrau; mit dem Erhärten und in der folgenden Zeit wird aber die Füllung dunkler, und auch die Ränder der Cavität erscheinen meist dunkel, respective grauschwarz verfärbt, namentlich wenn das Amalgam, wie dies minderwerthe Fabrikate thun, sich etwas zusammenzieht und dadurch die Möglichkeit zum Eindringen fremder Stoffe zwischen Füllung und Zahnwand giebt. Auch sind die Amalgame ziemlich gute Wärmeleiter, dürfen also in der Nähe der Pulpa nicht ohne weiteres angewendet werden. Das Schlimmste aber ist der eben schon erwähnte Umstand, dass die Füllung späterhin oft ihre Farbe ändert (sich contrahirt); namentlich bei Verwendung von zu viel Quecksilber, respective bei nicht genügendem Condensiren der Füllung scheint dies einzutreten. Die Füllung zeigt dann die Neigung, eine kugelige Gestalt anzunehmen, was zur Folge hat, dass sie sich von den Cavitätenrändern abzieht und also nicht mehr wasserdicht schliesst, so dass von neuem Caries in den so gebildeten Rissen und Spalten entstehen kann, die Schmelzränder abbröckeln und die Füllung eventuell ihren Halt verliert. Gut condensirte Füllungen zeigen diese unangenehmen Folgezustände nicht.

Man hat von einer giftigen (toxischen) Wirkung der Amalgame gesprochen, d. h. man glaubte die Beobachtung machen zu können, dass manche Menschen, welche grosse Amalgamfüllungen erhalten hatten, bald darauf oder später die Symptome einer Quecksilbervergiftung empfanden; vermehrte
Speichelabsonderung, metallischen Geschmack etc. Es ist vielleicht nicht abzustreiten, dass solche Erscheinungen vielleicht ausnahmsweise einmal auftreten können, da es ja wohl eine geringe Anzahl Menschen giebt, welche selbst gegen Spuren von Quecksilber ausserordentlich empfindlich sind ? das sind aber doch nur seltene Ausnahmen, die uns jedenfalls nicht veranlassen können, von der Verwendung der Amalgame abzustehen, zumal derartige Erscheinungen, wenn sie einmal auftreten, von selbst nach einigen Tagen auch wieder zu schwinden pflegen.

Die Anwendung der Amalgame ist eine ausserordentlich weit verbreitete, obgleich die Resulate bei ihrer Verwendung nicht immer günstig sind, namentlich wenn das Einlegen nicht mit der nöthigen Sorgfalt geschah. Wir verwenden Amalgam hauptsächlich für grosse und mit Gold schwer zu füllende Höhlen, wo der Patient nicht die nöthige Geduld hat oder zu unbemittelt ist, Gold einlegen zu lassen, und endlich da, wo Gold aus irgend einem anderen Grunde (schlechtes Zahnmaterial etc.) nicht angezeigt erscheint. Nächst Zinngold werden wir in solchen Fällen dann an Amalgam denken. So ist letzteres namentlich im Kreise der minder bemittelten Classen heute dasjenige Füllungsmaterial, welches wir am meisten anwenden müssen und wird es auch noch eine Zeit so bleiben.

Eine besondere Berücksichtigung verdient das Kupferamalgam, zumal auch seine Zusammensetzung, wie vorher bemerkt, eine von der der Silber- und Goldamalgame abweichende ist. Kupferamalgam wird hergestellt, indem man Kupfer auf galvanischem Wege auf Quecksilber niederschlägt, wobei es sich mit diesem amalgamirt. Die Masse wird dann mehrmals gründlich verrieben, unter jedesmaligem Erwärmen, so lange, bis eine innige Verbindung erzielt ist; der Ueberschuss an Quecksilber wird dabei durch Auspressen entfernt; die Masse dann zu kleinen eckigen Stückchen oder Kugeln geformt und so in den Handel gebracht.

