Zahnoperationen: Zahnpflege

Heilkundelexikon

Zahnoperationen: Zahnpflege


Es ist darunter nicht nur die Kosmetik zu verstehen, welche man seinen eigenen Zähnen angedeihen lassen kann und soll, sondern im weiteren Sinne auch die prophylaktische Behandlung durch den Zahn-arzt, soweit sie darauf hinausläuft, das Auftreten von Störungen hintanzu-halten (Entfernen des Zahnsteines zwecks Gesunderhaltung des Zahnfleisches, Regulirung von Zahnanomalien etc.) oder entstandene Defecte zu restituiren, um den Patienten vor Schmerzen und eventuellem Verlust von Zähnen zu bewahren.

Was die eigene Mundpflege anlangt, so gehört dazu in allererster Linie die regelmässige mechanische Reinigung des Kauapparates durch die Zahnbürste. Es ist erstaunlich, wie relativ wenig heutzutage noch der sanitäre Werth dieses kleinen Instrumentes geschätzt wird. Während eine grosse Reihe von Völkerschaften, die wir als in der Cultur weit unter uns stehend bezeichnen, ihre Zähne täglich mehrmals auf das allergründlichste mit oft recht primitiven Hilfsmitteln (zugespitzten Holzstäbchen, zerfasertem Rohr etc.) reinigen, ist bei uns in vielen Familien (nicht nur der untersten und unteren Kreise!) eine solche hygienische Massregel kaum dem Namen nach gekannt, geschweige denn ihrem Werthe nach geübt und gewürdigt. Es darf da allerdings auch nicht Wunder nehmen, wenn die Caries so er-schreckend häufig auftritt, wie es thatsächlich der Fall ist, und dass Prä-dispositionen für das Auftreten so mancher krankhafter Affectionen ge-schaffen werden. Hier Aufbesserung durch Aufklärung zu schaffen, muss sich jeder Arzt zur Pflicht machen, zum Wohle der Gesammtheit unserer Mit-menschen.

Es genügt aber nicht, den Gebrauch der Zahnbürste schlechthin zu verordnen; auch das Wie ihrer Anwendung ist zu berücksichtigen. Mit der Bürste ein paarmal quer über die Zähne zu fahren, wobei die hinteren dann meist noch sehr zu kurz kommen, hat gar keinen Zweck; die Interstitien bleiben dabei von jeder Reinigung ausgeschlossen und gerade sie sind doch die Beherberger der Speisereste, die dann später in Gährung übergehen und sich so zu Cariesherden ausbilden. Vertical auf und ab muss die Bürste vor allem bewegt werden, damit ihre Borsten zwischen die Zähne eindringen können; nicht zu hart soll deshalb auch das Borstenmaterial sein, damit die Beweglichkeit der Borsten nicht beschränkt sei und auch, damit Ver-letzungen des Zahnfleisches nicht durch sie hervorgerufen werden (eine sehr harte Zahnbürste kann sogar den harten Zahnschmelz beträchtlich angreifen !). Zu berücksichtigen ist auch die Form der Bürste (Fig. 87); sie wird viel leichter an die hinteren Zähne herangebracht werden können, wenn die Borsten vorne kürzer sind, da sie dann nicht soviel Raum in der Backen-tasche beansprucht; endlich wird eine concave Form der Borstenreihen, dem convexen Zahnbogen entsprechend, gestatten, zu gleicher Zeit mehr Zähne abzureiben, als bei Verwendung einer geraden Borstenreihe. In die Interstitien der Zähne werden die Borsten leichter eindringen, wenn die ein-zelnen Borstenbüschel spitz zugeschnitten sind und nicht zu eng aneinander-stehen.

Es sollten die Zahnreihen möglichst nach jeder Mahlzeit gebürstet werden, vor allem aber und auf jeden Fall des Abends vor dem Schlafen-gehen. Tagsüber findet schliesslich ja durch Essen und Trinken eine gewisse Reinigung statt, die wegfällt während der Stunden des Schlafes, wo die GähruDgsvorgänge im Munde ganz ungehindert vor sich gehen können. Die zumeist geübte Hauptreinigung des Morgens hat in Rücksicht hierauf lange nicht den Werth, als wenn sie des Abends vorgenommen wird.

