Warzentheil: Therapie

Heilkundelexikon

Warzentheil: Therapie


Die Therapie der Ostitis des Warzentheiles ist im Beginne der Affection zunächst in derselben Weise einzurichten, wie oben bei der Periostitis angegeben: Eisumschläge, resp. Application des Leiter'schen Kühlapparates, eventuell Priesnitz'sche Umschläge, Blutentziehungen. Gleichzeitig jedoch muss, wenn auf eine Retention eitriger, käsiger oder jauchiger Massen in der Paukenhöhle, resp. in den Zellräumen des Warzentheiles zu schliessen ist, eine sorgfältige vorsichtige Ausspülung derselben vom äusseren Gehörgange, wenn nöthig mittels des Paukenröhrchens, vor genommen werden. Gelingt es auf diese Weise nicht, dem Process Einhalt zu thun, dauern die Schmerzen in der Warzenfortsatzgegend fort, oder ist es infolge von Verengerung, respective Verlegung der natürlichen Wege nicht möglich, durch Injectionen in die Paukenhöhle und das Antrum mastoideum die stagnirenden Massen zu entfernen, namentlich aber, wenn sich Symptome einstellen, welche auf Hirnabscess oder Sinusthrombose hindeuten, dann ist die operative Eröffnung des Warzenfortsatzes indicirt. Diese Operation, welche bereits von J. L. Petit (f 1750), später von Jasser, einem preussischen Militärarzte (1776), aufgeführt worden ist, dann aber, nachdem sie in vielen Fällen ohne genügende Indication und deshalb auch ohne Erfolg vorgenommen war, vollständig im Misscredit kam, ist in neuerer Zeit namentlich durch Sohwartze16) wieder als eines der werthvollsten Heilverfahren in die Ohrenheilkunde eingeführt worden. Aus seiner Casuistik geht hervor, »dass es möglich ist, durch die Eröffnung des Warzenfortsatzes die schwersten und langwierigsten Fälle von Caries des Schläfenbeines, selbst wenn die Pars petrosa mit in den Bereich der cariösen Zerstörung hineingezogen war, vollständig und dauernd zur Heilung zu führen«. Als erste Indication sind die acuten Entzündungen des Warzenfortsatzes mit Eiterretention in seinen Knochenzellen zu nennen, bei denen nach der oben erwähnten Behandlung Schwellung, Schmerz und Fieber nicht nachlassen. Man darf hier nicht warten, bis Zeichen von Pyämie oder bedrohliche Symptome von Hirnreizung hinzu kommen.

