Zehen: Missbildung

Heilkundelexikon

Zehen: Missbildung


B. Angeborene Missbildangen der Zehen.
a) Angeborene Hypertrophie, Riesenwuchs der Zehen (Makro-daktylie). Eine solche betrifft, wenn nicht der ganze Fuss oder das ganze Bein sich in einem Zustande von Hypertrophie befindet, bisweilen blos einzelne Zehen, namentlich die grosse und 2., oder auch die 2. und 3. Zehe, die auf das Dreifache ihres Volumens und darüber vergrössert sein können. Obgleich dabei alle Gewebe an der Hypertrophie theilnehmen, pflegt besonders reichlich das Fettgewebe entwickelt zu sein, so dass die hypertrophischen Gliedtheile Lipomen ähnlich sich verhalten können. Da in der Regel die Brauchbarkeit des Fusses erheblich gestört ist, müssen die vergrösserten Theile operativ bis zu dem Umfange entfernt werden, dass durch sie kein Hinderniss mehr bereitet wird.

b) Der angeborene Mangel von Zehen (Ektrodaktylie) ist häufig ein erblicher Bildungsfehler, der sich nicht selten mit bedeutenden Miss-staltungen der Unterextremität, wie Phokomelie und Hemimelie, vergesellschaftet findet. Die Zahl der fehlenden Zehen kann verschieden sein; bald fehlen die äusseren Zehen des Fusses, bald die mittleren; im letzteren Falle geben die zurückgebliebene grosse und kleine Zehe dem Gliede das Aussehen einer Humraerscheere. Wenn der Zehenmangel allein für sich vorhanden ist und nicht auch der Metatarsus und Tarsus Anomalien zeigt, pflegt das Gehen nur wenig beeinträchtigt zu sein. Die Entstehung dieses Zustandes ist, wie an den Fingern, häufig auf eine intrauterine Amputation durch Stränge zurückzuführen, deren Spuren bisweilen noch nach der Geburt sich nachweisen lassen.

c) Angeborene Ueberzahl der Zehen (Polydaktylie). Dieser Zustand ist recht selten, da nach statistischen Erhebungen bei neugeborenen Kindern sich nur je 1 Fall unter respective 10. 000 und 14. 000 Kindern fand. Dagegen kommt die Polydaktylie, namentlich das Vorhandensein von 6 Zehen in einzelnen Familien erblich vor. Die Zahl der im Ueberschuss vorhandenen Zehen ist von 1?7 beobachtet worden; am häufigsten finden sich aber im ganzen nur 6?7 Zehen, in extremen Fällen jedoch deren 12 an einem Fusse, und da dieser öfter symmetrisch an beiden Füssen und bisweilen zugleich an den Händen vorkommt, so sind in einigen Fällen bei einem und demselben Individuum 48?50 Finger und Zehen beobachtet worden. Die Beschaffenheit der überzähligen Zehen (oder Finger) kann, nach Annandale, in folgender Art verschieden sein: 1. Das sehr mangelhaft entwickelte Glied ist nur lose oder mit einem dünnen Stiele am Fusse befestigt; 2. das mehr oder weniger ausgebildete Glied articulirt mit dem Gelenkende oder den Seiten eines Metatarsalknochens oder einer Zehenphalanx, die ihm und einer anderen
Zelle gemeinsam sind; 3. die vollständig entwickelte Zehe besitzt einen eigenen Metatarsalknochen und bestimmt ausgeprägte Phalangen; 4. das mehr oder weniger entwickelte Glied ist seiner ganzen Länge nach mit einer anderen Zehe innig verschmolzen und hat entweder einen eigenen Metatarsalknochen, oder articulirt mit dem Köpfchen eines solchen, der ihm und einer anderen Zehe angehört. Dem zuletzt erwähnten Verhalten zufolge kann also Polydaktylie auch mit Syndaktylie combinirt vorkommen. Ein operativer Eingriff in den Fällen von Polydaktylie ist nur dann gerechtfertigt, wenn es sich um überzähiige Zehen handelt, die von der normalen Stellung oder Richtung seitlich, nach oben oder unten abweichen, den Gebrauch des Fusses stören, nur mit einem Stile festsitzen oder eine lipo-matöse Entartung zeigen. Uebrigens sind die Operationen selbst nur von geringem Belange.

