Zehen: Verletzungen

Heilkundelexikon

Zehen: Verletzungen

Zehen - Missbildung - Verletzungen - Erkrankungen - Therapie

C. Verletzungen der Zehen.
In Betreff der Verbrennungen und Verbrühungen der Zehen, sowie der Erfrierungen derselben und ihrer Residuen, der Frostbeulen und Frostgeschwüre, ferner der Quetschungen und der verschiedenartigsten Verwundungen der Zehen, auch der in dieselben eingedrungenen fremden Körper haben wir lediglich auf das in dem Abschnitt Finger (VH, pag. 639) bereits Angeführte zu verweisen, da sich für alle diese Zustände kaum ein Unterschied bei den Zehen und Fingern nachweisen lässt. An das Eindringen von Fremdkörpern in die Zehen wür^e die Einwanderung eines Parasiten, des allein im tropischen oder subtropischen Amerika beobachteten Sandflohs (Nigua, Chigoe, Chique, Pulex penetrans, Rhynchoprion penetrans) sich anschliessen. Das befruchtete Weibchen des Thieres, welches nur halb so gross ist wie der Menschenfloh, bohrt sich am gewöhnlichsten unter die Haut des Fusses, namentlich um und unter die Zehennägel ein und vergrössert sich daselbst ausserordentlich, bis zu 5 Mm. im Durchmesser. Die unbedeutende, einen geringen Kitzel erregende Entzündung, welche dadurch in der Haut verursacht wird, kann durch hinzutretende Reizungen, wie Druck und Reibung, sehr gesteigert werden, es kann zu Eiterung, Geschwüren, Schwellung der Inguinaldrüsen u. s. w. kommen; es werden bei dem oft massenhaften und wiederholten Befallen-werden einzelner Körpertheile aber auch ausgedehnte Geschwüre, Gangrän, Verlorengehen von Zehen und selbst Tod beobachtet. Die Weiber der Eingeborenen des Landes besitzen eine grosse Fertigkeit darin, die Chiques mit einer stumpfen Messerspitze oder Nadel ringsum freizulegen und dieselben ohne Verletzung oder Abreissen ihrer Stechapparate auszuziehen. Diese Operation bezeichnet man im Französischen als »6chiquage«.
Fracturen der Zehen, bei den Zerquetschungen derselben überaus häufig, werden bei der Kürze ihrer Phalangen auf einzelne derselben beschränkt und aus indirecten Ursachen, z. B. dem heftigen Anstossen der Fussspitze an einem festen Körper entstanden, nur sehr selten beobachtet, und zwar am ehesten noch die der grossen Zehe. Die Behandlung würde dieselbe sein, wie bei isolirten Fracturen der Fingerphalangen.

Die Luxationen der Zehen bedürfen einer besonderen Erörterung. Dieselben können in den Metatarsophalangeal- und in den Interphalangeal-gelenken vorkommen, sind aber ausserordentlich selten, so dass Paulet bis 1882 zu den von Malgaigne (1855) gesammelten 22 Fällen nur noch 28 weitere aus der gesammten Literatur hinzuzufügen imstande war. Von diesen 50 Fällen entfielen H9 auf die Luxationen der 1. Phalanx in den Metatarsophalangealgelenken (darunter 31, welche die grosse Zehe betrafen), und nur 11 oder S^mal weniger Fälle auf die Luxationen der Phalangen untereinander.

