Zange

Heilkundelexikon

Zange


Zange Die geburtshilfliche Zange ist ein Instrument, bestimmt zur Extraction des unverkleinerten Kindesschädels. Sie stellt eine Art Verlängerung des Kopfes dar, an welcher wir ziehen können, also eine Art Manus ferrea.
Historisches. Für die Erfindung dieses Instrumentes und damit für die Geschichte der ganzen Geburtshilfe ist das Jahr 1723 von grösster Wichtigkeit. In diesem Jahre nämlich legte der Genter Chirurg Johann Palfyn der Akademie zu Paris sein neuerfundenes Instrument zur Extraction des vorausgehenden Kopfes vor. Diese sogenannten Manus ferreae Palfynianae bestehen, wie unsere heutigen Zangen, aus zwei Blättern, welche jedoch gerade und nicht gekreuzt sind; ihre Verbindung geschah mittels eines Kettchens. Später hat Gilles le Doux das Befestigen der beiden Löffel mittels eines um den Griff geschlungenen Bandes bewerkstelligt.

Fig. 92: Zange nach Palfyn; Fig. 93 nach Chamberlen
Fig. 92: Zange nach Palfyn; Fig. 93 nach Chamberlen

Das Verdienst Palfyn's wird durchaus nicht geschmälert durch die Thatsache, dass schon 76 Jahre früher ein Instrument von viel vollkommenerer Art als Palfyn's Zange im Besitze der Familie Chamberlen in Schottland war und als Geheimmittel in Anwendung gebracht wurde. Wir kommen hier zu einem der schmutzigsten Blätter in der Geschichte unseres Faches. Die Chamberlen, anstatt ihre so segensreiche Erfindung der ärztlichen Welt und damit der ganzen Menschheit zugute kommen zu lassen, hielten, wie gesagt, ihre Erfindung geheim und erwarben sich dadurch ein bedeutendes Vermögen. Im Jahre 1670 war diese Erfindung nahe daran, Gemeingut der ärztlichen Welt zu werden. Chamberlen war nämlich von England nach Paris gekommen, um dort sein Instrument um den Preis von 10. 000 Thaler zu verkaufen. Der Zufall wollte es, dass gerade auf der Klinik Maurioeau eine Gebärende sich befand, die für die Sectio caesarea bestimmt war; man forderte Chamberlen auf, an dieser Frau sein Instrument zu erproben. Die Probe fiel, wie sich leicht denken lässt, sehr schlecht aus. Die Frau starb nach wenigen Stunden unentbunden an Uterusruptur und Chamberlen musste unverrichteter Sache wieder abziehen.

Im Jahre 1688 kam Chamberlen nach Holland und verkaufte sein Ge-heimniss an den holländischen Arzt Roonhuysen. Es ist nicht sichergestellt, ob Chamberlen betrügerischer Weise an diesen nur ein Blatt seiner Zange verkaufte oder ob Roonhuysen die vollständige CHAMBERLEN'sche Zange in seinem Besitz gehabt, aber seinerseits betrügerischer Weise nur ein Blatt an seine Schüler abgegeben habe. In der Folge zweifelte man sogar daran, ob Chamberlen überhaupt im Besitze einer Geburtszange gewesen sei oder ob die Erfindung Chamberlen's sich nur auf den geburtshilflichen Hebel bezogen habe. Erst das Jahr 1815 oder 1816 brachte in dieser Sache Aufklärung. Man fand damals nämlich in einem Hause zu Woodham in Essex, das den Chamberlen's gehörte, in einer oberen Abtheilung des Hauses eine geheime Thüre, nach deren Eröffnung sich in einem grossen Räume mehrere Briefe des Dr. Chamberlen und geburtshilfliche Instrumente befanden, und zwar Hebel und Zangen. Die drei dort vorgefundenen Zangen waren gerade, mit Kopfkrümmung versehen, ganz von Stahl gearbeitet und gefenstert (Fig. 93). Es müsste uns wundern, wenn nicht schon vor Chamberlen und Palfyn das Bedürfniss nach einer Geburtszange für die Extraction des Schädels bei
den Aerzten vorhanden gewesen wäre; dass ein solches Bedürfniss wirklich existirte, beweisen die Schriften der ältesten Aerzte bis auf die genannte Zeit Schon Hippokrates empfiehlt, mit beiden Händen den Kopf zu extrahiren. Bei Avicenna (1608) und Mercürialis (1579) finden wir die Empfehlung von Tüchern, die nach Art von Kopfschleudern zur Extraction zu verwenden wären. Albucasis (1500) hat zwei Zangen angegeben, welche an ihrer inneren Seite scharfe Zähne trugen und zur Extraction des Schädels bestimmt waren. Ferner wurde von Rueff (1600) der »Entenschnabel« und »die glatte und lange Zange« zur Extraction in Verwehdung gebracht. Alle diese Instrumente, mit Ausnahme der des Mercürialis, sind nur für die todte Frucht bestimmt.

