Zahnoperationen: Extraktionsindikation

Heilkundelexikon

Zahnoperationen: Extraktionsindikation


Die Indicationen zur Extraction werden sich für den praktischen Arzt und für den Zahnarzt verschiedenartig gestalten, da der letztere vermöge seiner speciellen Ausbildung und vermöge der manuellen Fertigkeit, die er besitzen muss, sowie nicht minder wegen der längeren Zeit, die er auf die Behandlung verwenden kann, viele Zähne zu erhalten imstande ist, welche der praktische Arzt aus Unkenntniss der einzuschlagenden Methoden und aus Mangel an Zeit nothgedrungen opfern wird. Im allgemeinen dürften folgende Indicationen massgebend sein.
Milchzähne sollten möglichst bis zum Erscheinen ihrer Ersatzzähne, respective bis zum Eintritt der Resorption erhalten werden, um einer fehlerhaften Stellung der bleibenden Zähne vorzubeugen, wie sie leicht eintritt, wenn ein Milchzahn zu früh aasgezogen wird. Liegt jedoch eine starke Entzündung oder gar Verjauchung der Pulpa, eine Entzündung der Wurzelhaut vor, so ist die Entfernung des Zahnes unter allen Umständen angezeigt, weil ja eine rationelle Behandlung dieser Zustände bei Kinderzähnen kaum ausführbar ist, durch die vorliegende oder später entstehende eiterige Wurzelhautentzündung mit ihren Folgen aber leicht eine schädigende Einwirkung auf ' den unter dem Milchzahn liegenden bleibenden
Zahn eintreten kann. Auch wird ein pulpenloser Milchzahn sehr viel langsamer resorbirt und kann dadurch leicht zu fehlerhafter Stellung der bleibenden Zähne Anlass geben, wenn er zu lange in der Zahnreihe stehen bleibt.

Bei bleibenden Zähnen stellt die Caries mit ihren Folgekrankheiten über 90% der Indicationen zur Extraction, mit jenen Fällen, wo die Zerstörung des Zahnes so weit vorgeschritten, dass eine Füllung nicht mehr Halt findet und auch die Wurzel zu schwach ist, um noch eine künstliche Krone (Stiftzahn bei Frontzähnen und eventuell Bicuspidaten, Metallkrone bei Backenzähnen) tragen zu können, oder aber, wenn der Patient nicht willens ist, diese Massnahmen vornehmen zu lassen. Gesunde Zähne müssen zuweilen extrahirt werden: wegen Raummangel, wenn eine Regulirung nicht ausführbar; bei erschwertem Durchbruch der unteren Weisheitszähne; eventuell bei Kieferverbänden, um die Nahrungsaufnahme zu ermöglichen (durch ein einzuführendes Röhrchen). Weiterhin aus Rücksicht auf eine Prothese, wenn einzelne oder schiefstehende Zähne hindern oder eine gehörige Fixirung der Platte durch. Klammern etc. bei zu gedrängter Zahnstellung nicht möglich. Weitere Indicationen zur Extraction sonst nicht de-fecter Zähne sind dann noch: Lockerung der Zähne im Alter, Vermuthung auf Dentikelbildung, Neuralgien, deren Ursache man eventuell lediglich in zu gedrängter Stellung suchen muss (meist allerdings ja in chronischen Entzündungszuständen der Pulpa und Wurzelhaut); Odontome, Cementexo-stose und sehr häufig endlich noch Pyorrhoea alveolaris.

Contraindicationen.

Praktische Aerzte glauben in der Regel, dass während der Gravidität eine Extraction nicht vorzunehmen sei. Aber die Erfahrung hat es längst bewiesen, dass in dieser Zeit eine Extraction ohne die geringste Schädigung der Mutter und des Kindes ausgeführt werden kann. Bei einer Erstgebärenden und in den ersten Monaten der Schwangerschaft würde man vielleicht damit zögern, und umsomehr, da heutzutage durch kundige Hand fast jeglicher Zahnschmerz leicht ohne Extraction beseitigt werden kann; in den letzten Monaten aber erscheint die Extraction vollständig ungefährlich.

Ja man wird gut thun, diese Operation womöglich vor der Entbindung vorzunehmen, da nach derselben eher Schädigungen, wie Aussetzung der Milchsecretion etc., eintreten können. Eventuell bietet hierbei die Anwendung des Stickoxyduls (Lachgas) eine bedeutende Erleichterung, umsomehr, als sich erwiesen hat, dass Schwangere gerade dieses Gas ausserordentlich gut vertragen und schädliche Einwirkungen auf den Fötus niemals zu befürchten, beziehungsweise bis jetzt niemals eingetreten sind. Auch Bromäther hat sich durchaus in diesen Lagen bewährt; immerhin möchten wir von seiner Anwendung während der Lactation lieber absehen, jedenfalls von der des Chloroforms, in Rücksicht auf den möglichen Uebergang von Zersetzungspro-ducten dieser Stoffe aus Blut und Milch auf den Säugling. Im allgemeinen bietet auch die Lactation keine Contraindication; eher vielleicht noch die Menstruation, da Fälle berichtet sind, wo Extractionen, in dieser Zeit vorgenommen, Aussetzen der Menses und andere Störungen hervorgerufen haben.

Im Publicum und unter einigen Aerzten ist ferner die Meinung verbreitet, dass bei bestehender Entzündung mit Anschwellung die Extraction nicht vorzunehmen sei, weil dadurch die Entzündung noch gesteigert werden könnte. Aber gerade bei entzündlicher Geschwulst ist>. der
Zahn durch die Eiterung in der Alveole stets etwas gelockert und gerade durch die Extraction wird die Ursache der Entzündung beseitigt. Dazu kommt, dass bei Anwendung der Zange die Nachbartheile nicht, wie mit den früheren Instrumenten, verletzt werden können. Freilich vergrössert sich auch zuweilen nach der Extraction die Geschwulst ? aber dies würde auch ohne Operation der Fall gewesen sein.

Auch bei Epileptikern verbietet sich die Extraction nicht, obwohl gerade durch Reizung des Trigeminus, dessen Endfasern stets durch die Operation abgerissen werden, sehr leicht ein neuer Anfall ausgelöst wird. Ist man darauf vorbereitet und trifft die erforderlichen Massnahmen, Verletzungen durch Hinfallen, Umsichschlagen etc. zu verhüten, so ist der Schaden Ja weiter nicht gross und fällt nicht sonderlich ins Gewicht dem Umstände gegenüber, dass der Patient so von seinen Schmerzen befreit wird.

Wirkliche Contraindication aber ist bestehende Hämophilie und Leukämie; hier wird man unter allen Umständen die Extraction zu vermeiden suchen, so lange dies irgend möglich.


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