Von den Luxationen in den Metatarsophalangealgelenken betraf, wie wir eben gesehen haben, erheblich mehr als die Hälfte aller bekannten Luxationsfälle die grosse Zehe, und unter diesen waren die einfachen Luxationen (13) in der Minderzahl, im Vergleich zu den mit
Wunden complicirten (18). Die Entstehungsweise der einfachen Luxationen war in den verschiedenen Fällen eine sehr verschiedene, wie Sturz von einer Höhe auf die Fussspitze, Auffallen des sich überschlagenden Pferdes auf den mit seiner Spitze nach oben sehenden Fuss, Austheilen eines Fusstrittes, Fehltreten auf der Treppe beim Ueberspringen einer Anzahl von Stufen, also alles Fälle, in denen auf die erste Phalanx eine Gewalt in der Richtung der Längsachse des Fasses einwirkte. In anderen Fällen wurde nicht die Zehe, sondern der Metatarsus von der Gewalt betroffen, indem ein Wagenrad, der Huf eines Pferdes, ein Steigbügel einen Druck auf den Innenrand des Fusses ausübte und den Metatarsalknochen von oben nach unten, unter das Niveau der fixirt bleibenden Zehe herunterdrückte. In allen Fällen fand also eine Hyperextension der Zehe statt und das Gelenkende der 1. Phalanx trat auf die Dorsalfläche des Metatarsalknochens; es erfolgte daher in allen Fällen eine Luxation der Zehe nach oben, auf den letzteren; eine Luxation nach unten ist bisher noch niemals beobachtet. Die Zehe ihrerseits bleibt entweder in der Richtung der Längsachse des Metatarsalknochens, oder ist mit ihrer Spitze etwas nach aussen oder innen gerichtet. Es sind dies aber Abweichungen von so geringer Bedeutung, dass die von Malgaigne gemachte Unterscheidung von drei Luxa-tionsunterarten: nach oben und hinten, nach oben und aussen und nach oben und innen nicht berechtigt ist. Die Zehe kann ferner in gestreckter Stellung verbleiben, oder leicht gebeugt sein, oder es kann ihre 1. Phalanx fast rechtwinkelig gegen den Metatarsalknochen aufgerichtet sein; im erstgenannten Falle ist die Verkürzung am auffälligsten und tritt dabei auch das Gelenkende der Phalanx auf der Dorsalseite am deutlichsten hervor. Es ist ausser-dem anzunehmen, dass, ähnlich wie bei den experimentell an der Leiche durch Schlag mit grosser Gewalt auf die 1. Phalanx hervorgebrachten Luxationen, mit denselben oft auch eine Fractur der ausgehöhlten Gelenkfläche der 1. Phalanx verbunden ist. Je mehr übrigens die Gelenkflächen von einander nach hinten abweichen, desto mehr treten die an der UnterHäche des Capitulum metatarsi I. gelegenen beiden Sesambeine durch Einreissen der sich an ihnen befestigenden Ballenmuskeln auf die Gelenkfläche des Metatarsalknochens und können bei noch stärkerer Verschiebung selbst bis auf dessen Dorsalfläche gelangen. Wenn unter diesen Umständen die Phalanx bis zur Horizontalen gesenkt wird und dann noch Tractionen an der Zehe gemacht werden, kann die Phalanx bis vor die Sesambeine gebracht und die Luxation nur noch irreponibler gemacht werden. Die einzige rationelle Art der Reposition besteht, mit Ausschluss einer jeden an der Zehe geübten Traction und eines mit einem spitzigen Instrumente auf das luxirte Gelenkende durch die Haut hindurch ausgeübten directen Druckes (nach Malgaigne), darin, dass man, wenn die Phalanx sich in forcirter Extension befindet, sie darin belässt, wenn sie gesenkt ist, sie so stark als möglich in Hyperextension bringt; dass man dann, bei innigem Contact der Gelenkfläche der Phalanx auf der Dorsalfläche des Os metatarsi, die Phalanx von hinten nach vorn, gegen das Capitulum metatarsi drängt, alles daselbst Befindliche (wie die Sesambeine) vor sich hertreibend; und dass man endlich, wenn man an dem oberen vorderen Theile jenes Gelenkkopfes angelangt ist, einfach die Phalanx senkt, um sie alsbald reponirt zu sehen. Da nach gehörig erfolgter Reposition keine Neigung zu Recidiven der Luxation vorhanden ist, ist ein besonderer Verband nicht erforderlich. Wenn eine derartige Luxation nicht reponirt wird, bleibt allerdings eine das Gehen etwas hindernde Deformität zurück; allein die dadurch verursachten Beschwerden vermindern sich im Laufe der Zeit mehr und mehr und der Patient vermag später mit einer geigneten Fussbekleidung seinen Geschäften wieder nachzugehen.

