Zange: Indikation

Heilkundelexikon

Zange: Indikation


Die Indicationen zur Zangenoperation decken sich mit jenen zur Extraction der Frucht bei Längslagen überhaupt. Die Idee, welche allen Indicationen zur künstlichen Extraction der Frucht zugrunde liegt, ist die, die fehlende oder zu schwache Wehenthätigkeit in einem gegebenen Falle durch unsere eigene Kraft zu ersetzen oder zu verstärken. Normaler Weise ist ia die Wehenthätigkeit berufen, die Frucht in einer für Mutter und Kind unschädlichen Weise zutage zu fördern. Ist die Wehenthätigkeit entweder überhaupt nicht oder nicht mit der nöthigen Schnelligkeit imstande, dieser Aufgabe gerecht zu werden, so muss unsere Kraft die Kraft des Uterus ersetzen oder dieselbe verstärken. Von diesem Standpunkte aus kann man -allerdings nicht immer im eigentlichen Sinne des Wortes ? davon sprechen, dass Wehenschwäche die allgemeine Indication zu jeder Zangenoperation darstellt. Wenn wir nun auf die einzelnen Fälle näher eingehen, so können wir die Indicationen nach dem eben erörterten gemeinsamen Gesichtspunkte in drei grosse Gruppen theilen.

Der ersten Gruppe gehören jene Fälle an, in denen die Wehenthätigkeit an sich schwächer ist als normal, ohne dass dabei die Widerstände, gegeben durch die Grosse des Kindeskörpers oder die Enge des Geburtscanais, vermehrte wären. Die Wehen treten also ? vielleicht infolge mangelhafter Innervation oder ungenügender Entwicklung der Musculatur, mitunter auch infolge von Entzündungsprocessen der Uterussubstanz, infolge von Continuitätstrennung des Uterus (Uterusruptur) oder bei erlöschendem oder schon erloschenem Leben der Gebärenden ? nicht mit dem Minimum von notwendiger Energie auf, um die Geburt zu beendigen. In allen diesen Fällen muss die fehlende oder zu schwache Wehenthätigkeit durch unsere Kraft ersetzt werden.

In die zweite Gruppe von Indicationen reihen wir alle jene Fälle ein, in denen die Wehenthätigkeit genügend gross wäre, um eine sonst normale Geburt zu Ende zu führen; es existiren aber gewisse Hindernisse mechanischer Art, von Seite der Mutter oder von Seite des Kindes, welche zu ihrer Ueberwindung eine weit grössere Wehenthätigkeit als die vorhandene erfordern. Als solche Widerstände von Seite der Mutter sind anzusehen: Straffheit des Beckenbodens, Rigidität der Weichtheile (besonders bei älteren Erstgebärenden), krampfhafte Contractionen der Musculatur des Beckenbodens; ferner gehören hierher räumliche Hindernisse seitens der Beckenknochen, hervorgerufen durch die verschiedenen Anomalien des Beckens. Von Seite des Kindes können abnorme Hindernisse vorliegen: durch abnormale Grosse oder abnormale Einstellung des Kopfes, durch Vergrösserung des vorausgehenden Kindestheiles infolge von gleichzeitigem Vorliegen eines oder beider Arme oder einer unteren Extremität, endlich auch gewisse Fälle von Doppelmissbildungen. Da in allen diesen Fällen der Uterus ein individuell allerdings sehr verschiedenes Mass von Kraft aufzubringen imstande ist, so müssen wir, falls die vorhandene Kraft nicht ausreicht, das Hinderniss' zu überwinden, dasselbe aber doch nicht unüberwindbar ist, dadurch, dass wir unsere Kraft zur Kraft des Uterus addiren, die Geburt ermöglichen. Wir können also in allen diesen Fällen von relativer Wehenschwäche in Bezug" auf vermehrte Widerstände sprechen.

In einer dritten Gruppe von Indicationen ist sowohl die Wehenthätigkeit normal und sind auch die Widerstände nicht vermehrt, aber es sind Ereignisse vorhanden, welche eine rasche Geburtsbeendigung wünschens-werth erscheinen lassen. In diese Gruppe gehören plötzlich eintretende gefährliche Ereignisse, die das Leben der Mutter und gleichzeitig auch meist das Leben des Kindes bedrohen; Erkrankungen der Gebärenden, die mit Fieber einhergehen. Herzfehler, Lungenerkrankungen, Eklampsie, Blutungen. Auch Lebensgefahr des Kindes allein kann die Indication zur Geburtsbeschleunigung
abgeben; dieselbe ist fast ausnahmslos bedingt durch Kohlensäureüberfüllung des kindlichen Blutes, wie z. B. beim Nabelschnurvorfalle. In allen diesen Fällen können wir sprechen von relativer Wehenschwäche in Bezug auf die Schnelligkeit der Geburt. Die eingetretenen Anomalien Hessen es wünschenswerth erscheinen, die Wehenthätigkeit in kürzerer Zeit zu ganz bedeutender Energie anzufachen. Da wir das nicht können, so fehlt zum Zwecke der gefahrlosen Beendigung der Geburt ein gewisses Mass von Kraft, für das wir mit unserer eigenen Kraft eintreten müssen.


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