Wasser und Wasserversorgung: Wasserversorgung

Heilkundelexikon

Wasser und Wasserversorgung: Wasserversorgung


Es soll hier nicht von Einzelversorgungen die Rede sein, sondern nur von Central-Wasserversorgungen. Der wichtigste Punkt bei jeder derartigen Anlage ist der der zu liefernden Wasserquantität. Es ist in dieser Beziehung im allgemeinen der Grundsatz festzuhalten, dass jede städtische Familienwohnung mit einem ihr zu jeder Zeit zur Disposition stehenden und für alle Bedürfnisse ausreichenden Zufluss von reinem, zu allen Verwendungen fähigem Wasser versehen sei, und dass in jeder Strasse ein Wasserrohr vorhanden sei, aus welchem an gewerbliche Anlagen, an Gärten, ferner das zum Spülen der Strasse und bei Feuersbrünsten nothwendige Wasser abgegeben werden kann.

Es wird sich aber die Menge des zu beschaffenden Wassers nicht allein nach der Zahl der Einwohner richten, wobei man immer auch den Bevölkerungszuwachs für eine bestimmte Zeit mit in Rechnung zieht (man berechnet gewöhnlich das Wasserquantum für eine die bestehende Bevölkerung um 1/3 ?1/4 übertreffende Zahl und sucht die gesammte Anlage derart einzurichten, dass sie bei noch weiterer Steigerung der Bevölkerungsziffer oder des Bedarfes leicht eine Vergrösserung zulässt), sondern auch nach Klima, nach Sitten und Gebräuchen, nach der Berufsart und Wohlstand der Einwohner, nach verschiedenen localen Verhältnissen. Eine Stadt mit Canalisation und mit Wasserciosets verbraucht mehr Wasser als eine solche ohne dieselben. Ebenso sind Industrien mit grossem Wasserbedarf, sowie Orte mit hoher Sommertemperatur und geringer Regenmenge u. s. w. besonders zu berücksichtigen.

Im allgemeinen gilt für unsere Verhältnisse die Anschauung Pettenkofers: Nimmt man zu der Menge Wasser, welche die einzelnen Haus haltungen schon beanspruchen, noch die Bedürfnisse der öffentlichen Rein lichkeit, der Feuersicherheit, der Gewerbe und Industrie hinzu, so steigert sich der Wasserverbrauch erfahrungsgemäss noch um das Doppelte pro Tag und Kopf. Nimmt man 50 Liter für die Haushaltungen, so darf man für öffentliche Zwecke, für Gewerbe und Industrie noch 100 Liter pro Kopf und Tag rechnen, also insgesammt 150 Liter.

In der Anlage und dem Betriebe der Wasserwerke muss Rücksicht darauf genommen werden, dass der Verbrauch des Wassers zu verschie denen Jahres-und Tageszeiten ein verschiedener ist. Wollte man den Zufluss derart einrichten, dass nur die eben als nothwendig erscheinende Wassermenge innerhalb des ganzen Tages und Jahres in gleichmässigem Strome zufliesst, so würde sich in den Zeiten des gesteigerten Verbrauchs ein Mangel, in den Zeiten des beschränkteren Consums ein Ueberschuss ergeben. Die Schwankungen in der Grosse des Consums sind ungefähr folgendermassen beschaffen:

Im allgemeinen ist der Consum am Tage stärker als bei Nacht; das Maximum fällt in die Zeit von 8 Uhr vormittags bis 6 Uhr abends, in die Zeit der allgemeinen Arbeitsthätigkeit. Von den Tagesstunden hat in unseren Gegenden die Mittagsstunde von 11 ?12 Uhr, ferner die Stunde von 3 bis 4 Uhr nachmittags den grös3ten Verbrauch. Nach den einzelnen Jahreszeiten betrachtet, übertreffen bei uns die Sommermonate Juni und Juli den durchschnittlichen Monatsconsum, wogegen die Wintermonate Januar und Februar unter demselben bleiben.

Auch nach Tagen schwankt der Verbrauch; der Sonnabend, der Tag der allgemeinen Reinigung der Wohnungen, der Schulen, öffentlichen Gebäude etc., consumirt mehr Wasser als die übrigen; der Sonntag, der Tag der Ruhe für Gewerbe und Industrie, consumirt weniger.

