Zinkpräparate

Heilkundelexikon

Zinkpräparate

Metallisches Zink kommt in der Natur nicht vor, sondern nur Verbindungen. Als kohlensaures Salz ist es im Galmei und im Zinkspath, als Schwefelzink in der Zinkblende, als kieselsaures Zink im Willemit enthalten (abgesehen von seltenen Mineralien). Es wird hauptsächlich aus dem Galmei gewonnen. Er wird geglüht, bis die Kohlensäure entwichen und Zinkoxyd zurückgeblieben ist. Dieses wird dann mit Kohle geglüht, wobei Zink übergeht. Es ist dann noch mit Arsen, Blei, Eisen, Cad-mium verunreinigt. Von diesen befreit man es durch Schmelzen, indem man die Temperatur dicht über dem Schmelzpunkt erhält. Dann oxydiren sich die anderen Metalle und können oben abgeschöpft werden. Ganz reines Zink erhält man aus reinem Zinkoxyd durch Destilliren mit Kohle. Reines Zink ist bläulichweiss und schmilzt bei 417° C, wird dampfförmig bei 1000° C. An feuchter Luft überzieht sich Zink mit einem dünnen Ueberzug von Zinkoxyd, respective basisch-kohlensaurem Zink, der das Metali vor weiterer Zerstörung schützt.

Das metallische Zink wird technisch ausserordentlich viel verwandt, für Ornamente, Bedachungen, Rinnen, Beschläge, Ueberzüge über andere Metalle, und dann zur Herstellung von Legirungen, wie Messing, Tombak. Neusilber. Die Verarbeitung von metallischem Zink soll Gelegenheit zu Vergiftungen geben. Vor allem ist hier zu nennen das sogenannte Zink- oder Giessfieber. Die Symptome erscheinen nach Zink- oder Messinggiessen. Hirt (Handbuch der Hygiene, II, 4, pag. 121) beschreibt sie folgendermassen:

»Wenige Stunden nach dem Giessen macht sich ein unbehagliches Gefühl im ganzen Körper bemerkbar, Rückenschmerzen, allgemeine Abspannung. In kurzer Zeit, gewöhnlich nach Aufsuchen des Bettes, kommt Frösteln, das sich zu Schüttelfrost steigert. Der Puls erhöht sich auf 100?120, quälender Husten, Gefühl des Wundseins auf der Brust, Stirnkopfschmerz. Sobald sich Schweiss zeigt, lassen die Erscheinungen nach; aus mehrstündigem Schlaf erwacht der Patient genesen, oder doch gebessert.« Allerdings muss hinzugefügt werden, dass die Deutung, dass es sich hier um eine »Zinkvergiftung« handle, keineswegs feststeht. Man hat namentlich darauf hingewiesen, dass die Verunreinigungen, die technisches Zink immer enthält, vielleicht auch organische Substanzen, die gebrauchtem Zink anhaften und nun verbrennen, die Schuld tragen könnten. Auffallend ist jedenfalls, dass die Erkrankung in Zinkhütten nicht beobachtet wird. Unter diesen Umständen wird es richtiger sein, von einem »Giessfieber« und nicht vom »Zinkfieber« zu sprechen. Die übrigen Gelegenheiten, bei welchen Zinkvergiftungen in Frage kommen könnten, betreffen Fälle, wo Zinkverbindungen dem Organismus einverleibt wurden. Das metallische Zink, das man zu Röhren, Wasserbehältern, Conservenbüchsen etc. verwendet, löst sich unter bestimmten Verhältnissen auf und kann so dem Organismus einverleibt werden.

