Wein: Weinvermehrung und Weinverbesserung

Heilkundelexikon

Wein: Weinvermehrung und Weinverbesserung


Von Belang sind auch jene Veränderungen, welche der Wein durch die von den grossen Weinproducenten fabriksmässig geübten Methoden der Weinvermehrung und der sogenannten Weinverbesserung erfährt. Durch die hierbei gebräuchlichen Manipulationen werden wohl im allgemeinen den natürlichen Weinen in Geschmack und Bouquet sehr ähnliche Weine dargestellt; doch sind dieselben zumeist ärmer an Alkohol und an Extract; Rothweine dieser Art enthalten weniger Gerbsäure, und es kann nicht gleichgiltig sein, ob in Fällen, wo man auf die therapeutische Wirkung einer gewissen Weinsorte rechnet, ein Naturwein zur Anwendung kommt oder ein diesem nur äusserlich ähnliches Product der künstlichen Weinvermehrung. Es ist daher wünschenswerfch, dass der Arzt, dem, wie schon erwähnt, häufig bei der Auswahl des Weines für Verpflegsanstalten, beim Militär etc. eine active Rolle zufällt, über die verschiedenen Formen der künstlichen Weinvermehrung unterrichtet sei.

Die sogenannten Weinverbesserungsmethoden lassen sich zweckmässig in solche eintheilen, bei deren Anwendung die Menge des aus den Trauben durch Gährung des Mostes erhaltenen Weines nicht vermehrt wird, und in solche, bei denen eine Vermehrung der zu erhoffenden Menge des Weines durch Zusatz von
Zucker und von Wasser erzielt wird. Erstere Art der Weinverbesserung findet beim Chaptalisiren statt. Dieses von dem französischen Minister Chaptal, vormals Professor der Chemie in Montpellier, eingeführte Verfahren besteht darin, dass in einem zu sauren Moste die im Verhältniss zum Zuckergehalt desselben übermässige Säure durch kohlensauren Kalk in Form von Marmorstaub neutralisirt wird; um zugleich den Alkoholreichthum des Weines zu steigern, wird dem Weine reiner Rohrzucker zugesetzt. Dabei nimmt man an, dass aus 100 Zucker rund 50 Alkohol entstehen. Enthält also ein Most 14%Zucker, wonach er 7%Alkohol geben würde, und will man ihn zu einem 10%Wein machen, so muss man auf 100 Kgrm. Most 6 Kgrm. Zucker zusetzen. Das Chaptalisiren wird in Frankreich zur Herstellung der edlen Burgunderweine angewendet als ein Verfahren, welches der Entwicklung der charakteristischen Eigenschaften dieser Weine keinen Eintrag thut. Das im Marmor eingeführte Calcium wird zum Theil als Tartrat abgeschieden. Analytisch lässt sich die Anwendung dieses Verfahrens durch den erhöhten Kalkgehalt des Weines nachweisen.

Das Gallisiren, von Dr. Ludwig Gall herrührend, ein Verfahren, durch welches gleichzeitig eine Vermehrung und Verbesserung des Mostes, beziehungsweise des Weines erzielt werden soll. Zunächst soll der Wein dadurch besser werden, dass der durch die Ungunst der Witterungsverhältnisse zu säurereiche und zuckerarme Most zu einem Normalmost umgestaltet wird. Für einen solchen fordert nun Gall eine Zusammensetzung von 24%Zucker, 0, 6%Säure und 75, 4%Wasser. Hat nun ein Most weniger Zucker und mehr Säure, so wird derselbe zunächst mit soviel Wasser versetzt, dass der Säuregehalt im oben angegebenen procentischen Verhältniss zu stehen kommt; der nunmehr verdünnte Most wird nun eine Vermehrung von Zucker erhalten müssen, damit auch der Zucker gehalt die verlangte Höhe wie im Normalmoste erreicht. Sorgfältig ausgeführt, beziehungsweise bei Anwendung von reinem Rohrzucker werden mit tels dieses Verfahrens Weine erzielt, die nach beendigter Gährung der Qualität von guten Jahrgängen gleichkommen. Zumeist wird aber künstlicher, unreiner Traubenzucker als Zusatz verwendet, in welchem nach Carl Neubauer eine rechtsdrehende unvergäbrbare Substanz vorkommt, welche nach den vorliegenden Untersuchungen französischer und belgischer Autoren auf den Organismus schädlich einwirken soll. Ferner kann durch die Schwefelsäure, welche zur Darstellung des künstlichen Traubenzuckers verwendet wird, häufig arsenige Säure in solchen Wein gebracht werden.

