Zelle: Zellteilung

Heilkundelexikon

Zelle: Zellteilung


Die Fortpflanzung der Zelle durch Theilung.

Zellen entstehen, soviel wir wissen, heutzutage nur durch Theilung aus anderen Zellen: omnis cellula e cellula, Virchow.
Ob früher oder jetzt Generatio aequivoca stattgefunden hat und stattfindet, soll hier nicht erörtert werden.
Die Fortpflanzungsfähigkeit, die Eigenschaft, durch Theilung in zwei oder mehr Tochterzellen neue Zellen zu bilden, ist eine der wichtigsten Lebenseigenschaften der Zellen. Sie erlischt mit dem Altern, mit dem Absterben der Zelle (rothe Blutzellen, verhornende Epithelzellen; erwachsene Ganglienzellen, in Grundsubstanz eingeschlossene Zellen der Bindesubstanzen). Bis in die Siebzigerjahre des 19. Jahrhunderts hinein kannte man nur eine Art der Zelltheilung, die jetzt sogenannte directe oder Amitose, amitotische Theilung, Kernzerschnürung, Kernfragmentirung.

Sie kommt nur an wenigen Zellarten vor, gelegentlich abwechselnd mit der anderen complicirteren; Art. Eine Zeit lang wurde sie ganz geleugnet, ? mit Unrecht. Bei Lymphzellen z. B. kann sie jederzeit leicht beobachtet werden. Die Art und Weise der Theilung, Zerschnürung des Kerns oder des Zellkörpers ist eine sehr einfache, wie es am besten die hier beigegebenen Fig. 122, 123, 124 zeigen. Ausser bei Lymphzellen, den SERTOLi'schen Zellen des Hodens und einigen anderen normalen Objecten kommt die Fragmentirung besonders unter pathologischen Bedingungen vor, wo sie vor allem von J. Arnold studirt wurde. Wenn die Zelltheilung nach der Fragmentirung des Kerns ausbleibt, entstehen vielkernige Zellen, welche eine beträchtliche Grosse erreichen und als Riesenzellen (Knochenmark etc.) bezeichnet werden.

Ringförmige Kerne, Lochkerne u. dergl. kommen bei der Zerschnürung vor (lymphatischer Ueberzug der Leber bei Amphibien, SERTOLi'sche Zellen bei Säugethieren und Mensch, Verf.).

Die sehr viel häufigere, die »gewöhnliche« Art der Zelltheilung ist die sogenannte Karyokinese. (Karyokinesis, Schleicher, von xapuov, Nuss (Kern) und juv7) <7t$, Bewegung, von xtvsto, bewegen: »Bewegung im Kern«; indirecte,
metamorphotische Kern- und Zelltheilung, Mitose, mitotische Theilung, Plemming [von [/. (tos, Faden], auch Karyomitose, karyomitotische Theilung; Cytodi<§röse, Henneguy). Schleicher wählte den Namen, weil es sich um Bewegungserscheinungen im Kern handelt. (Sprachlich richtig ist das Wort nicht gebildet, abgesehen davon, dass xipuov eigentlich »Nuss«, nicht »Kern« heisst.) Wesentlich unterscheidend gegenüber der directen oder amitotischen Zelltheilung sind aber nicht sowohl die Bewegungen, die ja jeder lebenden Zelle, jedem lebenden Protoplasma zukommen, sondern das Auftreten ganz bestimmter Formen von feinen und dickeren Fäden und Figuren von solchen m bestimmter Reihenfolge, sowie die mathematisch genaue Längsspaltung der chromatischen, dickeren Fäden in zwei Hälften.
Fig 122. A: Wanderzelle aus einem Hollunderplättchen, welches 10 Tage im Lymphsack eines Frosches gelegen hatte. Zwei Stadien welche 5 Minuten auseinander liegen. Nach Arnold Tafel XII. Fig. 1. B Wanderzelle in Theilung. 30 Minuten nach Fig. A. ARNOLD Tafel XII Fig. 3 Aus HERTWIG, Fig 100 A und B
Fig 122. A: Wanderzelle aus einem Hollunderplättchen, welches 10 Tage im Lymphsack eines Frosches gelegen hatte. Zwei Stadien welche 5 Minuten auseinander liegen. Nach Arnold Tafel XII. Fig. 1. B Wanderzelle in Theilung. 30 Minuten nach Fig. A. ARNOLD Tafel XII Fig. 3 Aus HERTWIG, Fig 100 A und B


