Tabes dorsalis (Nachtrag)

Heilkundelexikon

Tabes dorsalis (Nachtrag)

Tabes dorsalis (Nachtrag) - Literatur

Tabes dorsalis. Symptomatologie.

Auf dem Gebiet der Symptomatologie sind in dem letzten Jahrzehnt eine Anzahl von Arbeiten erschienen, über welche wir hier übersichtlich berichten wollen.

1. Symptome der motorischen Sphäre.

Eine bemerkenswerthe Eigenschaft der Muskeln bei Tabikern, welche bereits oben XXIV, pag. 45 erwähnt wurde, ist von Prenkel genauer studirt und als Hypotonie bezeichnet worden. Dieser Autor wies darauf hin, dass bei Tabikern die Muskeln und Gelenkbänder bisweilen ausserordentlich erschlafft sind und dass der in Rückenlage befindliche Tabeskranke das im Knie gestreckte Bein bisweilen bis zu einem mit dem Becken spitzen Winkel heben kann.

Ein Gleiches constatirte Jendrassik, welcher ausserdem darauf hinwies, dass der Muskeltonüs und der Sehnenreflex in einer gewissen Beziehung zueinander stehen. Auch Sureau hat sich eingehend mit der Hypotonie der Tabiker beschäftigt. Bei 34 untersuchten Patienten fand er dies Symptom 27mal in den Extensoren und Plexoren, 26mal in den Adductoren der Oberschenkel und sehr häufig auch in den Pussmuskeln. Was die motorischen Complicationen anbelangt, so hat man in den letzten Jahren öfters recidivirende Augenmuskellähmungen beobachtet (Ascherl).

Ueber die Häufigkeit der Augenmuskellähmungen machen die einzelnen Beobachter verschiedene Angaben. Wie es scheint, kommen bei etwa 40?50% aller Tabiker in irgend einem Stadium der Krankheit Augenmuskellähmungen verschiedensten Grades vor. Am häufigsten findet sich die Lähmung des M. rectus ext. (N. abducens); dann folgen die vom N. oculomotorius versorgten Muskeln, endlich der M. obliquus sup. (N. trochlearis).

Eine besondere Stellung nimmt die gleichfalls bei Tabes beobachtete totale progressive Ophthalmoplegia externa ein, bei welcher es

* Infolge eines Versehens in der Druckerei ist dieser »Nachtrag zur Symptomatologie in dem Artikel Tabes dorsalis des XXIV. Bandes der Real-Encyclopädie nicht zum Abdrucke gelangt. Der Artikel ist dadurch unvollständig geworden, so dass der gesammte Nachtrag zur Symptomatologie in diesem Bande zum Abdruck gelangen musste. v. Leiden.

successive zu einer Lähmung sämmtlicher, meist nur der äusseren Muskeln beider Augen kommt. Die tabischen Augenmuskellähmungen sind theils peri-pherischer Art, theils nucleare. Vorwiegend handelt es sich wohl um peri-pherische Läsionen, da in mehreren Fällen die Augenmuskelnerven alterirt, die bulbären Kerne aber frei gefunden wurden. Man hat auch angenommen, dass GefässVeränderungen oder Blutungen den Lähmungen zugrunde liegen, was aber wenig wahrscheinlich ist. Die passageren Lähmungen beruhen wohl meist auf geringfügigen Ernährungsstörungen im Neuron.

Güillery hat neuerdings unter Hinweis auf die Erfahrung, dass geringe Paresen eines Augenmuskels durch das Bestreben, am binoculären Sehact festzuhalten, oft überwunden werden, bei der Untersuchung des Augenmuskelapparates bei Tabikern die Fusionstendenz ausgeschlossen; zu dieser Prüfung eignete sich besonders die Methode von Maddox, bei welcher vor das eine Auge ein Glasstäbchen gehalten wird, so dass das Bild der Flamme zu einem langen leuchtenden Streifen ausgezogen wird. Mit dieser Methode hat Güillery bei einer grossen Reihe von Tabikern latente Augenmuskelstörungen nachweisen können.

Eine eingehende und erschöpfende Bearbeitung über die Augenmuskellähmungen wurde von Marina im Jahre 1896 gegeben.