Auf diesem Wege können im Laufe der Zeit nicht unbeträchtliche Quantitäten Zink aufgenommen werden. Verzinkte Wasserleitungsröhren werden von Kohlensäure angegriffen, Regenwasser von Zinkdächern enthält gelöste Zinkverbindungen; ferner können aus verzinkten Conservenbüchsen oder verzinkten Geschirren Zinkmengen in die Nahrung gelangen, namentlich, wenn die darin aufbewahrten Speisen saure Reaction zeigten. Ferner kann in Gegenden mit zinkhaltigem Boden das Trinkwasser zinkhaltig werden. Nach Mylius1) enthält solches Trinkwasser bis zu 7 Mgrm. Zink im Liter. In Belgien, Holland, der Normandie, sowie in Nordfrankreich wurde oder wird noch die Milch in verzinkten Gefässen aufbewahrt. 2) Indess hat sich in all diesen Fällen eine nachweisliche Schädigung der Gesundheit nicht consta-tiren lassen. Mit diesem Ergebniss stimmen die Resultate^ der neuesten experimentellen Untersuchungen von Lehmann. 3) 155 Grm. Zink wurden in
Gestalt des kohlensauren Salzes an einen Hund binnen 335 Tagen verfüttert. Das Thier wuchs dabei heran und zeigte keinerlei Störung. Zum Schluss wurde es getödtet und die Organe mikroskopisch sowie chemisch untersucht.
Anatomische, respective pathologisch-anatomische Veränderungen zeigten sich nicht. Doch enthielten alle Organe Zink; am meisten die Leber, nämlich 0, 1 Grm. Zink im Kilogramm frischen Gewebes; dann folgten im Zinkgehalt: Galle, Dickdarm, Schilddrüse, Milz, Pankreas, Harn, Niere, Haut, Blase, Muskel, Hirn, Lymphdrüse, Magen, Dünndarm, Lunge. Am wenigsten enthielten Blut und Hoden (0, 015 pro Kilogramm frischer Substanz). Mit diesen Daten stimmt zusammen, dass in menschlichen Leichen häufiger Zink gefunden worden ist, ohne dass etwa eine Zinkvergiftung vorlag. 4) Im ganzen ergiebt sich, dass der Genuss massiger Mengen gelöster Zinkverbindungen der gedachten Art keine nachweisbaren Schädlichkeiten bedingt. Selbstverständlich ist damit nicht gesagt, dass niemals solche auftreten könnten. Wenn z. B. Essig in verzinkten Gefässen lange Zeit aufbewahrt wird und bis zu 6% Zink aufnimmt, so könnte dieser doch wohl ätzend auf die Magenschleimhaut wirken.

Der Anschauung von der relativen Unschädlichkeit des Zinkes und der Zinkverbindungen widerspricht Schlokow. 5) Er beobachtete in den Arbeiterspitälern Oberschlesiens bei Zinkarbeitern eine eigenthümliche Erkrankung chronischer Natur. Sie leite sich ein durch Darm- und Bronchialkatarrhe, sowie einen dunklen Saum am Zahnfleisch (diese Beobachtung weist doch wohl auf Bleivergiftung hin). Nach zehn- oder mehrjähriger Dauer der Erkrankung treten Symptome eines Rückenmarkleidens auf: Ameisenlaufen, Kribbeln in den Beinen, Gürtelgefühl. Dann nimmt die Sensibilität in den betroffenen Partien ab, und endlich folgt Muskelschwäche mit Intentions-zittern. Von einzelnen Hüttenwerken Oberschlesiens sollen bis zu 3% der Arbeiter diese auf Zink bezogene Vergiftung zeigen. Von anderer Seite (z. B. Tracinski6) wurde diese Aetiologie nicht anerkannt und wohl mit Recht die Erkrankung nicht auf das Zink, sondern die ihm stets beigemengte Verunreinigung mit Blei bezogen.

Spritzt man grössere Mengen von Zinkverbindungen Thieren ein, so entsteht eine acute Vergiftung, ausgezeichnet durch Muskellähmung, eventuell auch Diarrhöen. Der Tod erfolgt unter dem Bilde einer allgemeinen Paralyse. Von den medicinisch wichtigen Zinkverbindungen sind in erster Linie die anorganischen zu besprechen, also das Zincum sulfuricum, chloratum, phosphoratum und oxydatum.