Fig 123. Grosse vielkernige Zelle, mit randständiger Abschnürung kernhaltiger Zellen nach Arnold, Taf. XIV, Fig. 13. 
<br />Fig 124 A: Seitliche Ansicht eines Lochkerns ans der lymphatischen Randschicht der Leber von Triton alpestris. Der Kern ist in der Richtung der Durchbohrung, abgeplattet. B Lochkern mit deutlich radiärer Anordnung des Nucleingerüstes C Ringförmiger, durch Einschnürungen in mehrere Abschnitte zerfallner Kern einer Lymphzelle. A?C nach GÖPPERT, Taf. XX, Fig. 3, 4 10.
Fig 123. Grosse vielkernige Zelle, mit randständiger Abschnürung kernhaltiger Zellen nach Arnold, Taf. XIV, Fig. 13.
Fig 124 A: Seitliche Ansicht eines Lochkerns ans der lymphatischen Randschicht der Leber von Triton alpestris. Der Kern ist in der Richtung der Durchbohrung, abgeplattet. B Lochkern mit deutlich radiärer Anordnung des Nucleingerüstes C Ringförmiger, durch Einschnürungen in mehrere Abschnitte zerfallner Kern einer Lymphzelle. A?C nach GÖPPERT, Taf. XX, Fig. 3, 4 10.


Unsere Kenntnisse von der Karyokinese sind noch neu. Gesehen ja abgebildet worden sind die eigentümlichen Erscheinungen derselben bereits 1857 von R. Virchow, 1858 von R. Remak, 1865 von Henle (die Hodenzellen des Katers, Handbuch der Anatomie, II, pag. 355, Fig. 266 3 und 4} von Heller, A. Kowalewsky (1869), W. Krause (1870), abgesehen von dem botanischen Gebiete.

Eine richtige Deutung erhielten die Zelltheilungsbilder, mit denen wir uns hier zu beschäftigen haben werden, zuerst am Ei von Mesostomum Ehrenbergii im Jahre 1873 durch Anton Friedrich Schneider, Professor der Zoologie, damals in Giessen (f 1890 in Breslau). In demselben Jahre beschrieb Fol das Auftreten »zweier Sonnen« im befruchteten Geryonia-Ei während 1874 Bütschli seine ersten Beobachtungen von »Strahlen« bei der Furchung der Eier von Rhabditis dolichura veröffentlichte. In dasselbe Jahr fallen die ersten, natürlich auch noch unvollständigen oder theilweise irr-thümlichen Beobachtungen und Deutungen von Oellacher, Schenk, Flem-ming, Auerbach, dann weitere Veröffentlichungen von Bütschli und Fol, sämmtlich an Eiern. 1875 erschienen die Ergebnisse der ersten Untersuchungen an Pflanzen von Strasburger, welche derselbe 1875 in Jena angestellt hatte; ferner Arbeiten von Flemming, 0. Hertwig, Ed. van Beneden u. a Die seitdem in ununterbrochener Reihenfolge bis heute erschienenen Arbeiten über die verschiedenen Formen und das Vorkommen der Karyokinese in der Thier- und Pflanzenwelt findet der Leser in dem Literaturverzeichniss zum Artikel Karyokinese in »Encyclopädische Jahrbücher«, I, pag. 357. Ausser den oben genannten Forschern verdanken wir für die uns hier vor allem interessirenden thierischen Zellen eine Bereicherung, Befestigung und Vertiefung unserer Kenntnisse und unseres Verständnisses, um nur einige zu nennen, J. Arnold, Boveri, Carnoy und seinen Schülern, ferner C. Rabl, G. Retzius u. v. a.

Fig. 125: Ruhender Kern einer Epithelzelle vom Kiemenblatt einer Salamanderlarve. Chromsäurepräparat, scharf gefärbt, aufgehellt. Starke Vergrößerung, Fadennetze und stärkere und feinere Fäden. Knotenpunkte. Nucleolen. Kernmembran. (Nach Flemming.)
Fig. 125: Ruhender Kern einer Epithelzelle vom Kiemenblatt einer Salamanderlarve. Chromsäurepräparat, scharf gefärbt, aufgehellt. Starke Vergrößerung, Fadennetze und stärkere und feinere Fäden. Knotenpunkte. Nucleolen. Kernmembran. (Nach Flemming.)


