Zahnoperationen: Hebel

Heilkundelexikon

Zahnoperationen: Hebel


Die Hebel. Von diesen existiren die verschiedenartigsten Formen, doch ist die beste der einfache gerade Hebel. Wir selber benützen zweierlei Formen, einen Hebel, der in eine einfache Spitze ausläuft und dessen eine Seite etwas convex, während die andere Seite vollständig eben ist (Fig. 41), und einen zweiten, dessen Ende in einer löffelartigen Spitze ausläuft (Fig. 44).
Fig. 41: Hebel.
Fig. 41: Hebel.

Den ersteren verwenden wir vorzugsweise zur Extraction des unteren Weisheitszahnes oder solcher unterer Zähne, hinter denen sich distalwärts kein Nachbar befindet. Das flache Ende wird gegen den zu entfernenden
Fig. 42: Stellung bei Anwendung des Hebels.
Fig. 42: Stellung bei Anwendung des Hebels.

Zahn gelegt und der convexe Theil gegen den Nachbarzahn gestützt. Indem man die Spitze tief in die Alveole hineindrückt (Fig. 22) und den Griff drehend senkt, folgt der Zahn in der Richtung seiner Wurzeln nach oben
Fig. 43: Luxationsbewegung mit dem Hebel.
Fig. 43: Luxationsbewegung mit dem Hebel.

(Fig. 23). Ist der Zahn jedoch zu fest eingekeilt, oder ist seine Krone nicht mehr vorhanden, so wird die scharfe Spitze direct von aussen durch das Zahnfleisch in die Alveole eingestossen und der Zahn durch eine Senkung des Griffes nach oben gedrängt. So schmerzhaft auch immer dieses Verfahren erscheinen mag, so ist es doch nicht schmerzhafter als die Extraction mit der Zange, während ein Abbrechen des Zahnes dadurch fast vollständig vermieden wird.

Der löffelartige Hebel (Fig. 44) dient uns vorzugsweise zur Extraction oberer Wurzeln, die mit der Zange nicht mehr zu fassen oder die so morsch sind, dass dies Instrument sie beim Erfassen zusammendrücken würde. Es wird der Hebel mesialwärts zwischen Wurzel und Alveole langsam eingeführt und allmählich in die Höhe gestossen, worauf die Wurzel, dem Drucke nachgebend, aus der Alveole heraustritt.

Für den, welcher sich auf den Hebel eingeübt hat, wird derselbe zu einem unentbehrlichen Instrument, mit welchem dann noch Erfolge zu erzielen sind, wenn alle anderen vergeblich angewendet.

Rechts und links gebogene löffeiförmige Hebel lassen sich bei der Extraction mehrwurzeliger Zähne oft mit sehr grossem Vortheil in der Weise verwenden, dass man nach gelungener Zangenextraction der einen Wurzel mit dem entsprechenden Hebel in die leere Alveole eingeht und nun mit einer Drehbewegung die benachbarte Wurzel unter Durchstossen des Zwischenseptums einfach hochhebt, was meist geradezu spielend leicht gelingt. Besonders empfehlenswerth ist dieses Vorgehen bei unteren ersten und zweiten Molaren, bei denen es häufig vorkommt, dass mit dem Rest der Krone nur eine Wurzel dem Zuge der angesetzten Zange folgt, während die zweite
Fig. 44: Löffelförmiger Hebel.
Fig. 44: Löffelförmiger Hebel.

(meist die distale) Wurzel mehr oder weniger tief fracturirt, so dass die Wurzelzange kaum Halt zum Ansatz findet.

