Vitellin

Heilkundelexikon

Vitellin

Als Vitelline hat F. Hoppe-Seyler Eiweissstoffe bezeichnet, die zuerst im Eidotter, Vitellus, gefunden, aber von ihm und Laptschinsky auch in der Krystalllinse des Auges nachgewiesen worden sind; die in der Linse vorkommende Vitelline nennt C. Th. Mörner »Krystalline«. Ihr Vor kommen ist nicht auf das Thierreich beschränkt; auch in Pflanzen, beson ders in Fruchtsamen (Paranuss-, Kürbis-, Hanf-, Ricinussamen u. a.) findet sich diese Eiweissart und lässt sich hier zum Theil künstlich in Krystalloiden gewinnen (Aleuronkrystalle). Krystallähnlichen Gebilden begegnet man auch in dem Eidotter von nackten Amphibien (Frosch) und Fischen, in dem neben gelben Dotterkugeln die sogenannten Dotterplättchen vorkommen. Die von Fremy und Valenciennes in den grossen Dotterkugeln und in den Dotter plättchen von Fischen und Amphibien gefundenen und als Ichthin, Ichthidin, Emydin u. s. w. beschriebenen Körper stehen nach Hoppe-Seyler dem Vitellin sehr nahe, wenn sie nicht gar mit letzterem identisch sind.

Die Vitelline verhalten sich ähnlich wie die Globuline (vergl. Albumin stoffe);. sie sind unlöslich in
Wasser, leicht löslich in 1-bis 10%iger Koch salzlösung, nur werden sie aus diesen Lösungen durch Sättigen derselben mit Kochsalz nicht gefällt (Unterschied von den Globulinen), wohl aber, wenn auch schwierig, beim Sättigen ihrer Lösung mit Magnesiumsulfat. (Bittersalz); endlich sind sie auch in sehr verdünnten Säuren und Alkalien (1. pro Mille) leicht löslich. Ihre Lösung in Salzsolution coagulirt bei circa 75 °C. Manchen Vitellinen kommt die ausgesprochenste Neigung zu, aus ihren Lösungen in Neutralsalzen leicht zu krystallisiren.

Die Reindarstellung der thierischen Vitelline hat deshalb mit grossen Schwierigkeiten zu kämpfen, weil im Eidotter Lecithin und Nuclein wahr scheinlich in lockerer Verbindung mit Vitellin enthalten sind und die voll ständige Trennung der beiden ersteren Stoffe ohne chemische Aenderung des Vitellins nicht wohl gelingt. Relativ nur wenig verunreinigt erhält man nach Hoppe-Seyler das Vitellin aus Hühnereigelb durch wiederholtes Ausschütteln mit grossen Aetherportionen, so lange als der Aether noch gelb gefärbt wird, Lösen des Rückstandes mit möglichst wenig 10 °/oi&er Na Cl-Lösung, Fällen des Filtrates durch
Wasser mit grossem Ueberschuss, Reinigen des Niederschlages durch abermaliges Lösen in Na Gl-Solution und Wiederaus fällen durch reichliches Wasser, schnelles Auswaschen mit Wasser und Trocknen im Vacuum.

Aus den Dotterplättchen vom Frosch und Stör erhält man Vitellin durch Zusatz von viel Wasser, Decantiren, Ausschütteln des Röckstandes mit Aether, Lösen in möglichst wenig 10%iger Na Cl-Lösung; weiter wird wie beim Hühnereigelb verfahren.

Krystalllinsen werden zerschnitten, mit }0 °/() iger Na Cl-Lösung ver rieben, die filtrirte, gewöhnlich trübe Lösung mit viel Wasser unter vor sichtigem tropfenweisen Zusatz sehr verdünnter Essigsäure gefällt, gewaschen und im Vacuum getrocknet; auch das so gewonnene Vitellin ist wohl noch mit anderen Stoffen verunreinigt.

Aehnlich wie das zur Gruppe der Globuline gehörige Myosin (s. dies) wird auch das Vitellin durch längeres Stehen unter Wasser so verändert, dass es dann in Salzsolution nicht mehr löslich ist. In gleicher Weise wird Vitellin von 0, 1%H Cl-haltigem Wasser gelöst, geht aber dabei schnell in Acidalbuminat oder Syntonin (s. dies) über. Sehr verdünnte Lösung von Aetz- oder kohlensaurem Alkali löst gleichfalls das Vitellin und führt dasselbe langsam in der Kälte, schneller beim Erwärmen, in Alkalialbuminat (siehe Albuminstoffe) über. Bemerkenswert!!ist in dieser Beziehung noch, dass frisch gefälltes Vitellin in wenig l%iger Sodalösung sich zunächst klar löst;

