Xanthopsie

Heilkundelexikon

Xanthopsie

Xanthopsie (Sehen), Gelbsehen. Unter Xanthopsie verstehen wir einen Zustand, bei welchem die betreffenden Individuen alle angeschauten Gegenstände in gelber Farbe sehen. Das Gelbsehen wurde beobachtet nach Einnahme, respective Intoxication mit Santonin, Pikrinsäure, bei Icterus, dermia essentialis benützend, sie als Liodermia cum melanosi et telangiectasia, Crocker als Atrophoderma pigmentosum, Vidal aber ? die Entscheidung einer späteren Zeit überlassend ? als Derma-tose de Kaposi vorführt. Es liegt wohl kein Grund vor, den von mir ursprünglich gewählten Namen Xeroderma pigmentosum aufzugeben, da er zunächst der historisch berechtigte ist und weil er kürzer das ausdrückt, was die langen und com-plicirten neu vorgeschlagenen Namen auszudrücken sich bemühen, nämlich dass ein angeborener mit Pigmentbildung und Gefässerkrankung einher-schreitender oder von ihr ausgehender Process der Hautatrophie ? Xerodermia mihi ? vorliegt. Als eine von frühester Kindheit beginnende, durch Pigmentflecken und Gefässektasie auffallende Hautaffection gemahnt das Xerod. pigmentosum wohl sehr an Melanosis adnata, an Naevus und Lentigo. Allein sie unterscheidet sich doch wesentlich von den in der Regel stationär bleibenden Naevis durch das stetige und rasche Portschreiten und die continuirliche atrophische Umwandlung des Gewebes.

Die bisherigen anatomischen Untersuchungen haben unsere ursprünglichen Angaben und Anschauungen nur bekräftigt und erläutern in befriedigender Weise die klinisch zu beobachtenden Erscheinungen und deren Entwicklungsgang. Nach denselben scheint der Process mit Wucherung des Bindegewebes der Papillen und des Gefässendothels zu beginnen, welcher dann Schrumpfung der ersteren und theilweise Verödung, an deren Stellen Ektasie oder Neubildung von Gefässen und consecutiv unregelmässige Pigmentanhäufung nebst Auswachsen der Retezapfen in die Tiefe, Ektasie der Drüsen und Degeneration ihres Epithels folgt. Diese Verschiebung in den Wachsthumsverhält-nissen der epitheloiden Gebilde ist es offenbar, wie ich schon ursprünglich (in dem betreffenden Capitel des Handbuches von Hebra-Kaposi) betont habe, welche den Anstoss zu der bei so jugendlichen Individuen gewiss auffälligen Entwicklung von Carcinom und Sarkom giebt.

Man könnte den geschilderten eigenthümlichen Process als Senilitas praecox cutis bezeichnen. Während die von angeborenen Naevis ausgehenden analogen Veränderungen in der Regel während des langen Lebens sich ganz unmerklich vollziehen, bis sie zuweilen im hohen Alter in rascherem Tempo, begünstigt durch die senilen degenerativen Veränderungen des Cutisgewebes, zu atypischem Auswachsen des Epi- und Endothels und zu Carcinombildung führen, beginnt der gleiche Process bei Xeroderma pigmentosum schon in der allerfrühesten Jugend und schreitet derselbe rapid vor bis zu dem deletären Schluss. Ueber die Ursache des Xeroderma pigmentosum ist uns nichts bekannt. Gewiss muss dasselbe in einer angeborenen Bildungs- und Ernährungsanomalie des Papillarstratums, seines Gefäss- und Pigmentantheiles, begründet sein, da es stets mit dem ersten Lebensjahre beginnt. Die angeborene Anlage bekundet sich überdies noch durch ein zweites Moment, das häufige Vorkommen bei Geschwistern. Unter meinen zehn Fällen waren je 2 und 3 Geschwister und unter den im Jahre 1885 von mir zusammengestellten 43 Fällen 6mal je 2, 4mal je 3 und einmal sogar 7 Geschwister von der Krankheit betroffen. Von Mehreren ist der Einfluss des Lichtes (Unna), der Sonne (Pick, Lükasiewicz) als Gelegenheitsursache des Xerod. pigmentosum beschuldigt worden. Man kann dies für Xerod. pigmentosum ebenso wenig gelten lassen wie für Sommersprossen, indem ich auch bei Xeroderma pigmentosum sowohl über den ganzen Stamm und Penis und auch auf der Flachhand die Pigmentflecke vorgefunden habe. Weder entsprechen also die Erfahrungen dieser Annahme, noch die Thatsachen.
Die Diagnose des Xeroderma pigmentosum scheint nicht schwierig, da nach meiner ersten SchilderuDg die späteren, allerdings sehr congruenten Fälle alle erkannt worden sind. Mit Sklerodermie in dessen atrophisiren-dem Zustande besteht allerdings eine grosse Aehnlichkeit. Allein diese beginnt stets mittels Sklerose des Gewebes. Grösser ist die Aehnlichkeit mit einer gewissen Form der maculösen Lepra. Bei dieser kommt es jedoch zu Anästhesien und zu Mutilationen. Von multipler Pigmentose, Lentigines und* Epheliden unterscheidet sich das Xerod. pigment. durch den Charakter des stetigen Fortschreitens und der Atrophisirung. Die Prognose ist ungünstig, namentlich mit Rücksicht auf die Tendenz zu Krebs- und Carcinombildung, und ich begreife nicht, wie einzelne Autoren das Leiden günstiger beurtheilen können. Geheilt hat es doch Niemand und der Entwicklung der multiplen Carcinomatosis vermögen wir auch nicht vorzubeugen. Höchstens könnte man sagen, dass, wie die erwähnte, an meiner Klinik behandelte 64jährige Frau beweist, in einzelnen Fällen der Process nicht so rasch, wie gemeiniglich, zum Tode führte. Aber auch diese Kranke hat trotz zweimaliger Operation und Plastik an Stelle der bereits total zerstörten Nase ein in die Nasen- und Stirnhöhle hinein wucherndes Carcinom nebst multiplen anderen Krebsknoten des Gesichtes, der Ellbogengegend und des Handrückens bekommen und ist demnach ebenso wie die anderen ein Opfer dieser Krankheit geworden. Man kann aber, wie wir das öfters erlebt, selbst in Fällen von äusserst zahlreichen und enorm wuchernden Cancroiden des Gesichtes, durch operative Entfernung derselben, am besten Excoohleation und Nachätzung der Basis, das Leben der Betroffenen, wenn auch nicht endgiltig retten, doch um 10?15 Jahre verlängern, bis eben die Hineinwucherung der Carcinome in die Orbita, den Meatus auditorius, die Fossa pterygoidea oder deren Umwandlung in Medullarkrebs oder innere Carcinosis sich einstellt und finale Krebskachexie mit raschem letalen Ende. Die Therapie muss sich darauf beschränken, die subjectiven Erschei nungen der Spannung, Trockenheit, der Schmerzhaftigkeit an den Rhagaden, Excoriationen und Geschwürchen zu mitigiren und die böseren Complicationen Krebs, Sarkom, Angiom mittelst der für letztere geltenden Behandlungs methoden zu beseitigen. So weit Sectionsbefunde vorliegen, gab es da auch Carcinosis der inneren Organe.

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