Nachdem die Erfindung Palfyn's Eigenthum der gesammten ärztlichen Welt geworden war, war Jedermann bestrebt, an dieser Zange Verbesse* rungen, Neuerungen anzubringen, und so kommt es, dass wir bis heute bereits über 200 Modificationen des Forceps kennen. Es kann sich hier nur darum handeln, die wichtigsten Erfindungen kurz zu skizziren.
Fig. 94: Zange nach Smellie. <br />Fig. 95: Zange nach. Levret.
Fig. 94: Zange nach Smellie.
Fig. 95: Zange nach. Levret.


Düsee (1733) dürfte der Erste gewesen sein, der nach Palfyn die Arme der Zange sich kreuzen liess; von da an bis zu den Zeiten Levret's und Smellie's werden wohl mannigfache Modificationen des Forceps bekannt, die wir jedoch als minder wichtig übergehen können.
Levret und Smellie waren es, die, der eine in Frankreich, der andere in England, dem neuen Instrumente Geltung zu verschaffen wussten, und zwar einerseits durch eine neuere, zweckmässigere Construction desselben, andererseits durch genauere Vorschriften über die Anwendung des Instrumentes. Von Levret kennen wir drei Modificationen der Zange. Die erste wurde 1747 beschrieben. Das Instrument besteht nach Siebold's Beschreibung »aus zwei ganz gleichen Blättern mit gefensterten Löffeln, die inwendig eine Art von Rinne haben, die mit einer kleinen, erhabenen Kante eingefasst ist, wodurch das Instrument dichter und fester an den gefassten Theil an-schliessen soll. Zur Vereinigung der Arme bediente sich Levret an dieser Zange eines Schlosses, mit einer beweglichen Axe mit Schiebern versehen. Beide Blätter haben nämlich da, wo sie ineinandergreifen, drei kegelförmig gestaltete Oeffnungen, ferner hat jedes Blatt seinen beweglichen Schieber, die auch mit drei Löchern versehen sind. Die Axe existirt für sich allein, passt in die genannten Löcher und wird erst nach Anlegung der Zange in eines der drei Löcher gesteckt und nur durch den Schieber befestigt. Levret wollte dadurch der Schwierigkeit, die Arme des Werkzeuges stets an einem und demselben Punkte zu schliessen, entgehen«. Weiterhin brachte Levret an dieser noch ganz geraden Zange eine Beckenkrümmung an und endlich drittens modificirte Levret sein Instrument 1760 dahin, dass er die frühere Axe am Schlosse mit einer in dem nach unten liegenden Arme, dem sogenannten männlichen, eingenieteten, aber doch beweglichen Schraube vertauschte. »Sobald der andere Arm mit der Oeffnung über den zweiten und in die genannte Axe eingesenkt ist, wird die Zange durch Umdrehung der Schraube, so dass ihre breite Fläche quer steht, geschlossen und der beibehaltene Schieber nach oben geschoben« (Fig. 94). Smellie beschrieb 1752 folgende Zange: »Das Instrument ist eine gerade, gefensterte Zange von nicht bedeutender Länge, die Griffe sind von Holz und besitzen unten Furchen, um zur besseren Befestigung ein Band herumzulegen. Die Ränder
der Blätter sind mit in Cirkeltouren herumgeführtem Leder überzogen, dagegen die Griffe frei davon; doch kommen auch Smellie'sche Zangen vor, bei welchen nicht allein die Griffe beledert sind, sondern selbst um die ganzen Löffel Leder gezogen ist, so dass die Oeffnungen der sogenannten Fenster verschlossen werden; die Arme werden durch Ineinandergreifen zur Seite verbunden, so dass einer den anderen in einer gefurchten Vertiefung aufnimmt« (Fig. 95). Von weiteren Zangen wollen wir nur noch folgende kurz erwähnen.