Mit der mechanischen Reinigung einhergehen soll dann die Verwendung eines geeigneten Mundwassers. Es ist hier nicht der Ort, die Zusammen-setzung und Natur dieser Mittel eingehender, zu besprechen; nur ihre Not-wendigkeit, antiseptisch zu wirken, soll betont werden; denn anders als durch gährungshemmende Mittel können wir die GährungsVorgänge in den bei der mechanischen Reinigung doch immer noch zum Theil restirenden Sub-stanzen natürlich nicht bekämpfen. Daneben sind ätherische Oele am Platze, um eine angenehme Nachwirkung zu sichern.

Die Wirksamkeit der weitaus meisten im Handel vertriebenen Mund-wässer ist gleich Null, soweit die antiseptische Wirkung in Frage kommt. Befeuchtung der Zahnbürste mit verdünntem Spiritus (Franzbranntwein)
Fig. 87. Zahnbürste
Fig. 87. Zahnbürste

hat mindestens denselben Erfolg als die Verwendung einiger Tropfen Eau de Botot etc. in der vorgeschriebenen Verdünnung.
Sehr empfehlenswerth ist verdünntes Listerin. oder die von Miller angegebene Composition aus Acid. thymici 0, 25, Acid. benzoic. 3, 0, Tinct. Eucalypt. 15, 0, Alkohol 100, 01. menth. pip. 0, 75. Zum Gebrauch: etwa 1 Theil auf 20 Theile
Wasser.

Im allgemeinen haben die Mundwässer in der Weise Verwendung zu finden, dass eine entsprechend verdünnte Lösung einmal zur Befeuchtung der Zahnbürste, der Rest für Spül- und Gurgelbewegungen zur Reinigung der Mundschleimhaut und des Racheneinganges in Benützung kommt. Soll hierbei ein Erfolg in keimtödtender Hinsicht erzielt werden, so muss die Einwirkung der antiseptischen Lösung in der Concentration, wie hierfür massgebend, auf circa li/2?2 Minuten ausgedehnt werden.

Die Temperatur der Flüssigkeit soll dabei nicht zu nieder sein, um nicht unangenehme Empfindungen an den Zähnen hervorzurufen, obschon diesbezüglich gleich bemerkt sein mag, dass die individuelle Empfindsam-keit eine sehr variirende ist.

Ab und zu (etwa alle 2?3 Tage) ist neben dem Mundwasser auch noch ein Zahnpulver zu gebrauchen, um die Zähne von sich ansetzenden Belägen zu säubern. Auf seine Zusammensetzung kommt es nicht viel an, wenn nur keine schädlichen Stoffe (der früher so beliebte, sauer reagirende Cremor tartari etc.) darin enthalten sind. Wir verordnen gewöhnlich: Calc. carb. praec. 80, 0, Magnes. carb., Sapo med. aa. 10, 0, Carmin 0, 1, 01. menth. pip. 0, 5.

Der übertriebene Gebrauch von Zahnpulvern ist zu verwerfen, weil selbst fein geschlämmter kohlensaurer Kalk mechanisch schleifend das
Zahn-gewebe etwas angreift.
Fig. 88: Mundspiegel
Fig. 88: Mundspiegel


Bei intactem Gebiss ist den Anforderungen einer rationellen Pflege mit den gedachten Massnahmen Genüge gethan; bei nicht intactem Gebiss ist es überhaupt kaum möglich, die Mundhöhle so rein zu halten, wie es jedem anständigen Menschen, und sei es nur in Rücksicht auf seine Nebenmenschen, ziemt. Und wie viel wird noch immer in dieser Richtung gesündigt!

Es ist eigentlich kaum verständlich, dass es auch heute noch, wo doch die Grundzüge der Hygiene in die weitesten Kreise gedrungen, noch so massenhaft viel Menschen giebt, die wissentlich monate- und jahrelang mit defectem Gebiss herumlaufen, aus dem Munde riechen, sich mit Zahnschmerzen herumquälen und dabei ihren Gesundheitszustand ruiniren, wo sie bei regelmässiger Pflege und rechtzeitig nachgesuchter sachgemässer Behandlung doch so leicht all dies vermeiden könnten. Auch in dieser Hinsicht durch entsprechende Berathung immer wieder Hand ans Werk zu legen, muss Sache vor allem des Hausarztes sein, dem das Wohl und Wehe namentlich auch der heranwachsenden Jugend anvertraut ist.


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Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem Text auf dieser Seite um einen Auszug aus einem über hundert Jahre alten Fachbuch der Medizin handelt.
So entsprechen vor allem die genannten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen nicht dem aktuellen Stand der Medizin, die Anwendung kann nicht nur die Diagnose einer Erkrankung verzögern, sondern auch direkt den Körper schädigen.

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