Um allen diesen Schwankungen, insbesondere um dem zu Zeiten auf tretenden stärkeren Bedarf gerecht zu werden, muss entweder das Wasser werk so leistungsfähig sein, dass es das Wassermaximum stetig zuführt oder im Bedarfsfälle ohne Schwierigkeiten und ohne längere Vorbereitungen zu liefern vermag, oder es ist nothwendig, grössere Quantitäten Wasser im
Vorrath anzusammeln durch Anlage grosser Reservoire. In diesen wird ein gewisser Ueberschuss stets bereit gehalten, der hinreichend ist, den während gewisser Zeiten gesteigerten Verbrauch vollständig zu decken. Die Wahl einer Bezugsquelle für eine Wasserversorgung muss durch eine sorgfältige, längere Zeit hindurch geführte Messung der Ergiebigkeit und Constanz der Wassermassen begründet sein.

Oesten29) fasst die Gesichtspunkte, welche bei der Abmessung der nothwendigen Wassermenge in Frage kommen, folgendermassen zusammen: »1. Die Wassermenge muss zu jeder Tages-und Jahreszeit ausreichen, alle Bedürfnisse des bürgerlichen Haushaltes und des Gemeinwohls zu befriedigen. Es muss die Anlage und der Betrieb so gestaltet sein, dass dem Wachsthum des Bedürfnisses Genüge geschehen kann; auch müssen Mittel und Wege zur Vergrösserung der Wassermenge, dem wirklichen Bedarf stets vorauseilend, rechtzeitig erwogen und nachgewiesen sein. 2. Der Preis des Wassers ist von wesentlichem Einflüsse auf die Menge des Wasserverbrauches. Derselbe ist so niedrig als möglich zu stellen, damit ein möglichst reicher Wasserverbrauch stattfinden kann. Bei Anlage und Erweiterung von Wasserwerken, wie auch beim Betriebe, ist auf die Möglichkeit eines niedrigen Wasserpreises Rücksicht zu nehmen. 3. Die nutzbare Wassermenge soll möglichst vermehrt, der Verlust durch unwirtschaftliche Verwendung, Nachlässigkeit und Vergeudung vermieden, bez. eingeschränkt werden. Es sind daher die geeignetsten Mittel zur Messung und Controle des Wasserverbrauchs zur Anwendung zu bringen.« Was den thatsächlichen Wasserverbrauch in der Praxis betrifft, so sind von Seiten des »Deutschen Vereins der Gas-und Wasserfachmänner« statistische Daten darüber gesammelt worden. In der nebenstehenden Tabelle30) (pag. 91) finden sich die eine Anzahl deutscher Städte und das Jahr 1892 betreffende Zahlen zusammengestellt.

Was die verschiedenen Arten der Centralwasserversorgungs- anlagen angeht, so wird vielfach das Trinkwasser dem Nutz-oder Ge brauchswasser (Wirthschaftswasser) gegenübergestellt, indem an letzteres weit geringere Anforderungen bezüglich seiner Qualität gestellt werden. Ge rade bei der Frage nach dem Bedarf des Wassers, nach der Grosse des zu beschaffenden Quantums und besonders in jenen Fällen, wo sich gewisse Schwierigkeiten in der Herbeischaffung dieses nothwendigen Wasserquantums geltend machen, wird gelegentlich von dem Gesichtspunkte ausgegangen, dass es sich bei der Wasserversorgung doch um zweierlei Bedürfnisse handle:

um das Bedürfniss nach Trinkwasser und sodann nach Brauch-und Nutzwasser. Man sucht dann für das Trinkwasser ein Wasser zu gewinnen, welches vollständig allen Anforderungen der Hygiene entspricht, während man bezüglich des Nutzwassers minder strenge ist mit den Ansprüchen an dasselbe, aber mit Unrecht. Geht man einmal von dem Standpunkte aus, dass unreines Wasser die Menschen schädigen könne, dann ist dies nicht blos dadurch möglich, dass die Menschen unreines Wasser trinken, sondern auch dadurch, dass es überhaupt in die Städte und in die Häuser eingeführt wird. Dadurch, dass es zum Reinigen unseres Körpers, unserer Wäsche, unserer Geschirre gebraucht wird, kommt es in unmittelbare Beziehungen zu den Menschen. D-azu kommt noch die Erfahrung, dass bei gesonderten Leitungen theils absichtlich, theils aus Indolenz oft ganz umgekehrt verfahren wird, dass das Gebrauchswasser zum Trinken und Kochen, das Trink wasser jedoch zu allen vom Gebrauchswasser zu leistenden Arbeiten verwendet wird. Zu diesem Bedenken tritt schliesslich noch hinzu, dass vielfach durch die Herstellung einer zweiten, vollständig gesonderten Leitung die Anlagekosten derart vertheuert werden, dass der finanzielle Vortheil, der sich aus der Trennung ergeben sollte, illusorisch wird.. Wasser und
Tabelle

