Vorderarm: Weichteile

Heilkundelexikon

Vorderarm: Weichteile


D. Erkrankungen des Vorderarmes.

a) Erkrankungen der Weichtheile.

Indem wir von den eigentlichen Erkrankungen der Haut, wie sie auch am Vorderarme als chronische.
und acute Exantheme, als Entzündungen (Erythem, Erysipelas) ebenso wie an allen übrigen Theilen der Körperoberfläche vorkommen, absehen, ferner auch die daselbst auf der Beugeseite so häufig beobachtete, von den Fingern ausgehende Lymphangitis und die seltenere Phlebitis und Periphlebitis, die alle in dieser Gegend durchaus keine Eigentümlichkeiten zeigen, ausser Betracht lassen, haben wir noch einiges über die subcutanen, subfascialen und intermusculären Phlegmonen hinzuzufügen, die weniger häufig am Vorderarm selbst als circumscripte oder diffuse Entzündungen entstehen, als dass sie von der Hand aus nach demselben fortgeleitet werden und fast immer den diffussen Charakter annehmen. Wenn auch eine subcutane Phleg- mone durch deutliche Fluctuation leicht zu erkennen ist, verräth sich die tiefsitzende, diffuse Phlegmone wohl durch eine beträchtliche allgemeine, äusserst schmerzhafte Anschwellung, aber es ist oft sehr schwer, durch die stark gespannten Weichtheile, die Haut, die Fascien, die Muskeln hindurch deutliche Fluctuation zu fühlen und mit Bestimmtheit zu erkennen, an welcher Stelle vorzugsweise und zunächst die Eröffnung der Eiteransamm lung vorzunehmen ist. Während dieser dringend gebotene Schritt subcutaner Phlegmone ganz einfach und leicht ist, indem es blos eines oder mehrerer, der Verbreitung der Eiterung angemessener Einschnitte bedarf, die ohne alles Bedenken gemacht werden können, ist es bei Sitz des Eiters in der Tiefe, unter der Fascie, sowie unter und zwischen den Muskeln, zumal wenn man über denselben nicht ganz im klaren ist, geboten, die Eröffnung schicht weise auszuführen, indem man nacheinander die Haut, die Fascie durch schneidet, zwischen die Muskeln in deren Längsrichtung eindringt, dabei mit einem stumpfen Instrumente, z. B. der Kornzange oder dem Scalpellstiel die Fasern derselben auseinanderdrängend. Man gelangt so, ohne dass man Gefahr läuft, wichtige Gefässe oder Nerven zu verletzen, bis in den Haupt- Eiterherd, kann von demselben ans an verschiedenen Stellen noch Gegen öffnungen machen und Drains in dieselben einlegen.

Die seltener vor kommenden, aus dem Ellenbogengelenk stammenden Eitersenkungen sind in analoger Weise zu behandeln. ?Von den übrigen Weichtheilen des Vorderarmes kommen an den Muskeln entzündliche Erkrankungen nur selten vor, namentlich die syphilitische Myositis (Gummigeschwulst) und die ossificirende, mit theilweiser Verknöcherung der Muskel, während die rheu matische viel häufiger beobachtet wird, wenn auch nicht gerade auf den Vorderarm allein beschränkt. Sehr häufig dagegen sind am Vorderarm Ent zündungen der Sehnenscheiden, und zwar theils in Gestalt der crepi- tirenden, theils der eiterigen Entzündung. Üeber beide, ebenso wie über die mit Reiskörpern verbundene hydropische Ausdehnung der Synovialscheiden der Beugesehnen, welche einen grossen Umfang und ein cystenartiges Aus sehen gewinnen können, ist in dem Artikel Handgelenk, Hand schon das Erforderliche angeführt worden. ?Wir schliessen hier die Erwähnung des Brandes des Vorderarmes an, wie er theils aus äusseren Veranlas sungen (durch Verwundung, Quetschung, Verbrennung, Erfrierung u. s. w.), theils aus inneren Ursachen (beim höchsten Grade der Entzündung, bei Ge- fässerkrankung oder -Verschliessung, mit Embolie, Thrombose, oder bei Ergotinismus u. s. w.) vorzugsweise beobachtet wird, ohne auf denselben und die durch ihn erforderlich gemachten Massregeln näher einzugehen, indem wir auf den bezüglichen Abschnitt verweisen.