Ebenso eingehend wie die Lähmungen der Augenmuskeln sind die der Kehlkopfmuskeln bei Tabikern während des letzten Jahrzehnts studirt worden. Am häufigsten sind die Abductorlähmungen (sogenannten Posticus-lähmungen), und zwar meist beiderseitig. Die Abductorlähmung (Lähmung der Stimmbanderweiterer) macht meist keine Störung der Phonation, wohl aber Respirationsbeschwerden, welche oft nur bei Anstrengungen hervortreten. Es kommen Anfälle von Erstickungsnoth, sogar Tod durch Erstickung vor. Das pfeifende stridoröse Athmen zeigt sich besonders beim Schlafen. In der Minderzahl der Fälle beschränkt sich die Lähmung nicht auf die Stimmbanderweiterer, sondern ergreift auch die übrigen Kehlkopfmuskeln, so dass es zur vollkommenen Recurrenslähmung (Cadaverstellung) kommen kann; übrigens meist nur auf einer Seite, während sonst die doppelseitigen Lähmungen überwiegen. Ein sicherer Fall von isolirter Adductorenlähmung existirt nicht. Die Bevorzugung der Stimmritzenerweiterer bei der Lähmung entspricht dem sogenannten SEMON'schen Gesetze, welches besagt, dass bei Kehlkopflähmungen nervösen Ursprungs stets, zuerst die Glottiserweiterer und erst später die Glottisverengerer befallen werden (für peripherische Kehlkopflähmungen zuerst von 0. Rosenbach nachgewiesen). Die Kehlkopflähmungen treten am häufigsten in den ersten Stadien der Tabes auf, fehlen aber auch im späteren Verlaufe nicht. Sie entwickeln sich im allgemeinen allmählich, oft so unmerklich, dass sie erst bei der objectiven Untersuchung aufgefunden werden, und neigen im Gegensatze zu den Augenmuskellähmungen nicht zur Heilung. Die Lähmungen können zusammen mit Larynxkrisen vorhanden sein.

Die pathologisch-anatomischen Veränderungen bei den tabischen Kehlkopflähmungen haben ergeben, dass die gelähmten Mm. postici sich im Zustande degenerativer Atrophie befanden. Die peripherisehen Kehlkopfnerven sind zum Theil degenerirt. Fast immer haben sich auch intrabulbäre Veränderungen gefunden, und zwar entweder am Vago-Accessoriuskern selbst oder an der aufsteigenden Glossopharyngeo-Vaguswurzel oder an den intra-bulbären Wurzelfasern des Vagus, beziehungsweise Accessorius, endlich auch an mehreren dieser Stellen gleichzeitig. Aber auch eine auf die Stämme des Vagus und seines Recurrens, ja sogar auf die Mm. postici (Oppenheim)
beschränkte Degeneration ist beobachtet worden. Andere dem Vagus-Acces-soriusgebiet zugehörige Lähmungen betreffen die Mm. cucullaris und sterno-cleidomastoideus und die Hebung des Gaumensegels. Auch eine Betheiligung des R. cardiacus, welche sich in erhöhter Pulsfrequenz oder Herzkrisen kundgiebt, kommt vor. Diese Lähmungen können mit den Stimmbandlähmungen verbunden oder auch für sich allein vorhanden sein. Die vollständige Lähmung des Accessorius, sowohl seiner spinalen wie seiner im Vagus verlaufenden Aeste (Mm. cucullaris und sternocleidomastoideus, Gaumensegel, innere Kehlkopfmuskeln, R. cardiacus) ist bei Tabes sehr selten; die wenigen beobachteten Fälle (M'Bride, Martius, Aronsohn, Gerhardt, Ehrenberg) betreffen theils einseitige, theils doppelseitige Accessoriuslähmungen (d. h. die des Accessorius vagi und Accessorius spinalis) peripherischer, die unvollständigen vorwiegend nucleärer und radiculärer Natur. Hierfür spricht die grosse Ausdehnung des Accessoriusursprungs.

Von besonderen Arbeiten über Kehlkopfstörungen erwähnen wir noch die von Schulzen; er beschrieb bei einem Fall von Tabes ruckartige Bewegungen der Stimmbänder, welche bei den vom Willen nicht beeinflussten Muskeln auftraten. Ueber die Combination von Kehlkopflähmungen und Larynx-krisen und dem sogenannten Larynxschwindel berichtete Schlesinger, während Petreen zwei Fälle beschrieb, in welchen eine Combination von Ophthalmoplegia externa und Larynxparalyse vorhanden waren.

Combination der Tabes mit Muskelatrophieen sind während des letzten Jahrzehnts häufiger beschrieben worden. Ausser den Dissertationen von Wagner, Eaton und Ufen nennen wir hier namentlich noch die Arbeiten von Kalischer und Schaffer. Letzterer beobachtete einige weit vorgeschrittene Fälle von Tabes, in denen sich Muskelschwund und theilweise Ea. R. vorfand, und bei welchen die histologische Untersuchung eine Erkrankung der Ganglienzellen der Vorderhörner ergab. Schaffer meint, dass die Muskelatrophie in seinem Falle zwar auf die Zellveränderungen zu beziehen ist, glaubt aber, dass dies Symptom nicht eigentlich zu denen der Tabes gehört, sondern eine der Tabes associirte progressive spinale Muskelatrophie darstelle. Aus dem Capitel Coritracturen ist die Arbeit von Senator zu erwähnen, welcher bei einem Fall von Tabes dorsalis eine DuPUYTREN'sche Sehnencontractur beobachtete. Auffallend haben sich die Beobachtungen über das Auftreten von Athetosen bei der Tabes dorsalis während der letzten Jahre vermehrt. Wir nennen darunter die Arbeiten von Pardo, Gurtio, Fraenkel. Hirschberg (Paris) schrieb eine Abhandlung über die unfreiwilligen Bewegungen der Ta-bischen. Er fasst dieselben als eine Manifestation der motorischen Incoordi-nation auf und weist ihnen einen besonderen Platz in der Symptomatologie der Tabes an.