Fast alle Präparate von Kupferamalgam leiden an dem Uebelstande, dass sie nicht gleichmässig zusammengesetzt sind; manche Stücke enthalten zu viel, andere zu wenig Quecksilber. Es mag der Uebelstand zum Theil darauf beruhen, dass beim Kupferamalgam die Verbindung des Kupfers mit dem Quecksilber nur eine rein mechanische ist, nicht eine chemische, wie anscheinend bei den anderen Amalgamen. Auf richtiges Erhitzen ist dabei allerdings auch das Augenmerk zu richten; man darf nicht zu wenig erhitzen, also nicht blos so lange, dass eben die ersten Quecksilberkugelchen erscheinen, weil das Amalgam beim Verreiben dann pulverig bleibt; andererseits soll man aber nicht so lange erhitzen, dass grosse Tropfen Quecksilber austreten, alles einhüllen und dann verdampfen, da de Masse dann ebenfalls nicht recht plastisch wird. Meist gelingt es, Amalgam, welches beim Verreiben im Mörser nicht recht plastisch werden will, durch nach-heriges weiteres Verreiben in der Hand vollkommen geschmeidig zu machen, da die Amalgamation durch die Wärme der Hand lebhaft gefördert wird. Eingeführt wird das Material auf dieselbe Weise und mit der gleichen Sorgfalt, wie die anderen Amalgame. Mitunter combinirt man Füllungen aus Kupfer- und Goldamalgam, dergestalt, dass man die Hälfte, respective den Halstheil der Cavität mit Kupferamalgam ausfüllt, um dann mit Goldamalgam weiter zu bauen. Man thut dies in der Absicht, weil Kupferamalgam erfahrungsgemäss die Cavitätenwände gegen secundäre Caries besser schützt als die zusammengesetzten Amalgame.

Kupferamalgam hat eine ziemlich beträchtliche antiseptische Wirkung; selbst viele Jahre alte Füllungen zeigen diese Eigenschaft noch, ebenso Stückchen von den Zahnwänden, wo Kupferamalgam gelegen hat. Dieser Eigenschaft darf man wohl zum grossen Theil den Umstand zuschreiben, dass secundäre Caries unter Kupferamalgamfüllungen verhältnissmassig selten

auftritt. Wir können das Material deshalb mit Vortheil auch verwenden in grossen Höhlen, wenn geringe Reste von cariösem Zahnbein zurückgeblieben sind, in der Voraussetzung, dass diese durch das Kupferamalgam sterilisirt werden. Nur darf eine solche Zahnbeinschicht nicht zu dick sein und vor allem darf am Rande der Cavität nichts Cariöses zurückgelassen werden. Dagegen hat das Kupferamalgam den grossen Nachtheil, dass es nicht nur sich selbst, sondern auch die Zähne unter Umständen stark verfärbt. Es wird allerdings mit Recht darauf hingewiesen, dass eine solche ausgesprochene Verfärbung des Zahnes nicht eintritt, wenn die Höhle gründlich excavirt und das Material trocken eingelegt und condensirt wird. Legt man allerdings eine Amalgamfüllung direct unter Speichel in einen weichen, kaum excavirten
Zahn, so darf eine starke Verfärbung nachher nicht Wunder nehmen.

Leider besitzt das Material noch mehr Nachtheile. Zuweilen kann man die Beobachtung machen, dass die Füllung sich an der Oberfläche auflöst, respective stark abnutzt, oft schon nach wenigen Monaten; auch am Zahnhalse lässt sich eine solche Auflösung des Materiales zuweilen nachweisen. Wie sie zustande kommt, ist vorläufig nicht genügend aufgeklärt; zum Theil ist sie wohl auf Wirkung der Gährungssäuren uni auf den Umstand zurückzuführen, dass die Halspartien einer Cavität sich überhaupt meist nicht so behandeln lassen, wie es wünschenswerth wäre, sowie auch, dass an jenen Partien beim Füllen das Amalgam meist nicht gründlich condensirt wird und so zuviel Quecksilber enthält. Jedenfalls kann man eine Füllung, die aus zu weichem Amalgam hergestellt wurde, meist nach einigen Tagen leicht mit dem Excavator herausschaben. Ein geringer Zusatz von Zinn (2?3%) bewährt sich in dieser Richtung.

Zum Aufbau grosser Füllungen, namentlich solcher, welche beim Beissen stark getroffen werden, empfiehlt sich Kupferamalgam weniger als die Goldamalgame, weil letztere sehr viel härter sind. Wir werden letzteren überhaupt den Vorzug geben namentlich auch an Stellen, die leicht sichtbar sind, der auffallenden (dunklen, oft kohlschwarzen) Farbe des Kupferamalgams wegen. Doch schätzen wir das letztere umsomehr bei schwer zugänglichen Höhlen, namentlich weicher (schlecht verkalkter) Zähne, an den distalen und Wangenflächen der Molaren vor allem, und bei Höhlen, bei denen eine sachgemässe Präparation so gut wie unmöglich ist (namentlich bei Milchzähnen), wo also Reste cariösen Zahnbeines zurückbleiben.

Sorgfältiges Finiren (Glattschleifen) aller Amalgamfüllungen am Tage nach der Einführung ist unbedingt erforderlich; auch empfiehlt es sich, den Patienten anzuhalten, eine oder zwei Stunden nach der Einführung des Amalgams nichts Hartes zu essen, um die noch weiche Füllung nicht zu verletzen.


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