Wirbelsäule: Dornfortsätze

Heilkundelexikon

Wirbelsäule: Dornfortsätze


V. Verbindungen der Dornfortsätze.
Auch die zwischen den Dornen, sowohl den eigentlichen Fortsätzen, als den Spitzen derselben und hinter diesen verlaufenden Bänder können als rudimentäre, sehnig gewordene Muskeln aufgefasst werden. Man pflegt zu unterscheiden Ligg. interspinalia und Ligg. supraspinalia oder Lig. apicum, das Spitzenband. Im Bereiche der Halswirbelsäule gestalten sich diese beiden Bandapparate sehr massig und treten nach hinten in einen vom Hinterhauptbeine bis zum 7. Halswirbel verlaufenden dicken Strang zu-sammen, der ebenso wie die ihn bildenden Einzelbänder grossentheils aus elastischen Fasern besteht. Das ganze Gebilde, vielfach nur der hintere, weit von den Spitzen der Dornfortsätze der oberen und mittleren Halswirbel entfernte Strang wird das Nackenband, Lig. nuchae genannt, welches u. a. Muskeln zum Ursprünge dient. Bei Thieren, die ihren Kopf wesentlich ver-mittels dieses Bandes tragen oder doch nach oben fixiren, besteht das Band vielfach ganz ausschliesslich aus elastischem Gewebe.

Eine besondere Betrachtung erheischen die Verbindungen zwischen den beiden obersten Halswirbeln, sowie zwischen diesen und dem Hinterhauptsbeine. Weder zwischen Epistropheus und Atlas, noch zwischen diesem und dem Hinterhauptsbeine befindet sich eine Zwischenscheibe. Erstere ist im unteren Theile des Zahnes zu suchen, letztere in dem dünnen mecha-nisch unwichtigen, fälschlich sogenannten Lig. Suspensorium dentis, welches in der Jugend noch Knorpelzellen enthält. In dem Räume zwischen Atlas und Hinterhauptsbein sind die Membranae obturatoriae, anterior und posterior angebracht (siehe oben). Letztere wird von der Art. vertebralis jederseits durchbohrt. Schlaffe Gelenkkapseln verbinden die Proc. condyloidei der beiden Knochen. Diese Gelenkhöhlen können in seltenen Fällen ver-schwinden und die Knochen ein- oder beiderseitig in directe Verbindung, Synostose, treten. Der Epistropheus wird an den Atlas und das Hinterhaupt durch mehrere sehr starke Bänder befestigt. Den hinteren Abschnitt des Zahnfortsatzes umkreist in flachem Bogen das in den Vertiefungen der Massae laterales des Atlas entspringende, beziehungsweise endende Lig. transversum atlantis, das ja von hinten her betrachtet nicht nur horizontal, sondern auch transversal verlauft. Zwischen dem Bande und dem Knochen liegt eine in sich geschlossene oder mit dem vorderen Gelenke zwischen vorderem Atlasbogen und
Zahn communicirende Kapsel, die man als Gelenk-kapsel oder Schleimbeutel auffassen kann.

Von dem Querbande gehen, nach oben und unten je ein senkrechter Schenkel ab; der erstere gelangt bis zum vorderen Rande des grossen Hinterhauptloches, der untere zum unteren Rande des Epistropheus; das ganze so zustande gekommene kreuzförmige Gebilde wird Kreuzband, Lig. cruciatum, genannt. Die Befestigung des Zahnes am Hinterhaupt geschieht durch die Ligainenta alaria s. Maucharti, die Flügelbänder des Zahnes. Sie gehen fast horizontal von den Seitentheilen der oberen Hälfte des Zahnes zu den Seitenrändern des For. occipitale magnum und der inneren Fläche der Processus condyloidei. Ausser der Befestigung, beziehungsweise Festhaltung des Zahnes ? dies sind die wirklichen Aufhänge- oder Trage-bänder ? wirken sie als Hemmungsbänder bei allen Bewegungen zwischen Kopf und Wirbelsäule, hauptsächlich bei der Drehung um die senkrechte Achse. Hinter dem Kreuzbande und den Flügelbändern liegt eine fibröse Mem-bran, der sogenannte Apparatus ligamentosus, eine Verstärkung oder Ver-doppelung des Lig. longitudinale posticum.

