Weilsche Krankheit: Klinik

Heilkundelexikon

Weilsche Krankheit: Klinik


Auf Grund des bis jetzt vorliegenden Beobachtungsmaterials kann die von Weil gegebene Schilderung folgendermassen ergänzt werden. Es existirt eine Form der fieberhaften Gelbsucht, welche in unseren Ländern theils sporadisch, theils in Form kleiner Epidemien auftritt, und besonders zur Sommerzeit beobachtet wird. Hauptsächlich werden Männer befallen (nach Freyhan circa 90% aller Fälle) und unter ihnen wiederum besonders die Altersklasse zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. Die Krankheit geht häufig mit Milz-und Leberschwellung, sowie mit Ausscheidung eiweisshaltigen Urins (infectiöse Nephritis) einher, und ist im Grossen und Ganzen durch einen gutartigen Verlauf ausgezeichnet, wiewohl Todesfälle, und zwar gelegentlich schon in den ersten Tagen der Erkrankung, vorkommen. Der Beginn ist plötzlich, jedenfalls ohne Voraufgehen eines längeren Incubationsstadiums, und zwar meist unter schnellem Anstieg der Temperatur; nicht selten leitet ein Schüttelfrost die Erkrankung ein. Zwischen dem 4. und 5. oder dem 5. und 6. Krankheitstag weist die Temperaturcurve öfter eine grössere Remission auf, erhebt sich aber alsdann noch einmal, um bis zum 8., respective 10. Krankheitstage lytisch, respective staffeiförmig abzufallen. Zuweilen ?jedoch nicht immer ?erfolgt nach einem fieberfreien Intervall von 1 bis 8 Tagen ein Nachschub des Fiebers von kürzerer Dauer mit allmählichem Anstieg und ebensolchem Abfall. Unter den gleich zu Anfang her vortretenden Erscheinungen steht ein intensives Krankheitsgefühl, allgemeine Prostration, zuweilen ziemlich hochgradige Benommenheit des Sensoriums und Schlaflosigkeit obenan. Auffallend sind auch ?worauf Fiedler zuerst aufmerksam gemacht hat ?die in vielen Fällen einen Hauptgegenstand der Klage bildenden intensiven Muskelschmerzen. Dieselben befallen vor zugsweise die Waden, kommen jedoch auch in Form von Nacken- oder Lenden-, respective Kreuzschmerzen vor oder betheiligen die Muskeln der Oberextremitäten. Sie finden sich nach Werther in 50%der Fälle notirt. Hierzu gesellen sich von Anbeginn an gastrische Symptome, sich äussernd in Appetitlosigkeit, dickbelegter, trockener Zunge und Erbrechen. Der Stuhl gang ist entweder retardirt oder es bestehen Durchfälle. Milzvergrösse rung wird in 75%der Fälle, Lebervergrösserung etwa in 50% constatirt; beide treten relativ früh in die Erscheinung. Die Leberschwellung ist mit intensiver Schmerzhaftigkeit verbunden. Eines der constantesten Symptome bildet der Icterus, welcher in einer Reihe von Fällen schon in den ersten Tagen der Erkrankung sich entwickelt, in einer anderen, nicht minder grossen, dagegen erst im weiteren Verlaufe mit dem Beginne der Defervescenz zum Vorschein kommt. Er ist von wechselnder Intensität und beruht zum Theil, wie das Verhalten der Dejectionen beweist, auf Gallen stauung, zum Theil jedoch (cf. unten) vielleicht auf bestimmten Aenderungen der Gallensecretion, welche die Folge eines abnormen auf die Leber zellen ausgeübten Reizes sind. Enthält der Harn zugleich Albumen, was in mehr als der Hälfte der Fälle beobachtet wird, so finden sich in ihm zu gleich Formbestandtheile, bestehend in hyalinen und epithelialen Cylindern, farblosen und rothen Blutkörperchen. Seine Menge ist anfänglich vermindert. Die Stickstoff-und Harnstoffausscheidung war in einem von Münzer unter genauer Bilanz der Einnahmen und Ausgaben untersuchten Falle während der Fieberperiode nicht unerheblich gesteigert, wogegen französische Autoren (Chauffard) ein entgegengesetztes Verhalten, d. h. anfängliche Verringerung des Harnstoffes und später epikritische Mehrausscheidung beobachteten.

Von sonstigen, mehr oder weniger häufigen, jedenfalls aber nicht constanten Krankheitserscheinungen sind noch Röthung des Gaumens und Rachens, anginöse Beschwerden, ferner Exantheme in Gestalt von Herpes labialis, respective nasalis, Roseola, purpuraartigen Flecken oder einer juckenden, den Hals, Rumpf und die Extremitäten bedeckenden erythematösen Röthung zu nennen, welche letztere unter Umständen dem Erythema nodosum ähneln kann (Fiedler). Gewöhnlich treten diese Ausschläge um den 7. bis 10. Krankheitstag, also zur Zeit der Defervescenz auf. Wiederholentlich wurde heftiges Nasenbluten, sowie neben den oben erwähnten Hautblutungen andere Zeichen von hämorrhagischer Diathese beobachtet (Ecchymosen der Conjunctiva, hämorrhagische Sputa, Darm-und Nierenblutungen). Von Compli- cationen, beziehungsweise Nachkrankheiten ist ausser öfter sich entwickeln der Parotitis die mehrmalige Constatirung (Weil, Pfuhl) einer Iridocyclitis, beziehungsweise Iridochorioiditis im Reconvalescenzstadium zu erwähnen; Herrnheiser26) sah zweimal Netzhautblutungen. Ein Patient (Stirl) wurde später von Parese beider Oberextremitäten, der linken Augenmusculatur und des linken Facialis befallen. Dass der Verlauf des zweiten An falles da, wo ein solcher überhaupt erfolgt, sich im Allgemeinen milder gestaltet als der erste, wurde schon gelegentlich der Citirung der Weil'schen Fälle angedeutet; ebenso haben wir darauf verwiesen, dass trotz des meist gutartigen Verlaufes die Ernährungsstörung und Abmagerung einen aussergewöhnlichen Grad erreicht, und in Folge dessen die Reconvalescenz, während deren oft noch überaus schmerzhafte Sensationen der Musculatur bestehen, eine verzögerte ist. In den letal endigenden Fällen scheinen meist urämische Symptome den Schluss zu bilden: die Urinsecretion wird spärlicher, der Puls unregelmässig und freqüenter, es treten schwere Hirnerscheinungen, Delirien, Somnolenz, clonische Krämpfe auf.


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