2. Symptome der sensiblen Sphäre.

Die Anästhesie wurde während des letzten Jahrzehnts ebenso eingehend wie früher studirt. Man hat eine Reihe neuer besonderer Eigentümlichkeiten gerade dieses Symptoms bei der Tabes dorsalis kennen gelernt. In einer ganzen Reihe von Fällen wurden besondere Zonen der Anästhesie bei Tabikern gefunden; namentlich hat Lähr werthvolle Untersuchungen hierüber geliefert. Er fand, dass das bereits früher von Hitzig festgestellte Symptom der Unterempfindlichkeit für leichte
Berührungen am Rumpf bereits frühzeitig bei Tabikern auftritt. Die Ausbreitung der Hypästhesie entspricht dem Versorgungsgebiet der spinalen Wurzeln. Die Reflexerregbarkeit der Haut ist in diesen Zonen stark herabgesetzt oder vollkommen aufgehoben, während das Umgekehrte in den der hyperästhetischen Zone benachbarten Gebieten der Fall ist. Auch Bonar, Patrick, Burr u. a. haben dies Symptom sehr häufig bei Tabikern constatirt. Anal-gesie einzelner Nervenstämme wurde mehrfach beschrieben. So theilte Biernacki mit, dass bei vielen Fällen von Tabes durch den Druck auf den N. ulnaris die beim normalen Menschen entstehende Empfindlichkeit nicht auftritt. Aehnliche Beobachtungen machte Göbel, während eine Reihe anderer Autoren, wie Bödecker, Falkenberg, Orschanski, Hess u. s. w. keinen besondereu Werth auf dies Symptom legen.

Bechterew hat dasselbe gleichfalls beobachtet, daneben aber auch eine Analgesie des N. tibialis gefunden. Auch das zuerst von Bernhardt beschriebene Symptom der Meralgia paraesthetica wurde bisweilen bei Tabikern constatirt. Ein besonderes Symptom von Hyperästhesie beschrieb Hirschberg (Paris); dasselbe soll darin bestehen, dass eine schnelle und leichte Reibung der Fusssohle eines Tabikers mit dem Rande des Fingernagels einen heftigen Schmerz verursacht, welcher in keinem Verhältniss mit der Intensität der Berührung steht, längere Zeit andauert und sich nur langsam verbreitet. Die Richtigkeit dieser Beobachtung wurde von einzelnen Seiten bestritten.

Im Anschluss hieran wollen wir die Crises febriles, welche Pel kürzlich beschrieben hat, erwähnen, da ihr hervorstechendstes Symptom ausser dem Fieber die hochgradigen Schmerzen waren. Pel beschreibt diese Krisen derart, dass der betreffende Patient in gewissen Zwischenräumen unerwartet von allerheftigsten Schmerzanfällen in den unteren Extremitäten überfallen wird; die Anfälle werden von Frösteln eingeleitet, gehen mit hohem Fieber, Erbrechen und Schweissausbruch einher und werden von Fieberausschlag an der Lippe gefolgt. Auch die übrigen Theile des Körpers, speciell die Augen, werden von den Schmerzen nicht verschont. Während der Anfälle steigt die Temperatur bis 40, 2, die Pulsfrequenz auf 150. Pel glaubt, dass das von ihm beschriebene Symptom auf eine Reizung gewisser Trigeminuswurzeln zurückgeführt werden müsse.

Besonders eingehend beschäftigte sich Marinesco mit den Störungen der Sensibilität der Tabiker, speciell mit denen des Tastsinns. Auf Grund seiner Untersuchungen stellte er namentlich vier Herde von Anästhesie bei Tabikern auf: erstens einen Herd an der Brust in der Gegend der Mamillen, zweitens einen Herd in der Genitalgegend, worauf bisher die meisten Untersucher nicht geachtet haben, drittens einen Herd in den unteren Extremitäten, vor allem in den Füssen, und viertens einen Herd in den oberen Extremitäten, und zwar an der Innenfläche des ganzen Armes und der Hand. Besonders interessant war, dass bei den blinden Tabischen, welche, wie ja schon längere Zeit bekannt, im allgemeinen selten höhere Grade von Ataxie aufweisen, auch die anästhetischen Zonen garnicht oder nur in geringer Ausdehnung zu constatiren waren; sie fanden sich nur bei denjenigen erblindeten Kranken, welche ataktisch waren, und zwar dann hauptsächlich in den unteren Extremitäten. Die Vertheilung der anästhetischen Zonen bringt Marinesco zunächst in Zusammenhang mit den subjectiven Störungen, welche häufig bei der Tabes dorsaiis zur Erscheinung kommen: Gürtelgefühl, lancinirende Schmerzen in Armen und Beinen, Gefühl von Ameisenlaufen, Taubheitsgefühl etc. Marinesco führte zur Bekräftigung dieser Behauptung einige Krankengeschichten kurz an; bei drei Kranken, welche an gastrischen Krisen litten, fand er eine anästhetische Zone im Epigastrium,
einmal in der Gegend des linken Hypochondriums; bei einem anderen Kranken mit Larynxkrisen beobachtete er eine Anästhesie der Larynxschleim-haut, ferner bei mehreren Patienten mit Rectalkrisen anästhetische Zonen in der Nähe des Anus. Im letzten Absatz seiner Arbeit wirft Marinesco noch die Frage auf, auf welches Territorium des Centralapparates diese Anästhesieen zu beziehen wären. Er kommt zu dem Schluss, dass auch für die Verbreitung der anästhetischen Zonen bei der Tabes dorsalis die THORBUN'sche Theorie massgebend wäre, d. h. dass diese Verbreitung im allgemeinen der Verkeilung der hinteren Wurzeln entspricht. Selbstverständlich müsse man die Einschränkung machen, dass ein genauer Parallelismus in vielen Fällen nicht zu ziehen sei, da derselbe vor allem durch dreierlei Factoren gestört werden könne: Erstens durch die ungleiche Vertheilung der Läsion und der verschieden aufeinander folgenden Wurzelzonen, zweitens dadurch, dass die Inner-vation des gleichen Territoriums durch mehrere Wurzeln erfolgt und drittens durch die Betheiligung eines endogenen Processes an der Wurzelerkrankung. Wenn man aber diese drei Punkte berücksichtigt, so habe die Theorie von der Reciprocität zwischen Wurzelerkrankungen und Sensibilitätsstörungen ausserordentlich viel für sich; sie bestätige und sei vollkommen in Einklang zu bringen mit derjenigen Theorie, welche von v. Leyden schon im Jahre 1863 aufgestellt, und die in letzter Zeit durch Marie, Däjerine, Redlich, Brissaud de Massary, Philippe etc. noch weiter ausgebaut worden ist.