Das Zincum sulfuricum, Zinksulfat, ZnS04, auch Zinkvitriol genannt, wird aus Zinkweiss (Zinkoxyd) und Schwefelsäure, oder aus Zink und Schwefelsäure bereitet. Die Krystalle scheiden sich beim Eindampfen der Lösung aus. Die Krystalle enthalten 7 Molecüle Krystallwasser und bilden farblose, durchsichtige rhombische Säulen vom specifischen Gewicht 2, 0. Das Salz ist in
Wasser leicht löslich, fast unlöslich in absolutem Alkohol. 100 Theile Wasser lösen bei 20° C. 160 Theile Zinksulfat. Die wässerige Lösung reagirt sauer. Sie soll frei sein von Chlor, Magnesium, Calcium, Eisen, Blei und Alkalien. Das Zincum sulfuricum wirkt in Substanz und con-centrirter Lösung ätzend und Eiweiss coagulirend, in verdünnter adstrin-girend. Innerlich genommen wirkt es in Dosen von 0, 3?1, 0 Erbrechen erregend. In Centigrammen wurde es früher wie andere Zinkpräparate gegen Leiden des Centralnervensystems (Epilepsie etc.) gebraucht.

Seine wesentliche Anwendung findet es jetzt als Adstringens bei Katarrhen der Bindehaut und Urethra, respective Vagina. Zu Augenwässern, respective Einträufelungen wählt man 0, 1?0, 2%ige Lösungen, zu Injectionen in die Urethra oder Scheide 0, 5?1%ige. Das Zincum chloratum, Chlorzink, ZnCl2, erhält man durch Auflösen von Zinkoxyd' in Salzsäure und Eindampfen« der Lösung. Es bildet eine weisse, bröcklige, sehr zerfliessliche Masse, die gut verschlossen aufbewahrt werden muss. Es ist leicht in Wasser und Alkohol löslich. Die wässerige Lösung ist häufig etwas getrübt, da sich beim Eindampfen etwas Basisch-Chlorzink zu bilden pflegt, wird aber auf Zusatz von etwas Salzsäure sofort klar. Das Chiorzink kann in Stifte gegossen werden, eventuell nach Köbner's Vorschlag unter Zufügung von Kalium nitricum im Verhältniss von 1: 1 bis 1: 5. Sonst ist es auch noch mit Roggenmehl, als Canquoin?sche Aetzpaste (Verhältniss 1: 1 bis 1: 3), gemischt worden.

Das Chlorzink wirkt in Substanz oder concentrirten Lösungen stark ätzend, in verdünnter Lösung adstringirend. Am gebräuchlichsten sind wohl zur Zeit die Aetzstifte, mit oder ohne Kalium nitricum. Man wendet es vor allem an, wo man eine in die Tiefe gehende Zerstörung des Gewebes erreichen will. Zu Ausspülungen der Vagina bei Gonorrhoe wendet man l%ige Lösungen an, zu Urethralinjectionen 0, 05 bis 0, l%ige.

Zincum oxydatum, Zinkoxyd, kommt vor im Zinkit oder Rothzinkerz. Man erhält es auch durch Verbrennen von Zink oder Glühen von basischem Zinkcarbonat. Es ist ein weisses, amorphes, in der Hitze gelb gefärbtes Pulver, in Wasser unlöslich. Rein verändert es auch angefeuchtet die Farbe von Lackmus nicht. Das käufliche Zinkoxyd, Zinkweiss, wird dargestellt, indem man Zinkplatten in weissglühende Retorten einführt. Die entwickelten Zinkdämpfe werden in einen etwa 300° C. warmen Luftstrom eingeleitet und so zu Zinkoxyd oxydirt. Das Zinkweiss des Handels ist meist ein sehr reines Zinkoxyd.

Zincum oxydatum purum wurde als Antispasmodicum bei Chorea und anderen Neurosen in Dosen von 1?3 Cgrm. mehrmals täglich gegeben. Jetzt wird es nur noch äusserlich verwendet. Als Streupulver wird es rein, oder in Verbindung mit Stärkemehl (1: 5), oder Lycopodium zur Austrocknung stark secernirender Flächen, so z. B. bei Intertrigo, gebraucht. Ebenso dient das Ung. Zinci (Zinc. oxyd. 1 Adeps suill. 9) als secretionsbeschränken-des und reizmilderndes Mittel.