Isolirt stehende Wurzeln entfernt man im allgemeinen bequemer mit eigens construirten Wurzelzangen mit dünnen, schlanken Schnäbeln. Eine bajonnettförmige für den Oberkiefer und eine der Bicuspidatenzange ähnelnde für den Unterkiefer reichen für fast alle Fälle aus. Ragt noch genügend feste Zahnmasse aus der Alveole hervor, so wird die Wurzelzange gerade so angelegt wie die typische Zange, d. h. bis auf den Alveolenrand aufgeschoben und die Wurzel nun luxirt und entfernt. Andernfalls ist es rationeller, die Zange subperiostal etwas über die Alveole zu schieben und eine kleine Partie letzterer mit zu umfassen, beziehungsweise bei der Extraction zu reseciren (Fig. 45). Nur für ganz verzweifelte Fälle erscheint die Verwendung sogenannter Resectionszangen statthaft, mit denen Zahnfleisch und Alveole umgriffen und durchschnitten werden, so dass die Wurzel sammt Alveole und Knochen in den Backen hängen bleibt (Fig. 46). Die Ränder der Backen, die scharf geschliffen sind, müssen häufig untersucht und stets von neuem geschärft werden, da ein stumpfes Instrument nur unnöthige Quetschungen hervorrufen würde. Mit einem scharfen Instrumente lässt sich schon durch einen einzigen Druck die Alveole durchschneiden und der Zahn herausbefördern.

Wir würden den uns gebotenen Raum weit überschreiten, wenn wir alle die Instrumente aufzählen oder beschreiben wollten, die für die Extraction angegeben sind. Nichtsdestoweniger müssen wir noch des Schlüssels erwähnen, der, wie bereits oben angedeutet, zur Extraction des zweiten unteren Molaris dann von grossem Vortheil ist, wenn dieser beim schwierigen Durchbruch des Weisheitszahnes eng eingekeilt wird.

Als die Zangen im Jahre 1848 von Tomes in London beschrieben wurden, kam der Schlüssel allmählich auch in Deutschland so in Verruf, dass ein gebildet sein wollender Zahnarzt denselben durchaus nicht mehr anwenden wollte. Der Schlüssel besteht aus einer Stange, in dessen einem Ende sich ein Bart mit einem beweglichen Haken befindet, während am anderen Ende ein fester querer Griff befestigt ist. Da dieser Bart an das Zahnfleisch angelegt werden muss, so entstehen dadurch leicht Quetschungen, und da der bewegliche Haken, der an der lingualen Seite des Zahnhalses eingesetzt wird, bei einer Bewegung des Patienten leicht auf den mehr nach vorn stehenden Nachbarzahn abrutscht, so kann bei Unvorsichtigkeit des Operateurs sehr leicht ein falscher
Zahn herausgezogen werden.

Aber bei sicherer und richtiger Anwendung des Schlüssels sind behufs Extraction des zweiten unteren Molaris keine Nachtheile zu befürchten. Vor jedesmaliger Ansetzung des Instrumentes wird der Bart mit weicher Gaze etc.
Fig. 45: Ansetzen der Wurzelzange bei	tief zerstörten Zähnen. Fig. 46: Ansetzen der breiten Resectionszange.
Fig. 45: Ansetzen der Wurzelzange bei tief zerstörten Zähnen. Fig. 46: Ansetzen der breiten Resectionszange.

umwickelt, die mit einem Faden festgebunden wird. Ist der Bart aussen am Zahnfleisch angelegt, so wird der Haken am lingualen Halstheile mit einem Finger der linken Hand fixirt. Dann wird allmählich der Griff umgebogen und giebt der Zahn etwas nach, so wird der Bart etwas mehr nach der Krone hinaufgeschoben, während der Haken noch tiefer unter den Zahnhals, womöglich zwischen den beiden Wurzeln, eingesetzt wird. Je ruhiger und langsamer man operirt, umso leichter steigt der Zahn nach oben und aussen. Sollte der nun vollständig gelockerte Zahn wegen starker Krümmung der Wurzeln nicht herauskommen, so lässt er sich jetzt mit der Zange leicht herausnehmen. Zuweilen ist hier das Zahnfleisch fest mit dem Zahnhalse verwachsen. Verhindert dieser Zustand das Entfernen des Zahnes, so wird es mit dem Messer weggeschnitten.

Ursprünglich war der Schlüssel überhaupt nur zur Extraction der Molarzähne des Unterkiefers bestimmt. Da er Jedoch allmählich zur Extraction aller anderen Zähne verwendet wurde, musste dieses sehr brauchbare Instrument naturgemäss in Misscredit kommen.


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So entsprechen vor allem die genannten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen nicht dem aktuellen Stand der Medizin, die Anwendung kann nicht nur die Diagnose einer Erkrankung verzögern, sondern auch direkt den Körper schädigen.

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