Einer besonderen Besprechung bedürfen noch die Störungen des Drucksinns und das Fehlen des Ermüdungsgefühls bei Tabikern. Die Anästhesie der Druckempfindung ist in ihren ersten Anfängen daran kenntlich, dass schwächste Berührungen nicht mehr empfunden werden. Bei der Wichtigkeit, welche es hat, die Tabes schon in einem frühen Stadien festzustellen, kommt es in der That darauf an, gerade äusserst schwache, der sogenannten »Reizschwelle« nahe liegende Reize anzuwenden. Die Empfindlichkeit der Hautnerven für Berührung ist unter normalen Verhältnissen eine ausserordentlich feine, und selbst bei erheblicher Herabsetzung der Sensibilität werden »gewöhnliche«, d. h. nicht mit besonderer Vorsicht applicirte Berührungen meist noch percipirt. Wenn man dagegen äusserst schwach mit dem Finger berührt, so dass für den Untersucher selbst nur eine eben merkliche Empfindung entsteht, dann wird man oft schon sehr geringfügige Hyperästhesieen zu erkennen imstande sein. Bei sehr geringer Hyperästhesie werden diese minimalen Berührungen unsicher percipirt; bei etwas mehr ausgesprochener Hyperästhesie garnicht, vielmehr muss jetzt die Berührung stärker (für den Untersucher übermerklich) sein, um empfunden zu werden. Die Intensität des' Druckes, welchen man anwenden muss, um beim Patienten eine Empfindung der Berührung zu erzeugen, ist zugleich ein Massstab, nach welchem wir die Herabsetzung der Empfindlichkeit beurtheilen können. Goldscheider konnte mittels einer Vorrichtung, welche den ungefähren Schwellenwerth des Berührungsreizes an dem Ausschlage eines Zeigers abzulesen gestattete, nachweisen, dass bei Tabes bereits objective Sensibilitätsstörungen vorhanden sein können, während die übliche Prüfung mittels Haarpinsel u. s. w. noch keine Alteration ergiebt. Es kommen bei vorgeschrittener Tabes so hohe Grade von Hautanästhesie vor, dass selbst starker Druck auf die Haut gar keine oder nur eine unsichere Druckempfindung erzeugt. In vielen Fällen aber ist die ob-jectiv nachweisbare Herabsetzung der Druckempfindlichkeit der Haut auffallend wenig ausgesprochen, so dass selbst bei deutlich ausgeprägten Coor-dinationsstörungen und anderweitigen Erscheinungen voll entwickelter Tabes die Berührungsempfindlichkeit der Haut nur in geringem Grade gestört erscheint.


