Wirbelsäule: Gefäße

Heilkundelexikon

Wirbelsäule: Gefäße


II. Gefässe.

1. Arterien.
Die Arterien, welche sich an der Wirbelsäule und deren nächster Umgebung verästeln, sind im allgemeinen unbedeutend, obwohl sie zum grossen Theiie aus der an der Vorderseite der Wirbelsäule verlaufen-den Aorta ihr Blut beziehen; nur der Halstheil macht insofern eine Aus-nahme, als im Bereiche der Wirbelsäule selbst die starken A. vertebrales verlaufen. Die Ernährungsgefässe für die Wirbel stammen aus den Inter-costai-, beziehungsweise Lumbaiarterien und diese aus der Aorta, beziehungs-weise Subclavia, am Halse aus der Vertebralis. Jede, etwa 3?4 Mm. dicke A. intercostalis oder lumbalis theilt sich, nachdem sie feine Zweige in den Wirbelkörper, vor dem sie hinläuft, sowie das Lig. longitudinaie ant. abge-geben hat, in 2 Aeste, einen vorderen und einen hinteren. Der hintere Ast (Ramus dorsalis) dringt zwischen den Querfortsätzen der Wirbel (an der Brustwirbelsäule innen vom Lig. costo-transversarium ant.) nach hinten, und sendet, ehe er an den Rücken gelangt, einen Ast (Ram. spinalis) durch das For. intervertebrale in den Wirbelcanal, wo er sich in drei Aeste auflöst, welche auch schon getrennt eintreten können. Sie wurden von Rüdinger (1863) als Rami canalis spinalis anterior und posterior, sowie Ramus medullae spinalis bezeichnet. Der Ram. anterior canalis spinalis theilt sich sogleich in einen stärkeren, schräg aufsteigenden und einen schwächeren, schräg absteigenden Zweig, welchem an der vorderen Wand des Wirbelcanales die Zweige der nächst oberen und unteren gleichnamigen Arterien entgegenkommen, Bogen bildend, die die Wurzeln der Wirbelbogen umkreisen und durch einfache oder doppelte, das Ligam. commune vertebrale (longitudinaie) posticum durchsetzende Aeste mit den Gefässbogen der entgegengesetzten Körperseite in Verbindung stehen. Die Rami posteriores canalis spinalis vereinigen sich ebenfalls mit den be-nachbarten derselben Seite, wie mit den gegenüberliegenden zu einem Netze, das über die innere FJäche der Wirbelbogen und Ligg. intercruralia ausge-breitet, aber minder regelmässig ist, als das Netz der vorderen Wand des Wirbelcanales (Hekle, Gefässlehre). Die Rami medullae spinalis steigen längs den Spinalnerven zum Rückenmark auf und anastomosiren mit der A. spi-nalis ant. und post. Sie entsenden die R. meningei-spinales zur Dura etc. ? »Der Ram. muscularis dringt zwischen den Rückenmuskeln, denen er Zweige abgiebt, zur Oberfläche, und zwar mit einer Reihe von Aesten zwischen den Schichten des Muse, transversospinalis zur Gegend der Wirbeldornen und mit einer anderen Reihe zwischen den beiden Abtheilungen des Muse, sacro-spinalis zur Gegend der Winkel der Rippen. Es versteht sich, dass alle diese Gefässe untereinander durch Anastomosen zusammenhängen« (Henle, 1. c). Am Halse entsendet die in den Querfortsatzlöchern aufsteigende A. vertebralis (aus der Subclavia, seltener direct aus der Aorta) an jeden Wirbel kleine Aeste nach allen Seiten, nach innen (Rami meningei) in den Wirbelcanal, nach vorn, aussen und hinten in die Muskeln, welche an den Halswirbeln inseriren oder entspringen (R. musculares). Sowohl die Spinal-, wie die Muskeläste werden an den obersten Wirbeln stärker. Spinaläste für die untere Gegend der Halswirbelsäule werden ausserdem noch von der Cervicalis ascendens (aus der Subclavia), sowie der Cervicalis profunda (aus der Inter-costalis suprema s. Truncus costo-cervicalis, aus der Subclavia) abgegeben.
An den unteren Theilen der Wirbelsäule finden wir statt der A. lum-bales aus der Aorta die gleichwertigen Gefässe, die liiolumbalis aus der Hypogastrica und die Aeste der Sacralis media. Letztere sind sehr viel schwächer als die anderen Arterien der Wirbelgegend, entsprechend der Reduction der Wirbelsäule selbst.

