Weilsche Krankheit

Heilkundelexikon

Weilsche Krankheit

Weilsche Krankheit - Klinik - Ätiologie und Pathogenese - Literatur

Im Jahre 1886 veröffentlichte A. Weil1) unter der Aufschrift: »Ueber eine eigentümliche, mit Milztumor, Icterus und Nephritis einhergehende Infectionskrankheit« vier, zum Theil von ihm gemeinsam mit Friedreich beobachtete Krankheitsfälle, welche folgende Erscheinungen boten:

Es handelte sich um kräftige, ausschliesslich männliche Individuen, die ohne besondere Prodrome unter Kopf schmerz und Schwindelerscheinungen mit gleichzeitig einsetzendem Fieber erkrankt waren. Als besonders bemerkenswerte Symptome wurden schon in den ersten Tagen des Hospitalaufenthaltes abnorme Hinfälligkeit und sehr entwickelte Cerebralerscheinungen (unruhiger Schlaf, Neigung zu Delirien, Somnolenz), ferner massiger Icterus der Conjunctiven und Haut, schmerzhafte Schwellung der Leber und Milz, sowie Albuminurie notirt.

Daneben bestanden Störungen seitens des Digestionsapparates, welche sich in
belegter Zunge, Appetitlosigkeit, Durchfällen oder Verstopfung äusserten. Nach dem diese Erscheinungen einige Tage hindurch bestanden hatten, ermässigten sie sich ziemlich rasch, so dass bereits am 5. ?8. Tage eine Wendung zum Besseren eintrat und die Temperatur unter Rückgang dos Icterus, der Leber und Milzschwellung, sowie der Albuminurie staffeiförmig zur Norm abfiel.

Bei dreien der Kranken erfolgte, nachdem die Apyrexie verschieden lange Zeit (1 ?7 Tage) bestand, ein Recidiv in der Weise, dass die Tempera tur von Neuem, und zwar (in zwei Fällen) staffeiförmig anstieg, um nach kurzer Zeit in derselben Weise wiederum abzusinken, ohne dass ein eigentliches Fastigium existirte. Die Dauer des Recidives betrug 5 ?6 Tage, während der erste Anfall circa 6 ?10 Tage währte; auch wurden in jenem nicht so hohe Temperaturen wie in diesem (40 ?40, 6 °C.) erreicht. Die Pulsfrequenz zeigte sich anfänglich massig erhöht, auf 104 ?112 Schläge in der Minute; doch machte diese Erhöhung in zwei Fällen offenbar unter dem Einfluss des Icterus schon am 3., respective 4. Tage der Erkrankung einer deutlichen Verlangsamung Platz. Der Icterus selbst war zwar nicht hochgradig, aber deutlich ausgesprochen; im Harn fanden sich nicht nur Gallenfarbstoff, sondern auch Gallensäuren. Entsprechend der relativ massigen Gelbsucht waren bei drei Kranken die Stuhlentleerungen zwar noch gallenfarbstoffh altig, bei dem vierten indess zeigten sie thonartige Beschaffenheit, was darauf hinweist, dass es sich um einen aus Gallenstauung hervorgegangenen Resorptionsicterus handelte. Mit Ausnahme eines Falles war der Harn zugleich trübe und enthielt ausser Eiweiss hyaline, sowie epitheliale Cylinder, rothe und weisse Blutkörperchen, Bestandtheile, welche bekanntlich der sogenannten infectiösen Nephritis zukommen. Besonders bemerkt wird die frühzeitige Vergrösserung und Schmerzhaftigkeit der Leber. Was die Haut anbelangt, so entwickelte sich bei einem Patienten am 7. Tage deutliche Roseola, bei einem anderen ungefähr zur selben Zeit eine fleckige Röthe am Hals und Gesicht. In sämmtlichen vier Fällen erfolgte Genesung, aber mit auffallend verzögerter Reconvalescenz, die sich noch lange Zeit nach dem completen Verschwinden des Fiebers und der übrigen geschilderten Symptome durch einen abnormen Schwächezustand der in ihrer Ernährung sehr herabgekommenen Kranken auszeichnete. Nur sehr allmählich erholten sich dieselben, so dass die Gesammtdauer der Erkrankung bis zur definitiven Wiederherstellung einen Zeitraum von 4 ?10 Wochen umfasste. Ueber die Natur, beziehungsweise die Deutung: des Symptomencomplexes spricht sich Weil nicht ganz bestimmt aus; er lässt die Frage offen, ob es sich um einen Morbus sui generis oder um eine besondere Form des Typhus handle, hält aber jedenfalls die Möglichkeit einer eigenartigen, auf noch unbekannter specifischer Ursache beruhenden Erkrankung aufrecht. Als Eingangspforte der sie verursachenden Noxe ist nach ihm vielleicht der Darm anzusehen, da drei der von ihm beobachteten Patienten an Diarrhöe litten.