Die hier folgende Darstellung beruht, abgesehen von eigener Anschauung, wesentlich auf den Angaben und Abbildungen von Flemming und Rabl, unter Berücksichtigung der Ergebnisse Strasburges für pflanzliche Zellen; ferner wurde Waldeyer's zusammenfassender Aufsatz vom Jahre 1888 benutzt. Die Erhaltung (Regeneration) und das
Wachs-thum der Gewebe, Organe und des ganzen Körpers beruht auf der Bildung neuer Zellen. Diese entstehen ausschliesslich aus schon vorhandenen, bei höheren Pflanzen und Thieren durch Theilung, in den meisten Fällen durch die karyokinetische. Omnis cellula e cellula (Virchow), Omnis nucleu e nucleos (Flemming). Die Erscheinungen der Karyokinese, die wesentlich am Kern sich abspielen, kann man nun, behufs Erleichterung der Auffassung, In mehrere Stadien eintheilen. deren jedes in Wirklichkeit nur eine oder einige Minuten in Anspruch zu nehmen pflegt.

I. Stadium: Der »ruhende« Kern (Fig. 125). Ehe eine Zeile sich zu theilen beginnt, sie sich also im »Ruhezustande« befindet, zeigt der »Kern« besondere Structuren, die oben ausführlich beschrieben sind.

II. Stadium: Knäuelform, Knäuel, Mutterknäuel. Spirem (das Gewickelte, die Windung, Fig. 126?131).

1. Der Kern vergrössert sich, seine chromatischen Substanzen vermehren sich oder treten mehr hervor, werden in grösserer Menge sichtbar, die feineren (secundären) Fäden, sowie die Netzknoten und Nucleolen verschwinden allmählich; das Chromatin strömt gewissermassen von allen Seiten her auf zarten, vorgebildeten Bahnen zusammen, um den gröberen Fäden eines Knäuels den Ursprung zu geben. »Das Ganze sammeln«, könnte man kurz sagen. Früher und wohl jetzt auch noch zum Theil (Strasburger, früher Flemming, Carnoy, Balbiani) nahm man an, dass im ruhenden Kern und zu Anfang des Knäuelstadiums nur ein einziger Faden vorhanden sei, wie in einem Garnknäuel. Rabl kam zu dem Ergebniss, dass es sich bereits in diesem Stadium um eine grössere Anzahl (bei thierischen Zellen bis über100) Fäden handle. Waldeyer und Verfasser stimmen ihm hierin bei. Es soll damit indess nicht gesagt sein, dass nicht in späteren Stadien noch eine Trennung (Segmentirung) einzelner Fäden stattfinde, ein Vorgang, der nach den zuerst genannten Forschern überhaupt erst im Stadium des lockeren Knäuels eintreten soll. Die bis hierhin unregelmässig gewundenen Fäden sind in auffallender Weise in die Nähe der Oberfläche des Kernes gerückt. Zugleich ordnen sie sich regelmässiger, und zwar um ein an dem einen Ende des Kerns frei werdendes Feld, das Polfeld, an, derart, dass die convexen Umbiegungsstellen nach diesem Felde hin gerichtet sind (Fig. 126). Rabl nennt diese Seite des Kerns die »Polseite«, die entgegengesetzte die »Gegenpolseite« (Fig. 127). Man könnte einfach von »Nord-« und »Südpol« sprechen, da wir später zwei wirkliche Pole, sowie einen Aequator kennen lernen werden. Die Fäden verlaufen im allgemeinen quer zur Längsachse des Kerns. Nach Fol und Flemming kommen in diesem Stadium bei Eizellen bereits polare Strahlungsfiguren im Zellprotoplasma, bei anderen Zellen wenigstens eine »dicentrische Anordnung« des Protoplasma vor.

Fig 126 Kern mit dichtem Knäuel von der Seite. Polfeld oben. (Schema nach Rabl) 
<br />Fig. 127: Kern mit dichtem Knäuel von der Gegenpolseite aus. (Schema nach Rabl) 
<br />Fig. 128: Kern mit lockerem Knäuel von der Seite. Spindel im Polfeld. (Schema nach Rabl.) 
<br />Fig. 129: Kern mit lockerem Knäuel vom Polfeld aus, in dem die Spindel liegt. (Schema nach Rabl.) 
<br />Fig. 130: Kern mit lockerem Knäuel von der Seite. Die Spindel senkt sich. (Schema nach Rabl.)
Fig 126 Kern mit dichtem Knäuel von der Seite. Polfeld oben. (Schema nach Rabl)
Fig. 127: Kern mit dichtem Knäuel von der Gegenpolseite aus. (Schema nach Rabl)
Fig. 128: Kern mit lockerem Knäuel von der Seite. Spindel im Polfeld. (Schema nach Rabl.)
Fig. 129: Kern mit lockerem Knäuel vom Polfeld aus, in dem die Spindel liegt. (Schema nach Rabl.)
Fig. 130: Kern mit lockerem Knäuel von der Seite. Die Spindel senkt sich. (Schema nach Rabl.)