In der Technik wird Zinkoxyd namentlich als Malerfarbe, an Stelle von Bleiweiss und zur Herstellung von weisser Schminke benutzt. Zincum phosphoratum, Phosphorzink, ist ein namentlich in Frankreich gebräuchliches Präparat. Es wird durch Schmelzen von Zink und Phosphor bereitet und ist ein grauschwarzes Pulver, in Wasser und Alkohol unlöslich. Man braucht es hin und wieder als Ersatz des Phosphors, und zwar soll 1 Mgrm. Phosphor 8 Mgrm. Phosphorzink entsprechen. Meist wird es in Granules zu 0, 008 gegeben, z. B. bei Tabes dorsualis, oder Dementia paralytica.

Von organischen Zinkpräparaten sind zunächst zu erwähnen das Zincum lacticum und valerianicum. Sie werden dargestellt durch Auflösen von basischem Zinkcarbonat in Milchsäure oder Baldriansäure. Beide Präparate werden, respective wurden innerlich gegeben gegen Chorea, Hysterie, Epilepsie und ähnliche Erkrankungen. Die Einzeldose beträgt 0, 03?0, 05. Die Präparate werden in Pulver- oder Pillenform gegeben.

Das wichtigste organische Zinkpräparat ist wohl das Zincum sulfocarbolicum, das paraphenolsulfosaure Zink [C6 H4 OH SO2]2. Zur Darstellung erhitzt man gleiche Mengen reiner Schwefelsäure und reinen krystallisirten Phenols im Wasserbad auf etwa 90° C, bis eine Probe sich vollkommen klar im Wasser löst. Alsdann verdünnt man mit der zehnfachen Menge heissen Wassers und sättigt mit Schlemmkreide ab. In der Lösung befindet sich jetzt das phenolsulfosaure Calcium, das man vom Niederschlag heiss abfiltrirt. Hierzu setzt man eine Lösung von Zinksulfat (das Anderthalbfache der ursprünglich angewandten Schwefelsäuremenge). Nun fällt Calciumsulfat aus und das Zincum sulfocarbolicum bleibt in der Lösung. Dieses lässt man nun auskrystallisiren und krystallisirt nachher aus heissem Alkohol um. Das Präparat besteht aus färb- und geruchlosen Prismen, löst sich in 2 Theilen Wasser, die Lösung reagirt sauer und schmeckt metallisch. Bei längerem Liegen nehmen die Krystalle eine röthliche Farbe an. Das Zincum sulfocarbolicum wird wie Carbolsäure zur Desinfection in 1 ?5%igen Lösungen für Waschungen und Verbände etc. angewandt, ferner auch zu Injectionen bei Gonorrhoe, in 1/4 ?1 %iger Lösung. Behandelt man paraphenolsulfosaures Kalium mit Chlorjod, so erhält man das Kaliumsalz der Dijodparaphenolsulfosäure, gewöhnlich Sozojodol- kalium genannt. Aus diesem Salz stellt man dann das Zincum sozojodo- licum her. Es ist 5%ig in Wasser löslich. Das Präparat wird in l ?2%iger Lösung bei Gonorrhoe, in 10%iger Lösung bei chronischer Endometritis ein gespritzt (s. Sozojodol).

Literatur:
1) Mylius, cit. nach Bericht der deutschen chemischen Gesellschalt. I. 879 pag. 271.
2) Citirt nach Kunkel, Handbuch der Toxikologie. I, pag. 172.
3) Lehmann, Arch. f. Hyg. 1896, 28, pag. 291.
4) Lechartier Bellamy-Eaoult Breton, Pharmaceut. Jahresbericht. 1877, pag. 527-529; Fleck, Ebenda. 1883-1884, pag. 1071.
5) Schlakon, Deutsche med. Wochenschr. 1879, Nr. 17, 18.
6) Tracinski, Deutsche Viertel jahrschrift für öffentliche Gesundheitspflege. 1888, 20, pag. 59.

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