Zahnoperationen: Komplikationen

Heilkundelexikon

Zahnoperationen: Komplikationen


Trotz der heutigen bedeutend verbesserten Instrumente und Operationsmethoden und trotz der grössten Vorsicht treten auch heutzutage noch vielfach verschiedene üble Zufälle im Gefolge von Zahnextractionen auf.

Dahin gehören:
Das Abbrechen der Zähne, wenn diese sehr spröde oder infolge Knickung der Wurzeln sehr fest im Kiefer eingepflanzt sind. Die Folgen sind sehr verschieden, je nachdem, ob eine Pulpa noch vorhanden und durch den Bruch freigelegt ist oder nicht; bleibt im ersteren* Falle die Wurzel oder der abgebrochene Rest derselben stecken, so tritt nachträglich eine Pulpitis mit ihren Schmerzen auf. Im allgemeinen muss man jedenfalls versuchen, die abgebrochenen Wurzeln auch zu entfernen und den Patienten von der Notwendigkeit hiervon zu überzeugen sich bemühen. Kann er sich zu einem weiteren Extractionsversuch nicht verstehen, oder bietet die Extraction des Wurzelrestes allzu grosse Schwierigkeiten, so muss man dann eventuell die Pulpa mit dem Galvanokauter zu zerstören suchen. Kleine Wurzelspitzen können meist ohne Nachtheil im Kiefer sitzen bleiben.

Der Nachbarzahn kommt an Stelle des kranken Zahnes oder mit diesem zugleich heraus, wenn die
Zange abgleitet (was eigentlich nie vorkommen darf) oder der Zahn mit seinem Nachbar fest durch ein mitabbrechendes Alveolenstück oder auch durch knöcherne Verwachsung der Wurzeln (Cementhypertrophie) verbunden ist. Auch bei hebelartiger Bewegung der Zange nach hinten oder vorn kann ein Nachbarzahn herausgehebelt werden. In geeigneten Fällen versucht man dann am besten, den Zahn zu replantiren; hält er von selbst, so heilt er meist auch wieder ganz schön ein; eventuell muss man ihn durch Ligaturen, eine Kappe oder dergl. befestigen (s. Art. Zahnpflanzung).

Anschlagen mit der
Zange an obere Zähne bei Extraction unterer; es kann dabei zuweilen zu unliebsamen Fracturen und nachträglichen Wurzelhautentzündungen kommen.

Ein mehr oder weniger grosser Splitter des Alveolarfortsatzes kommt mit heraus. Kleinere Stücke haben nichts zu bedeuten, auch ist deren Fractur in vielen Fällen gar nicht zu vermeiden; durch Abbrechen grösserer Partien des Alveolarfortsatzes jedoch kann der Halt der Nachbarzähne beeinträchtigt werden, auch geht die Heilung der Wunde meist nur langsam vor sich und bleiben längere Zeit nach der Extraction noch Schmerzen bestehen. Etwas Vorsicht lässt solche Fälle vermeiden.

Eröffnung der Kieferhöhle bei Extraction oberer erster und zweiter Molaren, eventuell auch der oberen Weisheitszähne, wenn hierbei die ganze Tuberositas mit abgebrochen wurde (wie das namentlich früher öfter bei Anwendung des Schlüssels vorkam). Derartige Unfälle haben meist weiter nichts auf sich; Heilung tritt fast immer ohne jede weitere Behandlung ein. Sehr viel schlimmer ist es, wenn eine Wurzel in die Kieferhöhle hineingestossen wird (bei nekrotischen Processen, die die Knochenwand über der Wurzel erweicht haben). Es fällt meist sehr schwer, eine solche Wurzel wieder zu entfernen, die dann als Fremdkörper naturgemäss eine eiterige Entzündung der Kieferhöhlenschleimhaut bedingt. Zur Entfernung kann man dann die Alveole durch geeignete Bohrer erweitern und versuchen, durch Ausspritzen mit Wasser die Wurzel wieder herauszubekommen; ist das erfolglos, so muss eventuell eine chirurgische Behandlang eingeleitet werden (Aufmeissein der Kieferhöhle).

Bruch der Extractionszange. Durch sofortiges Vorbeugen des Kopfes sucht man zu verhindern, dass das abgebrochene Stück in den Rachen etc. gelangt; weitere Unannehmlichkeiten sind mit diesem Zufall kaum je verbunden. Namentlich bei Anwendung unzweckmässiger Instrumente unter bedeutendem Kraftaufwande kann ein Kieferbruch erfolgen, häufiger beim Unterkiefer als beim Oberkiefer. Der Unfall kann auch bei einer sonst regelrecht ausgeführten Extraction vorkommen, wenn der Kieferknochen durch krankhafte Veränderungen (im Alter, durch carcinomatöse Processe etc.) bedeutend geschwächt war.