2. Der bisher beschriebene sogenannte »dichte Knäuel« geht nun allmählich in den »lockeren Knäuel« (Fig. 128, 129, 130) über, indem die Fäden einmal sich gerade strecken, kürzer und dicker werden, d. h. also sich zusammenziehen, zweitens einige von ihnen quer durchgetheilt, wie durchgeschnitten werden. Zwischen den Fäden, die sich jetzt mehr der Form einfacher Haken, Schleifen oder Haarnadeln genähert haben, liegt der Kernsaft. Gegen den Zellleib wird der Kern durch eine dünne, achromatische Hülle abgegrenzt. Umgeben wird er von einer hellen, körnchen- und fadenlosen durchsichtigen Schicht. Die Zahl der Fäden ist für die Zellen einer Pflanzen- oder Thierart constant. Bei thierischen Zellen beträgt dieselbe 1, 2, 4, 8, 16, 32 ? 3, 6, 12, 24, 48 ? aber auch über 100 (Crustaceen).


3. Aus dem lockeren Knäuel wird sodann der »segmentirte Knäuel« (Fig. 131 und134). Dies ist das bedeutungsvollste Stadium des Knäuels nicht nur, sondern der ganzen Karyokinese. Jetzt beginnt nämlich die von Flemming entdeckte, nunmehr wohl allgemein angenommene Längstheilung oder Längsspaltung der Fadenschleifen. Die Fäden werden zunächst breiter, im Querschnitt oval; dann bemerkt man zuerst in der Nähe des stumpfen Winkels eine bald den ganzen Faden der Länge nach in zwei genau gleiche Hälften theilende Spalte. Die beiden so entstandenen Fäden hängen noch einige Zeit, zumal an ihren freien Schenkelenden, zusammen, wahrscheinlich durch besondere kleine Fädchen, die für die freien Enden sichergestellt sind (Fig. 137). Nach Pfitzner und Balbiani bestehen die chromatischen Fäden aus aneinander gereihten Kugeln, »Chromatinkugeln«. Nach denselben Autoren werden aus solchen auch die s ecun dar en oder Tochterfäden gebildet. Man nimmt jetzt an, dass dickere und dünnere Bestandteile abwechseln, ' d. h. das zwischen den dickeren »Chromatinkugeln«, -Scheiben, Chromosomen, die als kugelig oder scheibenförmig beschrieben werden, dünnere »Fäden« liegen. Besser spricht man wohl von »knotenförmigen Anschwellungen« der Fäden. Das Ganze erinnert an einen »Rosenkranz« (Fig. 132 und133). Die »PFiTZNER'sche Körnelung« ist in den genannten Figuren nach Flemming,

Fig 131: Kern mit lockerem Knäuel von der Seite. Längsspaltung der chromatischen Fäden. Die Spindel hat sich weiter gesenkt und vergrössert. (Schema nach Rabl.) 
<br />Fig 132: Körnelung der sich längsspaltenden Fäden. (Nach FLEMMING.) 
<br />Fig. 133: Schema der Körnelung der Fäden und der Längsspaltung. (Nach Pfitzner.)
Fig 131: Kern mit lockerem Knäuel von der Seite. Längsspaltung der chromatischen Fäden. Die Spindel hat sich weiter gesenkt und vergrössert. (Schema nach Rabl.)
Fig 132: Körnelung der sich längsspaltenden Fäden. (Nach FLEMMING.)
Fig. 133: Schema der Körnelung der Fäden und der Längsspaltung. (Nach Pfitzner.)


sowie nach Pfitzner (schematisch) dargestellt. Ob die Längsspaltung wirklich in der dort angedeuteten Weise vor sich geht, steht allerdings noch nicht fest. Ferner tritt jetzt (oder schon etwas früher) die achromatische Kernspindel, gewöhnlich schlechthin Kernspindel (Fig. 128, 129, 130, 131, 134, 135, 136, 137, 138) genannt, auf. Die Spindel besteht aus zwei Spitzen oder Polen, in einer grossen Anzahl von, diese verbindenden, bei Pflanzen oft geradlinig (Tonne, Cylinder), bei Thieren im Winkel oder Bogen verlaufenden, ausserordentlich dünnen, achromatischen Fäden. Ferner kann man einen Aequator an ihr unterscheiden. Diese feinen Fäden färben sich in den meisten Kernfärbungsmitteln entweder gar nicht oder doch sehr viel schwächer und langsamer als die dicken, chromatischen Fäden. Verdünnte Säuren, besonders Salzsäure, lassen sie schärfer hervortreten, während Pepsinlösungen sie zerstören.