des geringsten, grösßten und durchschnittlichen Wasserverbrauches pro Kopf und Tag in 41 deutschen Städten pro 1892. Wasserverbrauch auf den Kopf der Einwohnerzahl gerechnet |Liter||Liter||Liter
123456
nr. OrtgeringsterDatumgrößterDatumDurchschnittVerhältnis
1Berlin4825. XII. 912. VIII. 68134
2Breslau5730. IV. 1042. VIII76137
3Magdeburg6225. XII. 11024. VII. 89124
4Altona677. IV. 1172. VIII. 95123
5Braunschweig439. II. !10316. VIII. 69149
6Posen 2524. X. 8320. III. 47174
7Worms4822. 11. 14224. VIII. 101140
8Hamburg16331. XII. 2407. IV. 205117
9Köln1247. IV. 2241. VIII. 169133
10Dortmund9717. V. 23713. X. 180132
11Bochum8025. IV. 21015. IX. 165127
12Dresden4826. XII. 12529. VIII81154
13Leipzig641. I. 1234. VI. 97127
14Elberfeld4126. XL13231. VIII. 98136
15Düsseldorf4625. XII. 12724. V. 82155
16Mühlheim a. /Ruhr8330. XII. 1926. VII. 156123
17Witten8824. 1. 2096. IV. 164127
18Crefeld442. IV. 1151. VIII. 66174
19Chemnitz2126. XII. 722. VIII. 42171
20Bonn489. III. 1581. VIII, 91173
21Mülheim-Deutz4330. XI. 904. VI. 68132
22Mannheim2325. XII. 9724. V. 51190
23Dessau5130. XI. 13829. VI. 90153
24Münster2127. XII. 7626. VI. 51149
25M. -Gladbach408050160
26Hamm2428. XII. 13620. XII. 81168
27Colmar389. IV. 1145. IX. 57200
28Trier1329. III. 6614. IX. 38174
29Weimar3426. XII. 7326. VI. 54135
30Kemscheid1125. XII. 5522. VII. 30183
31Osnabrück91. 1. 4817. X. 19250
32Kudolstadt 3130. IX. 9029. VIII. i 61148
33Quedlinburg1522. IV. 3515. X. 28125
34Hanau1529. 111. 7027. 1. 35200
35Stade1627. II. 5525. IX. 30183
36München7223. XI. 15419. V. 111139
37Frankfurt a.M.111. 1. 281. VI. 14200
38Basel924. IV. 1531. VIII109140
39Wiesbaden5211. 1. 11224. V. 75149
40Gotha508767130
41Eisenach5227. XII. 12110. 1. 82147


Deshalb ist es jetzt ein ziemlich allgemein anerkanntes hygienisches Postulat, in einer einheitlichen Leitung nicht blos das Wasser zum Trink-und Hausbedarf, sondern auch für die gewerblichen Bedürfnisse und öffentlichen Zwecke zuzuführen.

Was die verschiedenen, in der Natur vorkommenden Wasservorräthe angeht, die für Centralversorgungen ausgenutzt werden können, so haben wir bereits oben auseinandergesetzt, dass es sich hier handelt um 1. Grund oder Quellwasser, 2. Oberflächenwasser; 3. könnte in seltenen Fällen Meteorwasser in Frage kommen.
Man wird, wo zwischen einzelnen Bezugsquellen, die in Hinsicht der quantitativen Leistungsfähigkeit als ausreichend befanden sind, die letzte Wahl zu treffen ist, dem reinen Quell-oder Grundwasser ?vorausgesetzt, dass auch sein Härtegrad dem Versorgungsprogramm entspricht ?unbedingt den Vorzug vor allen anderen Wässern geben müssen.


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