d) Die angeborene Verschmelzung oder Verwachsung von Zehen (Syndaktylie, Palmidaktylie) kann eine totale, ihrer ganzen Länge nach stattfindende, oder partielle sein, kann sich auf 2 oder mehrere oder alle erstrecken. Die vorhandene Verwachsung selbst ist selten eine derartige, dass die Zehen untereinander in einer Masse verschmolzen sind, vielmehr sind dieselben meistens durch schwimmhautähnliche Hautfalten verbunden, daher die an zweiter Stelle angeführte Bezeichnung. Es stellt dieses letztgenannte Verhalten übrigens nur das Verharren auf einem fötalen Zustande dar und kommt infolge dessen bisweilen gleichzeitig an den Füssen und an den Händen vor. Da die Syndaktylie an den Zehen zu irgend welcher Störung in dem Gebrauche der Füsse kaum einen Anlass giebt, liegt auch zu einer operativen Trennung der Verwachsungen, wie dieselbe an den Fingern nöthig ist, kein Grund vor.

e) Die angeborenen Contracturen und Stellungsabweichungen der Zehen sind viel seltener als die erworbenen analogen Zustände und gesellen sich bisweilen zu anderen angeborenen Fehlern der Zehen hinzu. Gelegentlich werden aber auch ohne weitere Abnormitäten des Fusses an geborene Contracturen einer oder mehrerer Zehen beobachtet. Oft wird auf diese Difformitäten, die erheblich sein können, nach der Geburt selbst wenig Aufmerksamkeit verwendet, und erst, sobald mit zunehmendem Alter auch das Uebel zunimmt und Störungen im Gebrauche des Fusses veranlasst, werden sie zur Kenntniss des Arztes gebracht. Wenn auch die Contractur häufiger nach der Beugeseite hin stattfindet und deshalb die betreffenden Zehen sich mehr oder weniger beträchtlich verkrümmt finden, kommen doch auch Contracturen der Strecksehnen, mit Aufrichtung und Erhebung oder seitlicher Richtung der Zehen vor, so dass die eine die andere überragt. In Betreff der Behandlung ist nicht zu bezweifeln, dass, wenn dieselbe sehr frühzeitig unternommen wird, durch einfache orthopädische Verfahren eine Ausgleichung noch zu erreichen sein würde; später müssen Operationen zu Hilfe genommen werden; also entweder die Tenotomie (namentlich der con-trahirten Strecksehnen) mit nachfolgender Orthopädie, oder in hartnäckigen, allen anderen Behandlungsweisen widerstehenden Fällen, auch wohl die Entfernung der betreffenden Zehe durch Amputation oder Exarticulation.

f) Angeborene Geschwülste der Zehen finden sich in der bei der angeborenen Hypertrophie bereits erwähnten Form von Lipomen, können aber auch in fibrösen oder cartilaginösen Tumoren bestehen, die in einzelnen Fällen mit einem Stiele festsitzen und so unbedeutend sind, dass sie mit einem Scheerenschnitt entfernt werden können, in anderen Fällen nach der Geburt ein rapides Wachsthum zeigen, so dass unter Umständen nicht nur die betreffende Zehe, sondern selbst der ganze Fuss entfernt werden musste.

g) Angeborene Abnormitäten der Nägel können in einem Mangel (Anonychia) oder einer Ueberzahl derselben (Polonychia) bestehen, indem bei letzterem Zustande doppelte Nägel, theils bei blos angedeuteter Duplicität der Endphalanx, theils ohne alle Spur von Doppelbildung vorkommen; auch eine angeborene abnorme Einpflanzung der Nägel an ungewöhnlichen Stellen, z. B. auf den Seiten, ist beobachtet.


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