Die Spindel taucht zuerst im Polfelde, und zwar wahrscheinlich zwischen den beiden Centrosomen, auf (Fig. 128 und129); ihre Längsachse steht Anfangs quer oder schief zu der des Kerns, dann senkt sie sich derart (Fig. 130, 131, 134) in die Kernsubstanz hinein, dass ihre Pole denen des Kerns, ihr Aequator dem des Kerns entsprechen. Wir haben nun auch am Kern zwei Pole (s. o.). Die Lageveränderungen der Spindel sind massgebend für die chromatischen Schleifen. Diese folgen jener wie an einem Leitbande (s. u.).

Im Zellleib treten nun die früher erwähnten Stern- oder Sonnenfiguren, Polstrahlungen (Fig. 134?135), Astern, auf, deren Mittelpunkte die Pole der Spindel bilden. Die Radien der Strahlenfigur werden von kleinsten, in
geraden Linien angeordneten, festen Theilchen des Protoplasma dargestellt. Ob die Kernmembran verschwindet, d. h. zerstört wird, oder ob sie nur unsichtbar wird, bleibt noch dahingestellt. Strasburger ist der ersteren Ansicht. Ueber den »hellen Hof« s. o. Die Frage, ob es zu einer Vermischung des flüssigen Antheils des Zellprotoplasma mit dem Kernsaft komme, hängt mit der oben aufgeworfenen zusammen. Auch sie wird verschieden beantwortet. Strasburger ist zu der Ueberzeugung gelangt, dass die ganze Spindelfigur aus dem Zellleibe stammt, so dass für den Kern nur die chromatischen Fäden übrig bleiben. Andere leiten sie ganz oder theilweise von den Centrosomen ab.

Die »Pole« sind nicht blos mathematische Punkte, sondern materielle Gebilde: Polkörperchen, kleine, stark lichtbrechende Körperchen, über deren Bedeutung wir jetzt sicher wissen, dass sie mit den Centrosomen oder Centralkörpern der ruhenden Zelle identisch sind (s. o.). Carnoy liess sie zur Aufspeicherung von Nucleinelementen dienen, die später der jungen Tochterzelle zugute kämen. III. Stadium: Mutterstern, Aequatorialstern, Aster, Monaster (Fig. 135). Sämmtliche Fadenschleifen stellen sich, mit den Schenkeln nach der Polachse, die Schenkelenden nach der Peripherie gekehrt, in die Aequa-torialebene der Spindel. Man kann die so entstehende Figur auch als

Fig. 134: Kern im Anfang des Muttersterns. Spindel noch schrägstehend. Längsgespaltene Fäden. Polstrahlung in das Zellprotoplasma hinein. (Schema nach Rabl.) 
<br />Ende des Muttersterns. Spindel. Polstrahlung. (Schema nach Rabl)
Fig. 134: Kern im Anfang des Muttersterns. Spindel noch schrägstehend. Längsgespaltene Fäden. Polstrahlung in das Zellprotoplasma hinein. (Schema nach Rabl.)
Ende des Muttersterns. Spindel. Polstrahlung. (Schema nach Rabl)


»Aequatorialplatte« (Flemming) oder »Kernplatte« (Strasburger) bezeichnen, wobei zu bemerken ist, dass diese Ausdrücke von den betreffenden Autoren eigentlich für das gleich folgende Stadium gewählt wurden, welches wir als

IV. Stadium, das der Trennung oder Umordnung, Metakinesis, bezeichnen (Fig. 136). Die aus der Längsspaltung (s. o.) hervorgegangenen chromatischen Tochter- (Schwester-) Fäden rücken auseinander und vom Aequator der Spindel fort in der Richtung nach den Polen. Durch die Unter suchungen E. van Beneden's (Ascaris) und Heuser's (Pflanzen) ist nachge wiesen worden, dass von den zwei aus einem Faden entstandenen der eine zu dem einen, der andere zu dem anderen Pole gelangt. Ob sie an den Spindelfaden entlang gleiten oder rutschen, oder ob sie von jenen »gezogen« werden, oder durch welche Kräfte sonst diese Bewegung geschehe, ist noch unklar (vergl. u.). Jedenfalls gehen sie mit dem Scheitel voran, auf den Pol zu. Die ausserordentlich wichtige Thatsache als solche, welche im Verein mit der Längsspaltung der Fäden und ihrer einzelnen Bestandtheile von der einschneidendsten Bedeutung für die ganze Zelltheilung und die Lehre von der Vererbung ist, diese Thatsache selbst kann nicht mehr bezweifelt werden.