Die Zange von Johnson (1769) zeigte eine bedeutende Abweichung von der Smellie'schen und der Levret'schen schon dadurch, dass sie eine sogenannte Dammkrümmung besass, das ist eine Krümmung der Zangenhälse in der Richtung nach abwärts. Diese Dammkrümmung hat nur wenig Nachahmer gefunden. Leake gab im Jahre 1773 eine dreiblätterige Zange an; das dritte Blatt war ein Hebel, der zunächst dazu in Verwendung gezogen wurde, um das Hinterhaupt herabzubringen, worauf dann in gewöhnlicher Weise die Extraction vorgenommen wurde.
Fig. 96: Zange nach Busch
Fig. 96: Zange nach Busch


An der Zange von Aitken (1784) finden wir an den Enden der Griffe eine Schraube, welche die Entfernung der Blätter von einander anzeigt und dadurch als Kopfmesser, andererseits aber auch als Druckregulator dienen soll, um den Kopf des Kindes vor zu starken Quetschungen zu bewahren. Stark änderte die Smellie'sche Zange in der Weise, dass er einen Stift durch das Schloss hindurchstecken und auf diese Weise die Zange genauer und sicherer schliessen Hess. Boer hat 1793 eine Zange angegeben, die ähnlich der Leakeschen war, nur kleiner und ohne drittes Blatt. Die Zange ist an den Griffen und am Halse mit Leder überzogen und besitzt ein englisches Schloss. Busch der Aeltere brachte 1796 an der Smellie-schen Zange einen Haken beiderseits in der Nähe des Schlosses an, um bei Schwierigkeiten des Schliessens der Zange in diesem Haken einen kurzen Hebel für die Parallelisirung der Blätter zu besitzen (Fig. 96). Die Zange von Osiander (1799) hat das Eigenthümliche, dass die Löffel nicht gefenstert sind; das Schloss der Zange besteht aus einem kleinen kegelförmigen
Zapfen, der in die Oeffnung des zweiten Blattes passt, ausserdem wird über das vereinte Zangenschloss ein Riegel geschoben und endlich findet sich an den Enden der Griffe eine Sperr- oder Compressionsvorrichtung. Brünninghausen gab 1802 eine Zange an, welche sich durch das Schloss von den früher construirten Zangen unterscheidet. Dieses Schloss war nämlich im wesentlichen eine Vereinigung des französischen und englischen Schlosses. Vom französischen Schlosse besitzt das Brünninghausen'sche Schloss den Zapfen und einen kleinen Ausschnitt am anderen Blatte, vom englischen aber eine Platte über dem Zapfen am linken Blatte, die von der englischen sich nur durch die Form etwas unterscheidet. Man hat dieses Schloss zum Unterschiede von dem Levret'schen, das als französisches, und von dem Smellie'schen Schlosse, das als englisches bezeichnet wurde, das deutsche Schloss genannt. An der Zange von Froriep (1804) finden wir neuerdings, ähnlich wie an der Zange von Aitken, eine Schraube als Druckregulator an den Enden der Griffe, endlich wäre noch zu erwähnen die Zange nach Nagele, welche grosse Aehnlichkeit hat mit der von Brünninghausen, nur ist sie viel kleiner und zarter gebaut und besitzt, wie die Brünninghausen'sche Zange, das deutsche Schloss.


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