Auch die Empfindung von Druckunterschieden ist bei Tabes häufig herabgesetzt. Eigenbrodt hat gezeigt, dass in dieser Beziehung sehr starke Störungen vorkommen. Was das Ermüdungsgefühl anbelangt, so ist dasselbe, worauf namentlich Frenkel mit Recht hingewiesen hat, häufig bei den Tabikern stark herabgesetzt; es ist das eine Erscheinung, welche von einer Anästhesie der sensiblen Nerven der Muskeln herzuleiten ist, und welche namentlich bei der Verordnung von Bewegungen, Uebungen etc. seitens des behandelnden Arztes sehr berücksichtigt werden muss. Besondere Bedeutung gewinnt dies Symptom noch durch die interessanten experimentellen Arbeiten, welche Edinger und Helbing »über den Einfluss der abnormen Ermüdung au! das Rückenmark« in den letzten Jahren angestellt haben. Diese Autoren konnten durch Versuche an Ratten zeigen, dass die Thiere, wenn sie mehrere Tage, hintereinander ein abnormes Mass von Arbeit verrichten mussten und vorher noch durch Pyrodindarreichung geschwächt waren, hochgradige Veränderungen im Rückenmark erlitten; letztere betrafen regelmässig die hinteren Wurzeln, einen grossen Theil der Hinterstränge und die in die graue Substanz der Hinterhörner einstrahlenden Wurzelfasern. Aus der Aehnlich-keit dieser Befunde mit denen, welche als charakteristisch für die Tabes dorsalis angesehen werden, stellten daher Edinger und Helbing die Theorie auf, dass auch für die Entstehung der grauen Degeneration beim Menschen in vielen Fällen vorausgegangene Ueberanstrengungen anzuschuldigen seien.

3. Die Reflexerscheinungen.

In den letzten Jahren wurden mehrere Fälle von sicherer Tabes mit-getheilt, in welchen die Patellarreflexe erhalten waren, so von Riley, welcher in sebfes Fällen das Vorhandensein des Patellarreflexes constatirte; ferner von Achard und Lfivi, welche bei einem selbst beobachteten Falle von Tabes dorsalis mit Sicherheit bis zu dessen Tode den Patellarreflex nachweisen konnten. Auch das Wiederauftreten des Patellarreflexes bei Fällen von Tabes, in deren Verlauf eine Hemiplegie eintrat, wurde auf der gelähmten Seite bisweilen beobachtet, so von Dercum, Jackson und Taylor, Raichline, Westphal etc.

Im Gegensatz zu dem frühzeitigen Erlöschen des Patellarreflexes wurde in einer Reihe von Fällen eine Verstärkung des Bauchdeckenreflexes sowie des Cremasterreflexes im Beginn der Tabes beobachtet.

4. Symptome von Seiten der Sinnesorgane.

Die eingehendste Arbeit über Sehnervenerkrankung bei der Tabes dorsalis wurde während des letzten Jahrzehnts von Silex ausgeführt; derselbe constatirte in 15% aller von ihm untersuchten Fälle eine Sehnervenerkrankung.

Die reflectorische Pupillenstarre wurde fast ausnahmslos als eins der Frühsymptome der Tabes gefunden; immerhin wurden einige Fälle mit-getheilt, bei welchen eine intermittirende Pupillenstarre vorkam; so von Eichhorst (zwei Fälle), Treupel (ein Fall).

Auch eine Pupillenerweiterung wurden nicht selten in gewissen Stadien der Tabes gefunden; Riley constatirte dieselbe in acht Fällen.

Eine besondere Art von Krisen in den Augen beobachtete Pel bei einem Tabiker. Dieselben äusserten sich folgendermassen: Plötzlich heftige, brennende und stechende Schmerzen in beiden Augen, nur durch sehr kurz dauernde freie Intervalle unterbrochen. Bald nach diesen Schmerzen entsteht heftiger Thränenfluss mit Photophobie. Wegen Augenliderkrampfes ist das Sehen kaum möglich. Bemerkenswerth war noch bei dem Falle, dass stets während
und nach den Anfällen eine starke Hyperästhesie der Augen und der Umgebung constatirt wurde.

Die Complicationen seitens des Gehörsinns bei der Tabes dorsalis wurden namentlich von Serner und von Friedrich studirt. Ersterer beobachtete bei einem Falle von Tabes 1/2 Jabr nach Beginn der ersten Symptome eine bilaterale Taubheit; letzterer beschäftigte sich namentlich damit, die Natur der tabischen Gehörsstörungen zu ergründen. Er fasst dieselben als einen Krankheitsproce ss auf, welcher in den peripherischen Auf faserungen des primären Neurons des Acusticus localisirt ist. Den Procentsatz der tabischen Schwerhörigkeit bemisst Friedrich auf 7, 3 °/0. In einer noch grösseren Anzahl von Fällen hat Collet Gehörsstörungen bei Tabes nachweisen können; dieselben müssen nach seiner Ansicht aber nicht immer auf eine Affection des Acusticus selbst, sondern in einer grossen Reihe von Fällen auf eine Erkrankung des Trigeminus zurückgeführt werden.

Auch über die Störungen des Geschmacks und des Geruchs wurden eingehendere Untersuchungen angestellt. Es ist hier namentlich die Arbeit von Klippel zu erwähnen, welcher diese Störungen ziemlich häufig bei Tabikern nachweisen konnte. Als Ursache hierfür nimmt er entweder eine directe Läsion des N. glosso-pharyngeus, des Olfactorius oder einzelner Zweige des Trigeminus an. Die Symptome sind Anosmie, Hemianosmie, perverse Geschmacks- und Geruchsempfindungen, Ageusie etc.