V. Stadium: Die »Tochtersterne«, Dyaster (Fig. 137). Die Schleifen scheitel nähern sich dem Pole und vermöge des hier enger werdenden Raumes auch einander. Gleichzeitig werden die Fäden wieder kürzer und dicker.

Schliesslich stehen sie, ganz ähnlich der Stellung im Mutterstern, in einigem Abstände vom Pol, um diesen regelmässig gruppirt. Am Pol befindet sich wiederum ein heller Fleck, der wie vertieft erscheint (Delle; Hilus, Retzius). ^VI. Stadium: Die Tochterknäuel, Dyspirem (Fig. 138). Die Fäden verkürzen und verdicken sich noch weiter und gelangen mit ihren sich biegenden freien Enden in die Aequatorgegend. Hier, also am Aequator, erfolgt dann die Einschnürung des Zellkörpers und die Theilung des Zellprotoplasma durch eine glänzende Linie (Ebene). Noch vorher tritt eine neue (Tochter-) Kernmembran in die Erscheinung; woher und wie, ist unbekannt.

 Fig. 136: Trennung der Fadensegmente oder ?Umordnung (Metakinesis). Die zu einander gehörigen (Schwester-) Fäden hängen zum Theil noch aneinander. (Schema nach Rabl) 
<br />Fig. 137: Tochterstern. Die zu einander gehörigen chromatischen Fäden hängen an ihren Schenkelenden noch durch feine Fädchen zusammen. Ansatz der Spindelfäden an	 die chromatischen Fäden deutlich. (Schema nach Rabl.)
Fig. 136: Trennung der Fadensegmente oder ?Umordnung (Metakinesis). Die zu einander gehörigen (Schwester-) Fäden hängen zum Theil noch aneinander. (Schema nach Rabl)
Fig. 137: Tochterstern. Die zu einander gehörigen chromatischen Fäden hängen an ihren Schenkelenden noch durch feine Fädchen zusammen. Ansatz der Spindelfäden an die chromatischen Fäden deutlich. (Schema nach Rabl.)


Das VII. Stadium, die ruhenden (Tochter-) Kerne (Fig. 139 u. 140). Die neue Kernmembran wird fertig; das Polkörperchen verschwindet gewöhnlich, die chromatischen Fäden werden zackig, senden feine Fortsätze aus, die sich untereinander verbinden. So entsteht wieder ein Netz mit gröberen und feineren Fäden. Ob es zur Bildung eines dicken chromatischen Fadens

 Fig. 138: Beginn des Tochterknäuels. (Schema nach RABL.) 
<br />Fig. 139: Aelterer Tochterknäuel (Epithel, Salamanderlarve). Stark vergrössert. (Nach Rabl) 
<br />Fig 140: Schema des wieder zur Kühe gekommenen Kernes. Links die ?primären
Fig. 138: Beginn des Tochterknäuels. (Schema nach RABL.)
Fig. 139: Aelterer Tochterknäuel (Epithel, Salamanderlarve). Stark vergrössert. (Nach Rabl)
Fig 140: Schema des wieder zur Kühe gekommenen Kernes. Links die ?primären" Fäden (vergl. Knäuel), rechts das Kernnetz. (Nach Rabl.) Vergl. hierzu Fig. 28.


aus den Segmenten kommt, ist sehr zweifelhaft (s. o.) Auch über das Auftreten der Kernkörperchen ist man noch nicht im Reinen. Kurz zusammengefasst lässt sich die Karyokinese also folgendermassen kennzeichnen: »Zusammenziehung des chromatischen Kernmaterials in eine (bestimmte) Anzahl isolirter Stücke von charakteristischer, nach der Zellart und Species wechselnder Form, die chromatischen Elemente; Ausbildung einer achromatischen Fadenfigur, sei es aus Kern-, sei es aus Zellsubstanz, mit zwei Polen; Lagerung der chromatischen Elemente, soweit dies ihre Zahl, Grosse und Form gestattet, in der Aequatorialebene der achromatischen
Figur; Theilung der chromatischen Elemente in zwei Hälften, von denen jede einem anderen Pole zugeführt wird; Auflösung der Tochterelemente in das Gerüst zweier neuer Kerne« (Boveri).

Um jedes »Polkörperchen« herum liegt, wie Ed. van Beneden bei Ascaris fand, je eine Attractionssphäre. Anfangs nahe aneinander, stellen sie sich dann polar und bilden die Mittelpunkte der Strahlungen. Wie weit verbreitet diese Sphären vorkommen, ist noch unbekannt.