Die complicirten Luxationen der 1. Phalanx der grossen Zehe entstehen ganz auf dieselbe Weise wie die einfachen, nur dass die Gewalteinwirkung oft noch viel stärker war; auch bei den Leichenexperimenten zu künstlicher Hervorrufung von Luxation durch forcirte Extension der grossen Zehe reisst sehr oft die Haut auf der Plantarfläche des Fusses, und es entsteht eine complicirte Luxation, die mit Practur des Kopfes des Metatarsalknochens verbunden sein kann. In einer Anzahl der beobachteten Fälle waren noch anderweitige Verletzungen des Fusses gleichzeitig vorhanden, wie Fractur und Luxation der sämmtlichen anderen Zehen u. s. w. Im übrigen ist das Verhalten der 1. Zehenphalanx und der Sesambeine ganz dasselbe wie bei der einfachen Luxation, und die Reposition ist in der angegebenen Weise auszuführen. Für den sehr unwahrscheinlichen Fall, dass sich die Luxation nach dem genannten Verfahren als irreponibel erweisen sollte, würde man die Resection des Köpfchens des Metatarsalknochens vorzunehmen haben. Die Luxationen an den vier äusseren Zehen in deren Metatarsophalangealgelenken sind seltener als die an der grossen Zehe. Paulet kannte von denselben nur 8 Fälle; bei denselben handelte es sich lmal um Luxation der 5., 2mal der 1. und 2., lmai der 4 letzten Zehen, in den übrigen 4 Fällen waren alle 5 Zehen zugleich luxirt. Im übrigen entsteht diese Luxation ganz auf dieselbe Weise, wie die an der grossen Zehe, durch forcirte Extension; die ersten Phalangen stellen sich vertical, indem ihre Gelenkenden auf der Dorsalfläche der Metatarsalknochen ruhen. Ihre Reposition ist leicht in der schon angegebenen Weise auszuführen, wird dagegen unmöglich, wenn man die Phalangen horizontal stellt und die Reposition durch Tractionen zu erreichen sucht.

Von Luxationen in den Interphalangealgelenken waren Paulet 11 Fälle bekannt, von denen 9 das Nagelglied der grossen Zehe und nur 2 die übrigen Zehen betrafen. Die Luxationen des Nagelgliedes der grossen Zehe waren 7mal in 9 Fällen durch directe Gewalt auf das Zehenende, beim Sturz von einer Höhe, Schlag gegen dieselbe und nur lmal durch den umgekehrten Mechanismus herbeigeführt, indem die Gewalt (das Auffallen einer Eisenstange) die 1. Phalanx getroffen hatte. Die Richtungen, in welchen bisher diese Luxationen beobachtet sind, waren nach oben in 6, nach unten in 2, nach innen in 1 Falle, nach aussen bisher noch gar nicht. 1 Die Reposition erfolgte fast stets leicht, selbst mittels der nicht zu empfehlenden Tractionen, 2mal misslang die Reposition aus nicht ersichtlichen
Gründen. Man würde in solchen Fällen unbedenklich zur Resection des Gelenkendes der 1. Phalanx greifen können. ? Von den bis dahin thatsächlich nur 2mal an den vier äusseren Zehen beobachteten Luxationen in den Interphalangealgelenken, die demnach von der äussersten Seltenheit sind, handelte es sich in dem einen Falle um eine Dorsalluxation der 2. Phalanx auf die 1. an der 3. Zehe, im anderen um eine ebensolche an der 2. Zehe. Die Reposition gelang leicht. ? Die von älteren Schriftstellern angenommene isolirte Luxation der Sesambeine gehört zu den Unmöglichkeiten und beruht auf diagnostischen Irrthümern.

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Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem Text auf dieser Seite um einen Auszug aus einem über hundert Jahre alten Fachbuch der Medizin handelt.
So entsprechen vor allem die genannten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen nicht dem aktuellen Stand der Medizin, die Anwendung kann nicht nur die Diagnose einer Erkrankung verzögern, sondern auch direkt den Körper schädigen.

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