5. Symptome von Seiten des Gehirns und der Meningen.

Die Combination von Tabes und Paralyse ist während der letzten Jahre ziemlich häufig beschrieben worden; und da eine Reihe von Autoren die Neigung haben, die Paralyse auf eine vorausgegangene Syphilis zu beziehen, so hat man auch nicht gezögert, aus dem Zusammenvorkommen der Tabes und der Paralyse ein neues Argument für die syphilitische Aetiologie der ersteren Erkrankung zu construiren. Jedoch sprechen sowohl die klinischen als auch die anatomischen und statistischen Thatsachen gegen den Zusammenhang dieser beiden Krankheiten, ausserdem ist zu betonen, dass die bei der Paralyse auftretende Hinterstrangsdegeneration sich sehr häufig von der echten tabischen unterscheidet.

Gelegentlich sind besondere psychische Störungen im Verlauf der Tabes beobachtet worden; so von Fürü sexuelle Perversitäten, von Simpson das Auftreten einer hochgradigen Geistesstörung, verbunden mit Wahnvorstellungen kurze Zeit nach Beginn der Tabes.

Auch das zufällige Zusammentreffen der Tabes und der Paralysis agi-tans wurde bisweilen constatirt, so von Charcot, Placzek und von Maria Vuöetiö; noch häufiger aber das Zusammenvorkommen von Tabes mit BASEDOw'scher Krankheit. Zur Entscheidung der Frage, wieweit diese beiden letztgenannten Krankheiten einen inneren Zusammenhang haben, wurde auch eine Reihe exacter anatomischer Untersuchungen ausgeführt (P. Marie, Marinesco), ohne aber eine endgiltige Lösung erbringen zu können, da man bisweilen auch bei Tabes ohne Combination mit BASEDOw'scher Krankheit neben der Degeneration der Hinterstränge die gleiche Atrophie der aufsteigenden Glosso-pharyngeus-Vaguswurzel fand, wie bei den beiden combinirten Krankheiten.

Schliesslich ist noch die Combination der Tabes mit chronischer disse-minirter Myelitis und Syringomyelie zu erwähnen; aber auch hier sind bestimmte Angaben über den causalen Zusammenhang dieser verschiedenen anatomisch-pathologischen Processe nicht zu machen.

Eine besondere Bearbeitung fand das Zusammenvorkommen von Tabes und Meningitis. Namentlich Schwarz beschäftigte sich eingehend mit
dieser Frage. Er stellte 23 in der Literatur beschriebene Fälle von chronischer Spinalmeningitis bei Tabes dorsalis zusammen und fügte drei selbst beobachtete Fälle hinzu. Auf Grund dieser Zusammenstellung wie der anatomischen Untersuchungen und Betrachtungen kam er zu dem Resultat, dass histologisch kein einziges absolutes Kriterium neben dem Gummi für die syphilitische Spinalmeningitis zu finden sei, sondern dass nur quantitative Unterschiede in der Ausbreitung des Processes, der Bindegewebsentwicklung und der Endarteriitis aus den mikroskopischen Bildern abgeleitet werden können.

Was die Localisation der Processe betrifft, so konnte Schwarz weder in den Beziehungen zu den einzelnen Segmenten des Rückenmarkes noch in denen zu den einzelnen Partieen der Rückenmarksperipherie irgend einen Unterschied finden, indem bei allen seinen Fällen die Ausdehnung des Processes weitaus den grössten Theil des Rückenmarkes, am intensivsten das obere und mittlere Dorsaimark betraf und überall die hintere Peripherie den Hauptsitz der Erkrankung abgab. Pick lieferte gleichfalls einen Beitrag zu dieser Frage; er beschrieb einen selbst beobachteten Fall von schwerer Meningitis bei Tabes. Er hebt aber ausdrücklich hervor, dass, während er für die Meningitis Lues als ätiologischen Factor ansieht, er in seinem Falle die Tabes als einen von der Meningitis unabhängigen Pro-cess auffasst.

6. Symptome von Seiten der vegetativen Organe.

a) Symptome von Seiten des Digestionsapparates. Fast unzählig sind die Arbeiten über das Auftreten der Crises gastriques bei Tabes, ohne dass es aber bisher gelungen ist, das Wesen dieser Complication zu ergründen; nur haben die fortgesetzten Beobachtungen gelehrt, dass die Crises gastriques in einer ganzen Reihe von Fällen monatelang als erstes Symptom der Tabes bestehen und deshalb bisweilen in der Praxis nicht richtig beurtheilt werden. Untersuchungen des Magensaftes wurden häufig während des Paroxysmus der Crises gastriques angestellt. Die einen fanden eine Vermehrung der freien Salzsäure (Cathelineau), andere wieder eine Verminderung der Salzsäure und eine Vermehrung der Milchsäure (Douglas, Clarke), noch andere (v. Noorden, Basch) konnten eine Gesetzmässigkeit in dem Verhalten des Magensaftes während der Krisen überhaupt nicht constatiren. Auch das Auftreten von periodischem Erbrechen ohne Schmerzen wurde beschrieben; ferner wurde der dauernde Mangel an Appetit als ein besonderes Symptom der Anorexie tabetique bezeichnet.

