Wehen und Wehenanomalien: Schwache Wehen

Heilkundelexikon

Wehen und Wehenanomalien: Schwache Wehen


Die Wehe kann nach zwei Richtungen hin pathologisch verändert sein, sowohl bezüglich ihrer Intensität oder Energie, als auch bezüglich des sie begleitenden Schmerzgefühles.

Schwache Wehen sind normale, aber nicht ausreichende Uteruscontractionen, die weder der Mutter, noch der Frucht irgend welchen Schaden bringen.

Man beobachtet sie zumeist im Geburtsbeginne und da am öftesten bei stehenden Wässern, seltener bei abgeflossenen. Sie sind nicht mit Wehenpausen, dem typischen Cessiren der Wehenthätigkeit, zu verwechseln. Die Ursachen derselben sind verschieden. Zuweilen sind sie durch eine mangelhafte Innervation des Uterus bedingt. Mit der Constitution oder dem Allgemeinbefinden der Kreissenden stehen die schwachen Wehen in keinem Zusammenhange, denn oft sied (wie bereits oben erwähnt) die Wehen bei robusten Weibern schwach und bei schwächlichen, herabgekommenen sehr kräftig. Häufig sind die Wehen bei älteren Primiparen schwach und ist dies auf eine mangelhafte Innervation des Uterus zurückzuführen. Börner137) glaubt an einen Rückgang der Innervation und bringt ihn mit einem Rückgang in der Nutrition des Uterus in Zusammenhang, veranlasst durch eine zu lange Zeit hindurch bestandene Unthätigkeit des Organes. Nach Grunert138) ist die Wehenthätigkeit bei alten Primiparen desto unausgiebiger, je höher das Alter ist. Nach Bidder139) macht sie sich hier namentlich im Geburtsbeginne bemerkbar. Bei auffallend jungen Erstgebärenden beobachtet man dagegen schwache Wehen nicht häufiger, als bei Primiparen überhaupt (Münder140), Lehnerdt141), Staffier142). Aüvard143) meint, es spiele bei der unausgiebigen Wehenthätigkeit die hereditäre Belastung mit eine Rolle, und zwar eine solche von der mütterlichen wie von der väterlichen Familie her. Hueckstädt144) und P. Müller145) sind der Ansicht, dass bei Uterus arcuatus, ineundiformis, sowie Obliquitas uteri die Wehenthätigkeit eine unausgiebige sei, weil die Uteruswandungen an den Ansatzstellen der Tuben mangelhaft entwickelt seien. Diese Partien des Uterus sollen bei Wehenthätigkeit blasenförmig vorgewölbt werden. Ich habe bei derartigen Uterusdifformitäten nie eine unausgiebige Wehenthätigkeit beobachtet, die auf diese zurückzuführen gewesen wäre. In nicht seltenen Fällen ist die Wehe deshalb schwach, weil eine relative Ueberfüllung der Fruchtblase besteht. Bei diesem Zustande wird die Wandung des oberen activen Uterussegmentes, und namentlich die des Fundus, durch die relativ unverhältnissmässig bedeutende passive Ausdehnung der Uterushöhle zu sehr verdünnt, so dass das obere Uterussegment und namentlich der Fundus nicht das gehörige Uebergewicht über das dünn wandige untere gewinnen kann. Diesen Zustand findet man bei Hydramnion, sowie zuweilen bei Gegenwart mehrerer Früchte. Das charakteristische Symptom dieses Zustandes ist die gleichmässige Spannung des Uterus auch ausserhalb der Wehe, in der Wehenpause, und der Umstand, dass die verstrichene oder verstreichende Vaginalportion, sowie die Fruchtblase auch während der Wehe nicht in die Scheide herabgedrängt werden, sondern hoch oben stehen bleiben.

Auch bei engem Becken sind die Wehen häufig schwach, weil der Kopf nicht herabtreten und das untere Uterinsegment sich nicht ausdehnen und verdünnen kann, wodurch es dem oberen unmöglich wird, das Uebergewicht über das untere zu gewinnen.

Löhlein146) glaubt, dass in Ausnahmsfällen die schwachen Wehen im Geburtsbeginne darauf zurückzuführen sind, dass die Eihäute im unteren Uterinsegmente der Uteruswand zu fest und innig anhaften, wodurch die Eröffnung des (wie er annimmt inneren) Muttermundes verhindert wird. Neben dieser zu festen Adhärenz sind die Eibäute auch verdickt, und zwar durch eine besonders reichlich vorhandene Zwischenschichte. Der (innere) Muttermund erweitert sich nicht und vermögen die Wehen das Hinderniss nicht zu überwinden. Zurückzuführen ist dieses abnorme Verhalten auf eine
vorangegangene Endometritis cervicalis oder corporis chronica, wie sich dies anamnestisch auch eruiren lässt. Man beobachtet diesen Zustand namentlich bei tiefem Sitze der Placenta. Er ist also nicht mit abnorm resistenten Eihäuten und auch nicht mit der Conglutinatio orific. ut. extr. zu verwechseln, wenn auch letztere auf gleicher Basis fusst.

Die Therapie der schwachen Wehen ist je nach deren Aetiologie eine verschiedene. Liegt eine Innervationsschwäche vor, so versuche man die Wehenthätigkeit durch leichte Analeptica anzuregen, wie durch Darreichung heisser Suppe, Bier,
Wein u. dergl. mehr. Gut wirkt es zuweilen, wenn man die Kreissende, vorausgesetzt dass es die Verhältnisse gestatten, im Zimmer herumgehen lässt. Besteht eine relative oder absolute Ueberfüllung der Pruchtblase, so sprenge man letztere, sobald sich der Muttermund zu er öffnen beginnt. Die Wässer fliessen ab, der Uterus verkleinert sich, die Wandung des oberen Uterinsegmentes und namentlich des Fundus verdickt sich und kann sich nun energisch contrahiren. Der abnorme Zustand ist beseitigt, die Wehe wird normal und die Geburt geht von jetzt an rascher vor sich. Auch Löhlein empfiehlt in den von ihm hervorgehobenen Fällen das Sprengen der Blase.


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