allein sehr bald trübt sich nach Weyl die Lösung und kann durch Zusatz von ein wenig Soda in Substanz wieder klar werden, um nach einiger Zeit sich wieder zu trüben u. s. f. Es beruht diese Erscheinung offenbar darauf, dass das Alkali von dem sich bildenden Albuminat in Beschlag genommen wird; da das Albuminat in reinem Wasser unlöslich ist, bedarf es eines neuen Zusatzes von Alkali u. s. f. Die pflanzlichen Vitelline nähern sich in mancher Hinsicht, insbesondere in ihrem Verhalten bei der Coagulation den ersten Spaltungsproducten der Eiweisskörper, den Albumosen (s. diese).

Die bei der mikroskopischen Untersuchung von pflanzlichen Samen in Form unvollkommen ausgebildeter Krystalle sich darstellenden Vitellinkörner in richtige polyedrische Krystalle, Octaeder oder rectanguläre Täfelchen überzuführen, ist wiederholt geglückt. Zuerst hat Maschke die Krystalloide der Paranuss (Bertholletia excelsior) umkrystallisirt, indem er erstere in Wasser von 40 ?50 °löste; beim Einengen der Lösung schieden sich echte Krystalle aus. Schmiedeberg, sowie Drechsel haben die Calcium-, Baryum- und Magnesium Verbindung der Paranusskrystalle in feinen Krystallen dar gestellt. Grübler hat die Krystalloide der Kürbissamen bei 40 °in möglichst wenig Salzlösung (Kochsalz, Salmiak, Bittersalz) gelöst; beim langsamen Er kalten schied sich das Vitellin in regulären Octaedern aus. Endlich hat Ritthausen aus Hanf-und Ricinussamen diese Krystalle dargestellt. Die Krystalle enthielten C 50, 9 ?53, 4, H 6, 9 ?7, 2, N 18, 6 ?19, 1, S 0, 8 ?1, 1, 0 19, 1 ?22, 7%.

Schicksale des Vitellins im Darmcanal. Nach Neumeister wird (krystallisirtes pflanzliches) Vitellin weder bei Digestion mit 0, 4%HC1, noch unter Zusatz von*Pepsin vollständig gelöst; neben Syntonin finden sich immer noch bemerkenswert ]!e Mengen unangegriffenen Vitellins. Wird aber zuvor das in
Wasser suspendirte Vitellin durch Erhitzen coagulirt, so erfolgt die Verdauung desselben durch Magensaft (Pepsin +0, 2%H Cl) fast ebenso schnell als die des Fibrins. Ausser Acidalbuminat entstehen Albumosen (s. diese), die Neumeister als »Vitellose« bezeichnet, obwohl sie keine wesentlichen Unterschiede von den aus Fibrin gebildeten Albumosen zeigt, und weiter Pepton. Dagegen ist coagulirtes Vitellin gegen das eiweissspaltende Pankreasenzym, das Trypsin, ziemlich resistent; bei längerer Digestion ent stehen aber ebenfalls Albumosen und Pepton. Danach ergiebt sich das Ver halten des Vitellins im Magen und im Dünndarm von selbst. Die gebildeten Albumosen und Peptone werden wie die entsprechenden Verdauungsproducte anderer Eiweisskörper resorbirt.

Literatur: F. Hoppe-Seyler, Medicinisch-chemische Untersuchungen, Heft 2, 1867 und Handbuch der physiologisch-und pathologisch-ehern. Analyse. 6. Aufl., pag. 253, 287. ? Laptschinsky, Pflüger's Archiv, XIII, pag. 631. ?Th. Weyl, Zeitschr. f. physiol. Chem. I, pag. 74 ?Neumeisteb, Zeitschr. f. Biolog. XXIII, pag. 402. ?Fremy und Valenciennes, Compt. rend. XXXVIII, pag. 469 u. 525. ?W. Palladin, Zeitschr. f. Biolog. XXX, pag. 196. ? C. Th. Mörner, Zeitschr. f. physiol. Chem. XVIII, pag. 64. Krystalle: Radlkofer, lieber Krystalle p rote in artiger Körper. Leipzig 1859. ? Maschke, Journ. f. prakt. Chem. LXXIV, pag. 436. ?Schmiedeberg, Zeitschr. f. physiol. Chem. I, pag. 205. ?Drechsel, Journ. I. prakt. Chem. N. F. XIX, pag. 331. ?Grübler, Ebenda XXIII, pag. 97. ?Ritthausen, Ebenda. XXIII, pag. 481 u. XXV, pag. 130. ?Chittenden und Hartwell, Journ. of physiol. XT, pag. 435.

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