Auch entstehen bei der Gährung des Traubenzuckers die schwer oxydirbaren Fuselöle. Die künstliche Volumvermehrung des Weines bei diesem Verfahren bedingt eine entsprechende Verminderung der übrigen Wein- bestandtheile, namentlich des Extractgehaltes, dessen chemische Zusammen setzung dem der natürlichen Weine nicht conform sein wird. Es wird also der gallisirte Wein durch den geringen Gehalt an Extract erkannt werden. Ist solcher Wein mit Kartoffelzucker gallisirt worden, dann wird er in einer 200 Mm. langen Polarisationsröhre untersucht, eine Drehung von über 0, 3 ?1 °nach rechts zeigen (s. auch später).

Eine weit grössere Volumvermehrung des Weines als beim Gallisiren wird durch das von dem burgundischen Gutsbesitzer Petiot eingeführte Petiotisiren erzielt. Das Verfahren besteht darin, dass man die nach der erstmaligen Gährung verbliebenen Trebern (Schalen, Rappen und Kerne) 3 ?5mal mit Zuckerwasser vergähren lässt und die so erhaltenen Pfoducte mit dem ursprünglichen natürlichen Weine vermischt. Dabei kann überdies zur Erreichung eines höheren Alkoholgehaltes der ursprüngliche Most mit
Zucker versetzt worden sein. Die so erzeugten Weine kommen als sogenannte petits vins, vins de seconde cuvee, piquette, petit Bordeaux, petit Bourgogne in den Handel. Sie sind vorzugsweise in Frankreich, doch auch schon bei uns in Gebrauch. Solche Weine sind, indem aus den Trebern bei wiederholter Gährung sich immer wieder Bouquetstoffe entwickeln, immerhin feurig; da sie sich sehr bald klären, sind sie auch schön von Farbe. Bei den Rothweinen setzt man in Frankreich dem dritten Aufguss auf je 50 Liter Rothwein y2 Kgrm. Malvenblüthen oder 50 Kgrm. Heidelbeeren zu und erhöht überdies die Farbe des fertigen Weines durch Zusatz von Alaun; der zu geringe Gehalt an Gerbstoff wird durch Tannin corrigirt. Für den hygienischen Werth dieser Weine ist eben falls der Zusatz von reinem Rohrzucker aus den beim Verfahren nach Gall erwähnten Gründen von Bedeutung. Bezüglich des chemischen Nachweises, dass eine Weinprobe von einem petiotisirten Weine herrührt, muss man stets im Auge behalten, dass sämmtliche Bestandtheile desselben durch passende Zusätze der einzelnen Bestandtheile des Weines immerhin in ein Verhältniss gebracht werden können, welches dem gewisser natürlicher Weine von schlechten Jahrgängen oder schlechten Lagen vollkommen entspricht. Lässt man die nach Vergährung der Traubenmaische und Abziehen des Jungweines zurückbleibenden Trebern ?Trester ?ohne Zusatz von Zucker, sondern nur von Wasser allein vergähren, so entsteht der sogenannte Trester wein, der alkoholarm (3 ?4%) und nur wenig halt bar ist. Zu den erwähnten Weinvermehrungsmethoden kam noch in den letzten Jahren die Fabrication von Wein aus getrockneten Trauben (Cibeben und Rosinen). Dieselbe wurde in Frankreich infolge des Ausfalles der Weinproduction durch die Reblaus eingeführt. Zur Bereitung des Weines werden 100 Kgrm. Weinbeeren von Korinth, Samos in 300 ?325 Liter Wasser aufgequellt, der Gährung überlassen und ausgepresst. Man erhält circa 325 Liter Wein von 8%Weingeistgehalt, dem natürlichen Weine täuschend ähnlich und überdies noch billig.

Hier möge auch das Scheelisiren des Weines erwähnt werden, welches darin besteht, dass man die überalten dünnen saueren Weine, um ihnen mehr Körper und Haltbarkeit zugeben, mit 1 ?3 °/0 Glycerin versetzt. Eine Operation, die in neuerer Zeit von den Weirihändlern in England, Deutschland und Oesterreich häufig ausgeführt wird. Es fehlen noch aus führliche Versuche über die Wirkung kleiner Dosen von Glycerin auf den Organismus, um gegen dieses Verfahren vom sanitäts-polizeilichen Stand punkte Stellung nehmen zu können.


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