Die Karyokinese ist ausserordentlich weit verbreitet. Man ging sogar eine Zeit lang so weit, sie für die einzig quasi legitime Art der Zelltheilung zu halten. Indes sind doch jetzt viele Beispiele von amitotischer Theilung bekannt geworden, so beim Uterusepithel, in der Milchdrüse etc. Karyokinese wurde beobachtet bei allen Epithelien der Drüsen, den Bindesubstanzen, den glatten und quergestreiften Muskelfasern, an Leukocyten (zum Theil amito-tisch), an den Nervenzellen u. s. w.

Auch die pathologischen Neubildungen bedienen sich (J. Arnold) vorwiegend der Mitose zur Zellvermehrung. Uebergänge zwischen der Karyokinese und der directen Abschnürung haben wir nach J. Arnold in der »mitotischen Fragmentirung vor uns.

Waldeyer fasst die Frage, wie sich die beiden Arten der Zelltheilung zu einander verhalten, so auf, dass er die amitotische für die Grundform hält: sie tritt überall dann auf, wenn die Kerne entweder chromatinarm sind oder es auf eine genaue Halbirung des Chromatins nicht ankommt. »Soll letzteres erreicht werden, so treffen wir die Mitosen, denn diese sind der geradeste, sicherste und einfachste Weg, die exaete Zweitheilung der chromatischen Substanz herbeizuführen; dies wird wohl als das Ziel der Karyokinese betrachtet werden müssen«. Eine Uebersicht über die oben besprochenen Stadien oder Phasen giebt folgende Tabelle:


AI. Ein ruhender Kern.
AII. Ein Knäuel (Spirem) 1. Dichter Knäuel.
2. Lockerer Knäuel.
3. Schleifenspaltung, Kernspindel.
AIII. Ein Stern (Aequatorialstern, Monaster).
BIV. Trennung (Umordnung, Metakinese).
CV. Zwei (Tochter-) Sterne (Dyaster).
C VI. Zwei (Tochter-) Knäuel (Dyspirem).
CVII. Zwei ruhende (Tochter-) Kerne.


Von diesen Stadien entsprechen sich genau I und VII, II und VI, III und V oder die gleichweit on dem eigentlichen Höhepunkt der Trennung entfernten. Oder mit anderen Worten: Die Tochterkerne durchlaufen in umgekehrter Reihenfolge die vom Mutterkern durchgemachten Phasen, wie es folgende Tabelle veranschaulicht.



StadienZahlFormZahlStadien
I. 1Ruhender Kern2VII.
II. 1Knäuel2VI.
III. 1Stern2V.
à IV. Trennungà


Schliesslich sei noch bemerkt, dass neuerdings auch 3-, 4- und mehrpolige Kerntheilungsfiguren beobachtet worden sind, allerdings meist unter pathologischen Bedingungen.

Ueber das Wesen der karyokinetischen Vorgänge und die Kräfte, welche die mannigfachen Bewegungen auslösen, hat man bisher nur Vermuthungen.

Im Jahre 1889 hat C. Rabl auf Grund neuer Untersuchungen in einem an Geheimrath v. Koelliker gerichteten offenen Briefe eine Hypothese aufgestellt, die, soweit Verfasser sieht, innere Wahrscheinlichkeit besitzt. Rabl stützt seine Betrachtungen, denen wir hier in Kürze folgen wollen, auf neue, mit Hilfe verbesserter Fixirungs- und Färbemethoden angestellter Beobachtungen, von denen hier gleichfalls das Wichtigste mitgetheilt werden soll.

Kurz bevor die Längsspaltung der Knäuelfäden deutlich wird, sieht man im Polfeld, nahe bei einander, die beiden Pole. Nach diesen hin verlaufen von den chromatischen Fäden, blasse, achromatische Fasern, die sich später zur Kernspindel zusammenordnen. Die Zahl dieser achromatischen Fasern ist eine sehr grosse; Rabl schätzt sie auf 16?20 für jede Schleife und jeden Pol, d. h. also, bei einer Zahl von 24 Schleifen auf mindestens 400 für jeden Pol oder 800?1000 im ganzen. Diese achromatischen Fäden setzen sich an die knotenförmigen Anschwellungen der chromatischen Fäden an. Der Mittelpunkt, von dem das ganze Bündel der achromatischen Fäden ausgeht, ist nun das Polkörperchen. Auch die »Polstrahlung« des Zellleibes (Sternfigur, Sonne), welche man früher vielfach als Ausdruck von »Strömungen« auffasste, hält Rabl für wirkliche Fasern oder Fäden. Auch diese sind gegen das Polkörperchen centrirt, d. h. dieses bildet den Mittelpunkt für alle geformten Bestandtheile der Zelle.