2. Venen.
Von den Venen des Rückenmarks und der Rückenmarks-häute soll hier abgesehen werden, s. d. Art. Rückenmark. In der Substanz der Wirbel liegen weite Venen, Venae basivertebrales (Breschet), welche nach vorn hin mit den Venae intercostales (s. u.) direct anastomosiren, nach hinten aus dem grossen For. nutricium (s. o.) austreten und sich in die Plexus spinales ergiessen. J) ie am Por. nutricium gelegenen Räume fHessen aus etwa 5?8 Aesten zusammen, die meist paarig und symmetrisch von rechts und links (oft einer unpaar in der Mittellinie) oder etwas un-regelmässig verlaufen. Die Plexus des Wirbelcanals, Plexus spinales (interni), bestehen aus vier longitudinalen, die ganze Länge der Wirbelsäule einnehmenden Zügen und queren, ringförmigen, segmental, d. h. je einem Wirbel entsprechend, an-geordneten Anastomosen. Die Längszüge heissen Venae spinales longitudinales, Plexus s. Sinus longitudinales, Venae ascendentes s. rectae columnae vertebralis, die queren Circelli venosi spinales s. vertebrales. Von den Längs-zügen liegen je zwei vorn und hinten, nämlich je einer rechts und links. an der hinteren Fläche der Wirbelkörper, zu beiden Seiten des Lig. longitudinale posticum, je einer rechts und links an der vorderen Fläche der Wirbel-bogen. Venae spinales internae et longitudinales anteriores, Venae magnae longitudinales anteriores und Venae spin. int. s. longitudinales posteriores. Die vorderen Plexus sind stärker und dichter als die hinteren, so dicht, dass die Venen der gefüllten Netze nur durch spaltförmige Zwischenräume getrennt werden. Die queren Verbindungsäste sind zwei unpaare, ein vorderer und ein hinterer und ein paariger, der rechts und links die Ver-bindung zwischen dem vorderen und hinteren Plexus seiner Seite vermittelt. Das ganze System kann demnach mit einem aufgerichteten Fachwerk oder mit vier senkrechten untereinander verbundenen Leitern verglichen werden, deren Sprossen jedesmal einem Wirbel entsprechen. Die vorderen queren Verbindungsäste sind selbst wiederum plexusartig (Plexus transversi) und liegen in der Mitte der Höhe der Wirbelkörper zwischen dem Periost und dem Lig. longitudinale posticum. Die hinteren Verbindungsäste sind meist einfach und verlaufen quer oder schräg zwischen zwei Wirbelbogen. Die »Sprossen« der beiden seitlichen Leitern (Plexus transversi laterales) sind wiederum mehr plexusartig. Am Zwischenwirbelloch vorüberziehend, fassen sie den durch dasselbe vortretenden Nerven zwischen sich (Circellus venosus foraminis intervertebralis) und entsenden an ihm entlang den Ast (R. spinalis), welcher das Blut des Wirbelcanals in die äusseren Plexus und so in den R. dorsalis einer Intercostalvene (oder deren Aequivalent) ableitet. Der oberste Venenring der Wirbelsäule liegt zwischen Hinter-hauptsbein und Atlas (»Sinus circularis foraminis magni«) und anastomosirt nach vorn und oben mit dem Plexus basilaris, nach hinten mit dem Sinus occipitalis. Die hinteren Plexus stehen durch Lücken der Ligg. intercruralia mit den Plexus dorsalis (s. u.) in Verbindung. Die Gefässe der Wirbelplexus haben selbständige, wenn auch sehr feine Wandungen. Statt der Klappen findet man in ihren Lumen niedrige, frei vorspringende »Blättchen« (Breschet, Henle). Auch an der äusseren, hinteren Fläche der Wirbelsäule liegen Venen, die Plexus dosales oder Venae dorsi spinales, V. spinales externae posteriores, Plexus spinales externi s. vertebrales dorsales. Sie heissen am Halstheile, wo sie besonders dicht entwickelt sind, Plexus vertebralis cervicalis. An der
Brustwirbelsäule bedecken sie die Bogen und Querfortsätze unter und zwischen den tiefsten Schichten der Muskeln (s. o.), ohne auf die Vorderfläche der Wirbel überzugreifen. Die Geflechte beider Seiten sind zuweilen in der Mittellinie durch mediane Venen verbunden, welche auf den Spitzen der Wirbeldornen abwärts ziehen und zu den Seiten der Ligg. interspinalia Aeste in die Tiefe senden. In die von den Plexus dorsales ausgehenden Aeste ? zum R. dorsalis einer Intercostalvene etc. ? mündet an jedem Zwischen-wirbelloch ein R spinalis s. emissarius (s. o.) (Breschet, Henle).