Die hier im Auszuge wiedergegebene Mittheilung Weil's erregte in lebhafter Weise die Aufmerksamkeit der deutschen Aerzte, so dass seitdem eine grosser Zahl analoger Beobachtungen veröffentlicht wurde, von denen wir u. a. die von Goldschmidt2), E. Wagner3), Roth4), Fiedler5), Haas6), Hueber7), Kirchner8), Schaper9), Pfühl10), Vierordt u), Stirl12) Werther13), Goldenhorn14), M. Weiss15), Münzer10), H. Freund17), H. Jaeger18), B. Leick19), L. Klein und F. Schütz20) erwähnen. Monographische Bearbeitungen des Gegenstandes haben Wassilieff21) und Freyhan22) geliefert. Bis jetzt dürfte sich die Gesammtzahl der mitgetheiiten Fälle auf mehr als 150 belaufen. Obwohl ein Theil der Autoren den in Rede stehenden Symptomencomplex kurzweg als »WEiL'sche Infectionskrankheit« bezeichnet, so verdient doch bemerkt zu werden, dass bereits vor Weil von verschiedenen Seiten ähn liche Krankheitsfälle mitgetheilt worden sind, die sich zum Theil in nichts von denen jenes Forschers unterscheiden. Hierher gehören vor allem eine Anzahl von M. Weiss gemachter Beobachtungen, die in die Jahre 1866 und 1881 entfallen, der allgemeinen Beachtung sich aber entzogen hatten. Ferner hat Landouzy23) im Jahre 1883 unter der Bezeichnung Typhus hepatique über den Krankheitsverlauf bei zwei Patienten berichtet, welche, nachdem sie kurz vor ihrer Erkrankung in den Abzugscanälen der Stadt Paris gearbeitet hatten, von ziemlich starkem Fieber, Kopfschmerzen, Unruhe und Prostration befallen wurden, zu welchen Erscheinungen sich alsbald Leber und Milzvergrösserung, Albuminurie, Constipation und später ungefärbte diarrhoische Stuhlentleerungen, sowie Icterus und Nasenbluten hinzu gesellten. Er glaubte die Ursache dieser bisher unbeschriebenen Affection auf eine Intoxication durch die aus den Abzugscanälen sich entwickelnden Miasmen zurückbeziehen zu dürfen. Eine gleiche Entstehungsbedingung ist in den Fällen Chauffard's24) (1885) und Mathieu's25) (1886), bei welchen es sich um Potatoren handelte, nicht anzuschuldigen.


Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem Text auf dieser Seite um einen Auszug aus einem über hundert Jahre alten Fachbuch der Medizin handelt.
So entsprechen vor allem die genannten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen nicht dem aktuellen Stand der Medizin, die Anwendung kann nicht nur die Diagnose einer Erkrankung verzögern, sondern auch direkt den Körper schädigen.

Hinweis: Der Text auf dieser Seite entstammt einem über einhundert Jahre alten Fachbuch. Daher entsprechen die gemachten Angaben nicht dem aktuellen Stand der Wissenschaft. Verwenden Sie niemals die angegebenen Rezepturen und Heilmethoden, da sie gesundheitsgefährdend seien können.