Die Verbindung zwischen Kreuz-und Steissbein wird durch eine Zwischenscheibe, ferner durch ein Gelenk oder eine Syndesmose zwischen den Corhua sacralia und coccygea hergestellt. Im allgemeinen sind diese Verbindungen beim weiblichen Geschlechte, besonders in den Jüngeren und mittleren Jahren, vor allem bei Frauen, welche geboren haben, besser ent-wickelt und deshalb nachgiebiger als beim Manne.

Die Abschliessung des Sacralcanales nach hinten und unten er-folgt durch sehr starke longitudinale, quere und schräge fibröse Bänder, welche verschiedene Namen erhalten haben, die aber unwesentlich sind. Diese Bänder stehen im Zusammenhang mit den tiefen sehnigen Schichten des Extensor dorsi communis und sind wohl, zum Theil wenigstens, selbst als sehnig gewordene Muskelbestandtheile anzusehen. Die tiefsten, im Niveau der Knochen gelegenen Abschnitte dagegen sind wohl als zu Bindegewebe degenerirte Skelettheile aufzufassen ? ein bekanntlich hier und da eintreten-der Vorgang (siehe unten).

Schliesslich müssen noch die Bänder erwähnt werden, welche den unteren Theil der Wirbelsäule, d. h. den 5. (4.) Lendenwirbel und das Kreuz-bein mit dem Becken (Os ilium, Os ischii) verbinden und welche wesentlich als Verstärkungs- und Hemmungsbänder für die Articulatio sacro-iliaca zu betrachten sind. An der Vorderseite dieser Amphiarthrose sind sie nur schwach entwickelt, desto stärker auf der Rückseite, zwischen dem Kreuz-bein und der stark nach hinten vorragenden Tuberositas ossis ilium. Diese Ligg. ilio-sacralia postica, die man in longa und brevia theilt ? letztere meist Ligg. vaga genannt ? sind die stärksten Bändermassen des ganzen Körpers. Sie verlaufen längs, quer und schräg. Vom Querfortsatze des 5. Lendenwirbels, oft auch vom 4., geht ein Band zum Darmbein, Lig. ilio-lumbale, das in seltenen Fällen ein- oder beiderseitig verknöchern kann (siehe oben). ? Bänder vom Kreuzbeine zum Sitzbeine (Ligg. ischio-sa-cralia) giebt es zwei. Sie heissen Lig. tuberoso-sacrum oder sacro-tubero-sum und Lig. spinoso-sacrum oder sacro-spinosum. Ersteres, das ober-flächlichere und längere, entspringt vom ganzen Seitenrande des Kreuzbeins und den angrenzenden Theilen des Darmbeines und inserirt am Sitzhöcker (Tuber ischii). Es hängt mit den Ligg. ilio-sacralia post. longa zusammen, andererseits dient es Muskelfasern des Glutaeus maximus zum Ursprünge. Das Lig. spinoso-sacrum verläuft ziemlich quer, nur wenig aufsteigend, vom Sitzbeinstachel (Spina ischii) zum Seitenrande des Kreuzbeines in dessen unteren Abschnitt. An seiner Innen- (Becken-) Seite verlaufen Muskelfasern (M. coccygeus). Beide Bänder sind im wesentlichen als sehnig gewordene Muskeltheile anzusehen. Die Verbindung zwischen der Wirbelsäule und den Rippen wird durch die Gelenke der Rippenköpfchen und Höcker hergestellt, welche durch mehrere Bänder verstärkt werden: Ligg. capitulorum, Ligg. colli costae, Ligg. costo-transversaria.


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