Den Vorgang der Theilung denkt sich Rabl nun folgendermassen: Auf irgend einen inneren oder äusseren Reiz erfolgt eine Contraction sämmt-licher geformter Bestandtheile. Zunächt theilt sich das Polkörperchen und die dasselbe umgebende Attractionssphäre in zwei Hälften, wie dies van Beneden und Boveri an Ascaris beobachtet haben. Die Fäden des Zellleibes strecken sich gerade, sie werden kürzer und dicker: Polstrahlung, Die Theilung der Polkörperchen bedingt eine Theilung, wahrscheinlich Längsspaltung der Spindelfasern und diese dann eine solche der chromatischen Fäden. Je mehr nun die Polkörperchen sich von einander entfernen, desto mehr werden auch die Spalthälften der Spindelfasern auseinanderweichen. Diese aber werden infolge ihrer Contraction kürzer und dicker und werden dabei einen immer mehr gestreckten Verlauf annehmen. Da nun die Spalthälften der Spindelfasern gleiche Länge haben, so werden sie, wenn ihre Verkürzung bis zu einem gewissen Grade gediehen ist und sich gleichzeitig die beiden Pole bis zu einer gewissen Distanz von einander entfernt haben, nothwendig die chromatischen Schleifen, an die sie sich anheften, in gleiche Entfernung von beiden Polen bringen müssen; mit anderen Worten, es wird die chromatische Figur aus dem Stadium des Knäuels in das Stadium des Muttersterns übergeführt werden. Macht die Contraction noch weitere Fortschritte, so werden endlich auch die Spalthälften der chromatischen Fäden in der bekannten Weise auseinandergezogen und den Polen entgegengeführt. Auch die chromatischen Fäden werden infolge der Contraction kürzer, dicker und gerader.

Rabl's Auffassung geht von der Annahme aus, dass der Bau der ruhenden Zelle im wesentlichen derselbe sei, wie der der jungen, eben aus der Theilung hervorgegangenen Tochterzelle. Er schliesst dies aus den direct zu beobachtenden Thatsachen und per analogiam: Bei der Theilung niederer Lebewesen (Planarien, Anneliden) geht nicht erst die ganze bisherige Organisation zugrunde, um sich nach der Theilung wieder aufs neue aufzubauen, sondern es bleibt dieselbe während der ganzen Dauer des Processes in allen wesentlichen Zügen erhalten. »Warum sollte nun eine Zelle, wenn sie sich theilt, ihre frühere Organisation verlieren und eine ganz neue erwerben, um erst nach der Theilung wieder zum ursprünglichen Zustande zurückzukehren?« Handelt es sich somit nicht um organische Veränderungen im Kern und in der Zelle, sondern nur um Bewegungen und eine mathematische
Zweitheilung der einzelnen Theilchen wie damit des ganzen Kernes, so steht die karyokinetische Kern- und Zelltheilung der direeten Theilung oder Zer- schnürung erheblich näher, als man zunächst nach dem Bekanntwerden der complicirten Vorgänge bei der Karyokinese annehmen zu dürfen glaubte. Waldeyer ist bereits vor Jahren (1886) noch einen Schritt weiter gegangen, indem er sagte: »Ich möchte jetzt die Schranke zwischen einer direeten und indirecten Kerntheilung ganz fallen lassen. Es giebt nur eine Art der Kerntheilung, und zwar, wenn wir von den Kernkörperchen absehen, nach dem REMAK'schen Schema, wobei der Kern, wie später die Zelle in einer bestimmten Ebene, der Theilungsebene, in zwei meist gleiche Hälften durchgeschnürt wird.«

Diese Auffassung hat durch mannigfache Beobachtungen der letzten Jahre, besonders durch die Untersuchungen von J. Arnold, Flemming und Carnoy nebst seinen Schülern, eine erhebliche Stütze erfahren. Es wurden nicht nur »Varietäten« der karyokinetischen Theilung, sondern auch Ueber-gänge zwischen dieser und der einfachen Zerschnürung des Kernes aufgefunden. Ja es scheint nach allem, dass ein und dieselbe Zellenart sich gelegentlich des abgekürzten Verfahrens der amitotischen oder direeten Theilung anstatt der umständlicheren, der karyokinetischen bedienen kann.


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