Wein: Medizinische Anwendung

Heilkundelexikon

Wein: Medizinische Anwendung


Wegen seiner erregenden Wirkung wird der Wein sowohl als diätetisches Mittel, als in grösseren Gaben auch als Analepticum bei Schwäche zuständen in acuten und chronischen Krankheiten mit Erfolg verwendet. Der Alkohol des Weines wird im Organismus oxydirt und demgemäss wirkt der Wein durch seinen Alkoholgehalt direct als leicht verbrennlicher Nährstoff gleich wie die Kohlehydrate, allerdings nur seiner Menge entsprechend. Ob dem Weine auch eine den Stoffumsatz allgemein vermindernde Wirkung zu kommt, wie man diese dem Alkohol zuzuschreiben geneigt ist und wonach der Wein ebenfalls eine gewisse eonservirende Wirkung auf den Organismus hätte, ist noch nicht festgestellt. Es wäre immerhin denkbar, dass die erregenden Bestandtheile des Weines, die den Stoffumsatz verlangsamende Wirkung des Alkohols compensiren könnten; übrigens würden sowohl der Nährwerth als auch die eonservirende Wirkung des Alkohols erst bei Genuss grösserer Mengen von Wein in Frage kommen. Bei kleineren Mengen handelt es sich hauptsächlich um die excitirende Wirkung. Demgemäss ist der Wein bei fieberhaften Krankheiten zunächst als Excitans in Fällen, wo die Herzthätigkeit angeregt werden soll, anzuwenden. Hier möge an die interessante Thatsache erinnert werden, dass der Wein bei Fiebernden, selbst wenn sie an Alkoholica nicht gewöhnt sind, weder seine gefässerregende, noch die Nervencentren beeinflussende Wirkung so rasch und intensiv äussert, wie beim gesunden Menschen. Man wird daher vom Weine hauptsächlich während der Zeit der Remission des Fiebers Gebrauch machen. Auch bei der Anwendung des kalten Bades zur Antipyrese, wenn nach demselben der Kranke collabirt und sich nur sehr schwer erwärmt, ist ein Glas Wein, nach dem Bade gereicht, von guter Wirkung. Viel zu wenig wird der auch von Liebermeister ausgesprochene Satz befolgt, dass man einem Kranken, der im gesunden Zustande an regelmässigen Genuss der Alkoholica gewöhnt ist, dieselben während des Fiebers nicht gänzlich entziehen darf. Andererseits soll man dem Kranken ohne Indication keine grossen Dosen Alkohol aufnöthigen, sondern dieses Analepticum für jene Momente der Krankheit bereit halten, in denen mit demselben eine energische Hilfe geleistet werden kann. Bei chronischen Fiebern können die an Alkohol und Zucker reichen südlichen Weine, wenn sie in grösseren Mengen genossen werden, immerhin durch ihren Nährwerth vortheilhaft werden. Doch wird man auch in Betracht ziehen müssen, ob nicht gleichzeitig die Magenverdauung durch den Wein zu sehr verlangsamt wird und ob man nicht den schweren Weinen die leichteren vorzuziehen hat, welche häufig die Verdauungsthätigkeit des Magens nicht unwesentlich steigern. Auch auf die heilsame Wirkung des Weines bei der acuten Anämie, selbst nach ausgeführter Transfusion in die Venen, so lange der Kranke noch zu schlucken vermag, sei hingewiesen. Ueberdies ist der Wein ein werthvolles Diäteticum bei der Chlorose, bei der Atonie des Magens, bei Scorbut; auch bei den Milcbcuren, wie sie bei chronischen Brustkrankheiten angewendet werden, sind kleine Quantitäten Wein erlaubt. Bei den Ernährungscuren gegen Fettleibigkeit, bei Diabetes mellitus (zuckerfreie Weine), kommen leichte Weine in Betracht. Bei Magencarcinom wird Wein, wenn Magenblutungen fehlen, gut vertragen. In jenen Fällen, wo man behufs Ernährung des Kranken Ernährungsklystiere an wendet, kann man diesen Wein als Reizmittel zusetzen. Contraindicirt ist der Wein bei fieberhaften Zuständen, die mit organischen Veränderungen im Gehirne einhergehen, ferner wenn Blutungen vorhanden. Selbstverständ lich wird man sich bei der Auswahl der Weine zu medicamentöser und diätetischer Anwendung nicht vom Alkoholgehalt allein, sondern auch von deren Geschmack und Geruch, wie sie namentlich auch durch die erregen den Riechstoffe bestimmt sind, in anderen Fällen von dem Gehalt an Gerbsäure, von dem Reichthum oder Mangel an Zucker leiten lassen. Als durstlöschendes Getränk kann man ihn, bei gewissen fieberhaften Zuständen, ferner in Gegenden, wo es kein einwandfreies Trinkwasser giebt, ferner in Malariagebieten, stark mit Wasser verdünnt, während des ganzen Tages trinken lassen. Bei acuten Schwächezuständen wird er zumeist unverdünnt angewendet.

Bezüglich der chemischen Zusammensetzung der gebräuchlichsten diätetischen und medicamentösen Weine, soweit sie für den Arzt in Betracht kommt, sei auf die Zusammenstellung verwiesen.


Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem Text auf dieser Seite um einen Auszug aus einem über hundert Jahre alten Fachbuch der Medizin handelt.
So entsprechen vor allem die genannten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen nicht dem aktuellen Stand der Medizin, die Anwendung kann nicht nur die Diagnose einer Erkrankung verzögern, sondern auch direkt den Körper schädigen.

Hinweis: Der Text auf dieser Seite entstammt einem über einhundert Jahre alten Fachbuch. Daher entsprechen die gemachten Angaben nicht dem aktuellen Stand der Wissenschaft. Verwenden Sie niemals die angegebenen Rezepturen und Heilmethoden, da sie gesundheitsgefährdend seien können.