Luxation des Unterkiefers kann erfolgen entweder in der Betäubung (wo die Musculatur mehr oder weniger erschlafft) oder bei Anwendung des Gaisfusses, wenn der Kiefer nicht ordentlich mit der linken Hand gegengestützt wurde, oder endlich bei Prädisposition zur Luxation (habituelle Luxation). Durch Reposition wird dann der normale Zustand wieder hergestellt.
Es kann auch eine ausgedehnte Zerreissung der umgebenden Weich-theile statthaben (was eigentlich auch wieder nicht vorkommen darf), so namentlich beim starken Hinaufstossen der Zange. Abgerissene lappenförmige Stücke entfernt man mit der Scheere, wenn sie nur noch wenig mit dem umgebenden Gewebe zusammenhängen; einfache Risse heilen leicht und schnell von selbst.

Die nach jeder Extraction auftretende Blutung stillt sich in der Regel schon nach kurzer Zeit von selbst durch die Gerinnung des Blutes in der Alveole, indem die Blutgerinnsel diese gewissermassen austamponiren. Zuweilen jedoch tritt nach einiger Zeit, vielleicht nach einer halben oder selbst erst nach mehreren Stunden eine mehr oder weniger heftige Blutung auf, die ununterbrochen anhält. Entweder handelt es sich dann meist um hämorrhagische Diathese, Hämophilie, oder Schwächezustände, durch langwierige Krankheiten, wie Typhus, Malarien etc., hervorgerufen, oder um einen an Leukämie Leidenden oder einen chronisch Nierenkranken, Diabetiker oder um die Verletzung einer grösseren Arterie, oder die Blutung entsteht durch eine nicht vollständige Trennung verschiedener kleiner Knochenarterien, die sich nicht contrahiren können. Stets sieht man in den beiden letzteren Fällen das Blut synchronisch mit dem Arterienpuls ausspritzen. Sehr häufig wird die Blutung unterhalten durch ein ausgespreiztes Stückchen der Alveole. Das Zusammendrücken der Wundränder genügt dann, die Blutung zu stillen. Zuweilen kommt die letztere aus dem zerrissenen oder angeritzten Zahnfleisch, das dann mit den Fingern eine Zeitlang comprimirt werden muss.

Es ist daher sehr wichtig, bei jeder Blutung genau die Alveole zu untersuchen, die Blutcoagula aus derselben zu entfernen und die Alveole mit einer Spritze kalten Wassers zu reinigen. Ergiebt es sich, dass die Blutung aus der letzteren stammt und nicht etwa aus den Nachbartheilen, so muss die Quelle der Blutung verstopft werden, was am besten durch die Tamponade mit Jodoformgaze geschieht. Bei ihrer Ausführung ist darauf zu achten, dass die Alveole zunächst gehörig durch Ausspritzen gereinigt und der Gazestreifen dann sofort fest eingebracht wird, damit er auch direct mit den blutenden Gefässen in Berührung kommen kann (Partsch). Auf alle anderen Mittel ist wenig Verlass, vollständig zwecklos ist die immer noch ziemlich häufig geübte Verwendung von Liquor ferri sesquichl. in der Form, dass ein wenig davon auf
Watte lose in die Alveole hineingebracht wird! Wohl aber leistet Ausfüllen der Alveole mit schnell härtendem Gypsbrei oft sehr gute Dienste, wenn Jodoformgaze gerade nicht zur Hand.

Eine weitere unangenehme Erscheinung ist das Eintreten von Nachschmerzen (sogenannter Zahnlückenschmerz) in der leeren Alveole; solche Schmerzen scheinen namentlich aufzutreten, wenn die Alveole nicht ordentlich durch geronnenes Blut ausgefüllt ist, eine Annahme, die sich darauf stützt, dass das Tamponiren der Alveole die Schmerzen in den meisten Fällen behebt. Auch das Einbringen von etwas Orthoform in die Wunde, Spülungen mit warmem Thee (Kamillen etc.) leisten oft gute Dienste.

Mehr oder weniger schwere Eiterungen pflegen einzutreten, wenn die Extraction nicht glatt von statten ging. Bei Anwendung der Resections-zangen treten Eiterungen so gut wie immer ein, die allerdings bei Gebrauch eines antiseptischen Mundwassers ohne weitere Complication abzulaufen pflegen; grössere Eiterungen treten ein, wenn eine Infection der Wunde stattgefunden hat (Einpressen von Pilzmassen bei Ansetzen der Zange im unsauberen Munde; Verwendung unreiner Instrumente), namentlich bei gleichzeitiger Quetschung der Weichtheile. Die Folgen solcher Infectionen haben wir früher kennen gelernt.

Mit zu den allerunangenehmsten Zufällen gehört es, wenn ein Zahn oder eine Wurzel in den Rachen gleitet und dort verschwindet, namentlich bei der Extraction vieler Wurzeln in der Betäubung droht ein solcher Unfall leicht. Ein Hinunterschlucken hat meist weiter keine üblen Folgen, beim Eindringen des Fremdkörpers in den Larynx ist entsprechende Behandlung nach den hierfür allgemein gütigen Methoden am Platze.

Ohnmachtsanfälle sind nicht selten. Meist genügt dann horizontale Lagerung und Zuführung frischer Luit, den Patienten wieder munter zu machen.


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