Pitres fand eine Analgesie der Eingeweide unter 50 Fällen von Tabes dorsalis; 13mal war die Schmerzempfindung in den Eingeweiden abgeschwächt, 9mal ganz aufgehoben. Eine entsprechende Hautanästhesie war bei diesen Kranken nicht vorhanden, desgleichen nicht ein Verschwinden der Bauchreflexe, dagegen sehr häufig gastrische Krisen.

Eine besondere Art von Schmerzen und Anschwellung in der Lebergegend wurde bisweilen beobachtet. So berichtete Kraus über einen Fall von Tabes, bei welchem alle vier Wochen Icterus, verbunden mit lebhaften Schmerzen oberhalb der Leber, hellgefärbten Stühlen und Gallenfarbstoff im Urin auftrat. Die Attaquen dauerten 2?3 Tage, Steine wurden niemals in den Stühlen noch später bei derSectionin der Gallenblase gefunden. Auch der von mir berichtete schliesslich letale Fall von Crises gastriques hatte mit Icterus begonnen und war später in den Anfällen wiederholt von Icterus und den lebhaftesten Schmerzen begleitet.

Im Anschluss an die Complicationen des Digestionstractus seien hier noch die Pharynxkrisen erwähnt. Als solche hat Oppenheim Anfälle von krankhaften Schlingbewegungen bezeichnet, weiche schnell aufeinander folgen
(circa 24 in der Minute); man hört dabei glucksende Laute und Stridor. Ein solcher Anfall dauert einige bis 10 Minuten oder auch länger, in letzterem Falle mit allmählich abnehmender Intensität. Die Anfälle treten spontan auf oder beim Schlacken, können aber auch durch Druck auf die Gegend zur Seite des Kehlkopfs jederzeit ausgelöst werden.

b) Symptome von Seiten des Respirationsapparates. Ausser den Kehlkopfkrisen wurde noch ein sogenannter Kehlkopfschwindel bisweilen bei der Tabes gefunden. Charcot, welcher diese Anfälle als Ictus laryn-geus bezeichnet hat, beschreibt dieselben folgendermassen: Der Kranke empfindet im Kehlkopf ein Gefühl von Hitze oder Kitzel, dann tritt eine kurztönende Einathmung ein, der Kranke glaubt zu ersticken und stürzt bewusstlos zu Boden. Zuweilen treten während der Bewusstlosigkeit einige Zuckungen auf. Gewöhnlich erhebt sich der Kranke rasch wieder, ohne dass Stertor zu beobachten gewesen wäre und ohne dass sich Nachwehen zeigten. Charcot hat mehrfach bei diesen Zuständen eine Hyperästhesie der Kehlkopfschleimhaut gefunden. Der Ictus laryngeus ist nicht mit den Larynx-krisen identisch und weniger bedenklich als diese.

c) Symptome von Seiten des Urogenitalsystems. Von einzelnen Seiten ist darauf aufmerksam gemacht worden, dass besonders bei tabischen Frauen
Wanderniere häufig vorkommen soll. Habel hat dieselbe unter 24 Fällen 6mal gefunden. Reckzeh constatirte unter 163 Fällen von Tabes 16mal Complica-tionen mit Nierenerkrankungen, darunter 2mai eine Wanderniere, lmal Hydronephrose, 2mal Nephropyelitis und llmal chronische Nephritis.

d) Symptome von Seiten des Circulationsapparates. Erkran kungen des Herzens und der Arterien wurden vielfach während der letzten Jahre bei der Tabes dorsalis beschrieben. Rüge und Hüttner fanden unter 138 Tabeskranken 24 mit Klappenfehlern, und zwar stets an der Aorta, bisweilen combinirt mit Affection der Mitralis.

Enslin constatirte einen noch grösseren Procentsatz von Herzerkrankungen bei Tabikern. Während aber die ersteren Autoren nicht anstehen, auch das Vorkommen von Klappenfehlern für die problematische syphilitische Aetiologie der Tabes zu verwerthen, erklärt Enslin die bei Tabes auftretenden Aortenerkrankungen als eine Form der sogenannten Alterstabes. Ausserdem macht er noch darauf aufmerksam, dass bei Tabes mit gleichzeitiger Aortenerkrankung die Ataxie der unteren Extremitäten meist nur wenig ausgesprochen, die der oberen dagegen sehr häufig ist.

Auch Benoit fand in 9% aller Fälle von Tabes dorsalis Aortenfehler, während Bailey dieselben nicht häufiger als bei anderen Menschen constatirt haben will.

Ein besonderes, den Herzkrisen ähnliches Symptom will Benda bei einem Falle von Tabes beobachtet haben; er beschreibt dasselbe folgendermassen: Während der Unterhaltung schrie der Patient plötzlich auf; unmittelbar darauf wurden die Arme, bald der rechte, bald der linke, nie beide zusammen heftig adducirt. Die Finger zeigten keine Zuckungen. Der Anfall dauerte 4?5 Secunden; nach Verlauf von einigen Minuten trat ein neuer auf. Während einiger Anfälle stockte auch der Athem, der Puls wurde klein und schwach, es trat leichte Cyanose ein. Patient giebt an, es trete blitzartig ein äusserst heftiger Schmerz in der Brust und zugleich ein starkes Oppressionsgefühl auf.