Das Venenblut aus dem Wirbelcanal, d. h. also von der Wirbelsäule selbst, dem Rückenmarke und seinen Häuten, ferner von den Weichtheilen an der Hinterfläche der Wirbelsäule, vereinigt sich in der Höhe jedes Wirbels jederseits in dem Ramus dorsalis einer Intercostalvene oder deren Aequivalent, einer Lumbaivene. In den Stamm einer solchen (V. inter-costalis communis) fliessen noch kleine Venen, die von der Vorderfläche der Wirbelkörper kommen und aus der Substanz derselben stammen, innerhalb deren sie mit den Venae basivertebrales (s. o.) anastomosiren. Die Intercostalvenen begleiten, meist einfach, die gleichnamigen Arterien, über welchen sie liegen (eventuell eine schwächere Vene unterhalb der Arterie). Die Intercostalvenen fliessen rechts in die Vena azygos, links in die Hemiazygos und durch deren Vermittlung in die Azygos, oder auch zum Theil direct in letztere. Hier giebt es vielfache, praktisch unwichtige Varietäten. Die Azygos geht schliesslich in die Vena cava superior. Die Venae lumbales fliessen in die V. cava inferior; sie hängen durch verticale Anastomosen unter sich und mit der letzten Intercostalis, dadurch dann der Azygos und Hemiazygos zusammen.

Ein Theil des Venenblutes der Wirbelsäule ? im Bereiche des Halses ? wird durch Vermittlung der Vena vertebralis und der Vena cervicalis profunda abgeleitet, welche an die Stelle der am Halse fehlenden Inter-costalvenen treten. Die V. vertebralis erhält Aeste von den Geflechten der Wirbelhöhle durch die Foramina intervertebralia, sowie durch die Zwischen-räume der Wirbel Aeste von dem dichten Plexus vertebralis cervicalis (PL venosus colli ant. und post.), der die vordere und hintere Fläche der Halswirbelsäule bedeckt, die Querfortsätze umgiebt und das Blut der tiefen Halsmuskel ableitet. ? Aus dem hinteren Theile des Plexus vertebralis cervicalis geht Venenblut durch mehrere Aeste in die V. cervicalis profunda. Letztere hängt somit ? durch Vermittlung des genannten Plexus ? mit der V. vertebralis und den unteren Abschnitten der Wirbelsäulen-Plexus zu-sammen. Sowohl Vertebralis wie Cervicalis profunda münden in die Anonyma, die mit der der anderen Körperseite zur Cava superior zusatnmenfliesst.