b) Die Entzündungen der Knochen des Vorderarmes in Gestalt einer Periostitis, Ostitis, Osteomyelitis spielen keine hervorragende Rolle, da die gedachten Knochen traumatischen Einwirkungen im ganzen weniger ausgesetzt sind als manche andere Knochen und auch bei der in- fectiösen Osteomyelitis gerade sie seltener als andere befallen werden. Im übrigen kommen an ihnen auch Nekrosen in derselben Weise wie
anderweitig, also theils in beschränktem Umfange, an der Peripherie gelegen, theils die ganze Dicke des Knochens, selbst die ganze Diaphyse betreffend und eingekapselt vor und machen die durch die verschiedenen Zustände gebotenen bekannten operativen Eingriffe nöthig. Die gummöse Periostitis und Osteomyelitis, die ebenfalls bisweilen vorkommt, ist dagegen vorzugs weise nur einer innerlichen Behandlung zugänglich.

c) Geschwülste und andere chronische Affectionen des Vor derarmes. Ueber die an den Gefässen sich findenden Erkrankungen und Neubildungen haben wir, abgesehen von der atheromatösen Erkrankung der Arterien, die an der Art. radialis ganz besonders leicht sich erkennen lässt, hinsichtlich der hier in Betracht kommenden, fast stets traumatischen Aneurysmen der Vorderarmarterien, des Aneurysma cirsoideum, der meistens traumatischen Phlebarteriektasie, der erectilen oder caver- nösen Tumoren bereits in dem Abschnitt Handgelenk das Wissens- wertheste angeführt und können demnach darauf verweisen. ?Neurome sind am Vorderarme nicht selten. Sie finden sich daselbst theils als kleine Knoten, manchmal in grosser Zahl, an den Hautnerven und werden wegen ihrer grossen Empfindlichkeit als »Tubercula dolorosa« bezeichnet, theils können auch die grossen Nerven des Vorderarmes den Sitz von Neurotnen abgeben, namentlich der nahe über dem Handgelenk wegen seiner oberfläch lichen Lage Insulten sehr ausgesetzte N. medianus. Ausserdem sind am Vorderarm auch die zu sehr grossem Umfange gelangenden plexiformen und die eine Combination mit Sarkomen darstellenden rückfälligen Neurome beobachtet worden. Die Behandlung der verschiedenen Arten von Neuromen ist eine ganz verschiedene. Während bei den an den Hautnerven sitzenden ihre Exstirpation mit Durchschneidung des Nerven ganz selbstverständlich ist, können die an den grösseren Nerven befindlichen bisweilen ohne Tren nung der letzteren enucleirt werden; wenn aber eine doppelte Durchschnei dung der Nerven nöthig wird, muss man die Schnittflächen aneinander bringen und durch eine Nervennaht vereinigen, weil auf diese Weise die Leitung in den Nerven erhalten bleibt. Bei den grossen plexiformen und den recidivirenden Neuromen ist in den meisten Fällen nur die Amputation des Gliedes das letzte Auskunftsmittel.

Osteome der Vorderarmknochen können theils aus einem wuchernden Fracturencallus, theils aus einer syphi litischen Diathese hervorgegangen, theils Exostosen sein, deren Ursprung völlig unbekannt ist; je nach ihrem verschiedenen Verhalten ist daher in dem einen Falle eine Entfernung derselben durch Resection möglich, in dem anderen nicht. Sehr selten sind die von den Knochen ausgehenden Enchon- drome, die hier keine charakteristischen Eigenschaften besitzen. ?Lipome sind theils subcutan, theil3 intermusculär beobachtet und können in beiden Fällen einen grossen Umfang bisweilen erreichen, im ersten Falle mit stiel artiger Ausziehung der bedeckenden Haut. Auch die Fibrome, die am Vorderarme nicht häufig sind, können theils von der Fascie, theils von den tiefer gelegenen Geweben (Periost u. s. w.) ausgehen. Bei den Sarkomen und Carcinomen, welche denselben Ursprung haben, ist dieser meistens für die einzuschlagende Behandlung massgebend, da bei subcutanem Sitz der Geschwülste noch eine Exstirpation möglich ist, bei Sitz in und zwischen den Muskeln und auf oder in den Knochen nur die Amputation übrig bleibt. Bei den am Vorderarm nicht selten vorkommenden Epithelialcarcinomen muss man sich vor einer Verwechslung mit dem ebendaselbst beobachteten epitheliomartigen Lupus hüten, welcher einer energischen örtlichen Behand lung zugänglicher ist als die genannte Carcinomform. Was sonstige, am Vorderarme infolge chronischer Erkrankungen zu beobachtende Abnormitäten anlangt, so deuten wir nur auf die durch Rha- chitis und Osteomalacie hervorgerufenen Veränderungen der Knochen
und die bei Paralysen verschiedensten Ursprunges an diesen und den Muskeln sich findenden Zustände von Atrophie hin, ohne auf dieselben näher einzugehen.


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