7. Trophische Erkrankungen.

Während noch vor wenigen Jahren eine Reihe von Autoren das Ausfallen der Zähne bei Tabikern als ein dieser Krankheit nicht eigenthüm-liches Symptom auffassten, unterliegt es nach den neueren Arbeiten keinem Zweifel, dass bisweilen schon im Beginn der Tabes dorsalis ohne Jede sonstige nachweisbare Ursache innerhalb kurzer Zeit der Verlust fast sämmtlicher Zähne eintreten kann. Häufig folgt diesem schmerzlosen Ausfallen der Zähne eine Atrophie des Alveolarfortsatzes der Kiefer, bei den schweren Processen kann der Alveolarfortsatz vollkommen verschwinden, es kommt zur Sequestrirung und Ausstossung von Knochenstücken, so dass mitunter die Kieferhöhle dadurch eröffnet wird. Sehr häufig sind auch mit diesen Processen an den Zähnen und Kiefern Sensibilitätsstörungen an der Wangen- und Mundschleimhaut verbunden. In den letzten Jahren berichteten über derartige Affectionen Kalischer, Newmark, Baudet, Du Cästel, Berret.

Ziemlich häufig kommen zusammen mit den trophischen Störungen in den Kiefern andere ähnliche Processe vor: Arthropathieen, Mal perforant, Nagelverkrüppelungen und Abfallen der Nägel; letzteres kommt namentlich an den
Zehen gar nicht selten vor, Ja es sind Fälle beschrieben worden, in welchen ein mehrmaliges Abfallen der inzwischen wieder gewachsenen Nägel erfolgte.

Fig. 147. Rechter Fuss
Fig. 147. Rechter Fuss

Verkürzung der Tarsalknochen, Grenze zwischen den Fusswurzelknochen zum Teil verwaschen; proximale Epiphyse der 1. Phalange der 5. Zehe verschwunden; Vereinigung derselben mit dem 6. Keilbein und dem Würfelbein. Hypertrophie des 1. Keilbeins und des Kahnbeins. (Actinogramm, aufgenommen von Prof. GRDMMACH bei einer auf der V. Leyden Klinik von P. Jacobandelten Tabeskranken.) }

Fast unzählig sind die Arbeiten, welche in den letzten Jahren über das Auftreten der Arthropathieen bei der Tabes dorsalis veröffentlicht wurden, ohne dass sich aber hieraus neue Gesichtspunkte ergaben. Daher wollen wir hier nur eine in der vorigen Auflage noch nicht beschriebene besondere Arthropathie, den Pied tabetique, eingehender schildern.

Charcot und Fere haben zuerst (1888) auf eine merkwürdige Veränderung des Fusses aufmerksam gemacht, welche schon relativ frühzeitig bei der Tabes in die Erscheinung treten kann. Wie bei den Arthropathieen, ist die Entwicklung eine ziemlich schnelle, ja plötzliche. Es bildet sich eine Anschwellung des Fussrückens, welche auf Druck keinen Eindruck hinterlässt. Der innere Fussrand erscheint verdichtet und nach aussen gerundet, die Wölbung des Hohlfusses verschwindet, die Knöchelgegend kann verdichtet sein, der ganze Fuss erscheint zuweilen verkürzt. Auch die Zehengelenke können sich durch Schwellung betheiligen. Der Fuss verliert in seinen einzelnen Theilen an Beweglichkeit, auch vollständige Ankylosen können sich ausbilden.

In manchen Fällen kommt es statt zu einer Abflachung des Hohl-fussgewölbes zu einer vermehrten Krümmung desselben, eine Deformität, welche von den französischen Forschern als chinesischer Fuss bezeichnet wird. Der tabische Fuss beruht auf einer Atrophie und Usur der Knochen des Mittelfusses und der Fusswurzel. Die Brüchigkeit der Knochen kann einen so hohen Grad erreichen, dass es, wie Charcot in einem Falle gezeigt hat, zu einem vollständigen Zerfall derselben kommt; es findet sich eine aus kleinen und kleinsten Knochenstückchen bestehende Masse vor. Auch die Bänder sind zum Theil zerstört. Im weiteren Verlauf nimmt die Anschwellung allmählich ab, während der deformirte Zustand natürlich bestehen bleibt, und so kommt es zu einer Ankylosirung des Fusses, womit die Gebrauchsfähigkeit desselben wieder etwas wächst.

Die Configuration des tabischen Fusses zeigt in den einzelnen Fällen Varietäten, die offenbar davon abhängen, welche Theile der Knochen und Gelenke zuerst von dem Process ergriffen wurden. Der tabische Fuss tritt meist einseitig auf, kann aber auch doppelseitig sein. ? Durch das Röntgen-Verfahren wurde auch während des letzten Jahres schon intra vitam das Wesen des difformirenden Processes beim Pied tabetique festgestellt (zuerst von P. Jacob): Es besteht in der Combination von Knochen-hyper- und Atrophie, so dass die ganze Affection am zweckmässigsten als Osteoarthropathie bezeichnet wird.


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