3. Lymphgefässe und Lymphdrüsen (-knoten).
Ueber die Lymph-gefässe der Wirbelsäule und ihrer nächsten Umgebung ist ? wie über-haupt über die Lymphgefässe der meisten Körpergegenden ? wenig be-kannt, und auch dies Wenige steht nicht überall ganz fest. Cruikshank (1879) hat Lymphgefässe aus dem Körper eines Brustwirbels kommen sehen, eine Beobachtung, die von Sömmerring und Bonamy bestätigt wurde und wohl für die Wirbelkörper überhaupt Giltigkeit haben dürfte. Im allgemeinen werden hier, wie anderswo, die Lymphgefässe dem Laufe der Venen folgen. Da ferner mit grosser Wahrscheinlichkeit feststeht, dass jedes Lymphgefäss mindestens eine »Lymphdrüse« (»Lymphknoten«) passirt, so dürfen wir wohl die kleinen und in variabler Zahl (über 20 jederseits) in der Gegend der Rippenköpfchen an der hinteren Thoraxwand gelegenen Glandulae lymphaticae intercostales (Lymphoglandulae) als diejenigen Lymphknoten betrachten, welche die Lymphe aus dem Wirbelcanal und seiner Umgebung auf-nehmen. Die Vasa ef ferentia der Intercostalknoten gehen direct zum Hauptstamme des gesammten Lymphgefässsystemes, dem Ductus thoracicus. Die Vasa
efferentia der oberen Intercostalknoten der rechten Seite sollen sich häufiger mit den Vasa efferentia der Bronchialdrüsen zu einem gemeinschaftlichen Stamme, dem Truncus bronchomediastinalis dexter, vereinigen, welcher sich in den rechten Truncus lymphaticus communis zu ergiessen pflegt, welch letzterer dann in den Vereinigungswinkel der rechten V. jugularis und V. subclavia einmündet. Gelegentlich mündet der Truncus broncho-media-stinalis dexter auch für sich in den Venenwinkel. An den unteren Ab-schnitten der Wirbelsäule werden die Gland. intercostales durch die Gland. lumbales und sacrales ersetzt, in welche die Lymphgefässe von der Lenden- und Kreuzwirbelsäule ganz ebenso übergehen wie an der Brust. Die Lymphe der Halswirbelsäule sammelt sich, wohl meist direct, in den Gland. cervicales profundae inferiores. In die genannten Gruppen von Lymphknoten ergiesst sich nicht nur die Lymphe von dem Wirbelcanal, dem Rückenmark und der Wirbelsäule im engeren Sinne, sondern auch von der Umgebung, soweit sie nicht anderweitig abgeleitet wird. Von der Haut desNackens geht die Lymphe zu denGland. cervicales superficiales, von den tiefen Muskeln des Nackens zu den Gland. cervicales profundae superiores, aus beiden Gruppen schllesslich in die Gland. cervicales profundae inferiores (s. o.), welche ja die gesammte Lymphe von Kopf und Hals er-halten. Von den Lymphgefässen des Rückens gehen die oberen abwärts, die mittleren horizontal, die unteren mehr und mehr aufsteigend, nach den Axillardrüsen, die Lymphgefässe von der Kreuzgegend zu den Gland. lumbales und sacrales (nach Henle).


Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem Text auf dieser Seite um einen Auszug aus einem über hundert Jahre alten Fachbuch der Medizin handelt.
So entsprechen vor allem die genannten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen nicht dem aktuellen Stand der Medizin, die Anwendung kann nicht nur die Diagnose einer Erkrankung verzögern, sondern auch direkt den Körper schädigen.

Hinweis: Der Text auf dieser Seite entstammt einem über einhundert Jahre alten Fachbuch. Daher entsprechen die gemachten Angaben nicht dem aktuellen Stand der Wissenschaft. Verwenden Sie niemals die angegebenen Rezepturen und Heilmethoden, da sie gesundheitsgefährdend seien können.