Wunden: Symptomatologie

Heilkundelexikon

Wunden: Symptomatologie


Vergiftete Wunden. Vergl. die Artikel Curare, Leichengift und Schlangengift.
Symptomatologie der Wunden. Sämmtliche Wunden haben drei Symptome mit einander gemein: zwei, welche auch dem Laienauge sofort die Diagnose klar machen, nämlich das Klaffen der äusseren Decken und die Blutung, sowie ein subjectives Symptom, den Schmerz.

Das Klaffen der Wunden ist überall da am stärksten, wo eine starke Spannung der Haut nach einer oder nach verschiedenen Richtungen hin stattfindet. Langer13) hat zuerst im anatomischen, später Kocher14) im chirurgischen Sinne nachgewiesen, dass diese Spannung an verschiedenen
Körpertheilen sehr verschieden ist. Während die Haut des Kopfes, des Handtellers und der Fusssohle gar nicht gespannt ist und während Wunden dieser Stellen deshalb nur wenig oder gar nicht klaffen, weichen die Wundränder im Gesichte, an Brust und Rücken, sowie an den Extremitäten meist erheblich auseinander. Von den tiefer gelegenen Weichtheilen klaffen nur die Muskeln, soweit sie durchtrennt sind, und weichen bei vollkommen querer Durchtrennung weit auseinander. Ist dies schon bei einfachen Schnitt- und Risswunden sehr in die Augen springend, so wird es bei grossen Substanzverlusten der Haut noch auffallender. Bei Ausreissungen ganzer Glieder pflegt die Haut am weitesten zurückzuweichen, demnächst die Muskeln, so dass die Knochenenden am meisten hervorragen.

In Betreff der Blutungen vergl. den Artikel Blutstillung.

Der Schmerz ist verschieden sowohl nach der Körpergegend, als auch nach der Art der Verwundung, endlich nach der Individualität des Verletzten. Die nervenreichsten Körpertheile sind natürlich auch diejenigen, deren Verwundung am schmerzhaftesten ist; dahin gehören die Pinger, Lippen,
Zunge, Brustwarzen, äussere Genitalien und Aftergegend; dagegen sind manche Körpertheile ganz unempfindlich, z. B. die Portio vaginalis. Knochenwunden pflegen ebenfalls sehr schmerzhaft zu sein. Was die Art der Verwundung anbetrifft, so sind die Schussverletzungen durch Gewehrprojectile im Allgemeinen am schmerzlosesten. Die Fälle sind nicht selten, in denen Soldaten erst durch das herabrinnende Blut oder durch ihre Kameraden aufmerksam gemacht wurden, dass sie verwundet seien; und wenn auch manches von dieser Empfindungslosigkeit auf die Erregung während der Schlacht geschoben werden muss, so wissen wir doch auch von den zufälligen Friedensverwundungen, dass sie kaum eine andere Empfindung hervorrufen, als die eines heftigen, aber schmerzlosen Stosses. Selbst die Knochenschüsse machen davon nicht immer eine Ausnahme; ebenso pflegt bei Schrotschüssen, Verwundungen durch Granatsplitter *u. dergl. der Schmerz zunächst keineswegs bedeutend zu sein. Den Schussverletzungen am nächsten stehen die Hiebund Schnittwunden mit sehr scharfen Instrumenten; je mehr dieselben sich aber den Quetsch- und Risswunden nähern, desto heftiger wird der Schmerz. Am schmerzhaftesten sind die Quetschwunden an obengenannten nervenreichen Körpertheilen; so sind bekanntermassen die Quetschwunden der Finger ungemein schmerzhaft. Bei Zerrungen, Zerreissungen und Quetschungen grosser Nervenstämme können die Erscheinungen des Shock sich im unmittelbaren Anschlüsse an die Verletzung entwickeln. (Vergl. den Artikel Shock.) Endlich herrschen auch in Betreff der Individualität grosse Verschiedenheiten. Es giebt Individuen, welche höchst schmerzhafte Operationen ohne jede Schmerzensäusserung ertragen, während andere schon bei den geringfügigsten Eingriffen ausser sich gerathen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Schmerzempfindung in sehr bedeutenden Grenzen schwankt, und zwar nicht nur bei Individuen, sondern bei ganzen Nationen. Die ostasiatischen Völker zeichnen sich durch grosse Gleichgiltigkeit gegen schmerzhafte Operationen aus; aber auch bei den europäischen Culturvölkern sind erhebliche Unterschiede bemerkbar. Es ist endlich noch zu berücksichtigen, ob das verwundete Individuum im Augenblicke der Verwundung ein freies Sensorium hat oder nicht; so macht vor allen Dingen die Trunkenheit den Menschen mehr oder weniger empfindungslos.

Auch diejenigen Wunden, welche ursprünglich schmerzlos waren, werden, sich selber überlassen, im weiteren Verlaufe schmerzhaft; bei aseptischem Verlaufe dagegen können Schmerzen auch während der ganzen Heilungszeit ausbleiben.


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Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem Text auf dieser Seite um einen Auszug aus einem über hundert Jahre alten Fachbuch der Medizin handelt.
So entsprechen vor allem die genannten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen nicht dem aktuellen Stand der Medizin, die Anwendung kann nicht nur die Diagnose einer Erkrankung verzögern, sondern auch direkt den Körper schädigen.

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