Hotz17) empfiehlt die Trepanation des Warzenfortsatzes in allen den Fällen, wo bei Schmerzhaftigkeit, Röthe und Schwellung in der Regio mastoidea nach der Incision bis auf den Knochen die Zeichen der acuten Periostitis fehlen und deshalb eine Entzündung der Zellräume des Warzen fortsatzes anzunehmen ist. Durch diese Behandlungsweise werde das Leiden des Kranken abgekürzt, der Eiterungsprocess und seine zerstörende Wirkung beschränkt, der Krankheitsprocess, ehe er lebensgefährlich werden kann, gehemmt. Ich bin in den letzten Jahren in derselben Weise wie Hotz vor gegangen und bin mit den erzielten Resultaten durchaus zufrieden. Selbst in den Fällen, wo im Antrum mastoideum, resp. in den Zellräumen des Warzenfortsatzes sich kein Eiter fand, erfolgte die Heilung der bis dahin allen Mitteln widerstehenden eitrigen Entzündung des Mittelohres in kurzer Zeit. Von dem früher oft gemachten Wilde'schen Schnitt (Incision
durch die derben infiltrirten Weichtheile bis auf den Knochen) habe ich, wenn es sich um wirkliche 'Entzündung, resp. Knocheneinschmelzung in den Zellräumen der Pars mastoidea handelt, keinen Erfolg gesehen und bin deshalb wie wohl die grosse Mehrzahl aller Ohrenärzte ganz davon zurückgekommen. ?Wo im Gehörgang an dessen hinterer oberer Wand, entsprechend dem Boden des Antrum, Vorbauchung der Cutis erfolgt oder bereits ein fistulöser Durchbruch derselben besteht und die Diagnose auf einen vom Mittelohr ausgehenden Senkungsabscess, resp. auf Eiterretention im Antrum mastoideum gestellt werden muss, ist die Eröffnung des äusserlich gesunden Warzenfortsatzes nach Schwartze zweifellos indicirt. In solchen Fällen von chronischer Mittelohreiterung, wo der Warzen fortsatz äusserlich gesund erscheint und nie ein Zeichen von Erkrankung gezeigt hat, wohl aber die Zeichen von Eiterretention im Mittelohr (Schmerz, Fieber, hartnäckig penetranter Gestank des Eiters trotz sorgfältigster Reinigung und Desinfection vom Gehörgang aus) vorhanden sind, ist die Operation indicirt, wenn die Retention bei Benützung der natürlichen Wege (s. oben) nicht zu heben ist. In den Fällen schliesslich, wo nach spantanem Durch bruch des Eiters eine Fistelbildung über dem Proc. mast. stattgefunden hat und die Ausheilung nicht unter Anwendung einfacher Drainage erfolgt, ist die Erweiterung der Fistel mit dem Meissel und scharfen Löffel indicirt. Bereits früher (s. Otorrhoe) wurde erwähnt, dass v. Tröltsch die Frage angeregt hat, ob man nicht, wenn unter weiterer Ausbildung der Technik dieser Operation die mit derselben verbundenen Gefahren sich wesentlich abgeschwächt haben, auch zu einer prophylaktischen Eröffnung des Warzenfortsatzes selbst in Fällen schreiten sollte, wo vorläufig noch keine bedenklichen Erscheinungen zu einem solchen Eingriffe drängen, nur mit Rücksicht auf die nicht seltene Erfahrung, dass langjährige, selbst ganz unbedeutend erscheinende Eiterungen des Ohres infolge veralteter Eiteran häufung im Antrum mastoideum schliesslich doch noch zu einem jähen Tode oder zu chronischem Siechthum führen. Dass wir jetzt, nachdem durch die anti-, respective aseptische Wundbehandlung die Gefahren der in Rede stehenden Operation fast auf ein Minimum reducirt sind, in v. Tröltsch's Sinne vorgehen dürfen, bedarf keiner weiteren Betonung. Ja selbst in den allerdings nicht allzu häufigen Fällen von acuter Mittelohreiterung, bei denen weder Schmerzen noch Anschwellung, noch Fieber bestehen, profuse Eiterung aber in unveränderter Weise trotz geeigneter Behandlung viele Wochen fortbesteht, ist die Eröffnung des Antrums indicirt, utn der weiteren Ausbreitung des Processes auf lebenswichtige Organe vorzubeugen. Schwierig ist es freilich, gerade in diesen Fällen den richtigen Zeitpunkt, wann man einzugreifen hat, zu treffen, und zweifellos hat hier sowohl als auch in Fällen chronischer Mittelohreiterungen, wo keine dringenden Indicationen vorliegen, in der letzten Zeit eine Polypragmasie platzgegriffen, die oft genug über das Ziel hinausschiesst. Namentlich gilt dies von der zur Beseitigung chronischer Mittelohreiterungen in Betracht kommenden sogenannten Radicaloperation. Sehr treffend präcisirt Brieger 17a) seinen Standpunkt zur Indicationsstellung für die operative Freilegung der Mittelohrräume bei chronischen Mittelohreiterungen in den Worten: Das Ziel ist die Ausschaltung der die Chronicität der Eiterung bedingenden Momente. Diese müssen, um die Operation zu rechtfertigen, derart sein, dass sie nur durch sie dauernd eliminirt werden können. Chronische Schleimhauteiterungen ohne Be theiligung des Knochens schliesst er deshalb von der Operation grundsätzlich aus, da hier die Chronicität der Eiterung durchaus nicht von der Betheiligung der Antrumschleimhaut an der Eiterung abhängig ist. Die Indication zur Eröffnung des Warzenfortsatzes ist nach Knapp 1S) auch dann gegeben, wenn bei einer zur Sklerose führenden Mastoiditis interna, ohne dass Eiterung und Perforation des Trommelfells besteht, die Symptome beunruhigend werden und trotz stricten Verhaltens der vom Warzenfortsatz sich über die entsprechende Kopfhälfte erstreckende Kopfschmerz nicht nachlässt. Die Ausführung der Operation, wie sie zuerst von Schwartze empfohlen worden ist, geschieht in der Weise, dass zunächst nach Abrasirung der Haare in der nächsten Umgebung des Operationsterrains und nach sorgfältiger Reinigung und Desinfection der Haut, etwa 1 Cm. hinter der Insertion der Ohrmuschel, parallel derselben, der Hautschnitt, 1 Cm. über der Linea temporalis beginnend, in einer Länge von 3 ?6 Cm., Je nach der vor handenen Schwellung der Weichtheile und der Grosse des Portsatzes, bis zur Spitze desselben geführt, das Periost durchtrennt und mittels eines stumpfen Raspatoriums, nach sorgfältiger Blutstillung, zurückgeschoben wird. Die Weichtheile werden mit scharfen Haken auseinandergezogen. Zeigt sich nunmehr die Corticalis cariös erweicht oder fistulös durchbrochen, so wird die betreffende Stelle einfach mit einem kleinen Hohlmeissel eröffnet, resp. erweitert und von dem Knochen so viel mit dem scharfen Löffel ausgeschabt, als sich erweicht zeigt. Zeigt sich die Corticalis gesund, so soll nach Schwartze zur Oeffnung des Knochens die Stelle gewählt werden, von der man auf dem kürzesten Wege zum Antrum mastoideum gelangt, und wo uns die Natur den Weg bei Spontanheilungen vorzeichnet, nämlich an der Wurzel des Warzenfortsatzes unterhalb der Linea temporalis in der Höhe der oberen Wand des knöchernen Gehörganges, respective der Spina suprameatum, 5 bis 10 Mm. weit hinter der letzteren. Bei Beginn der Operation kommen breitere, in grösserer Tiefe schmälere Hohlmeissel zur Verwendung. Da die auch von Bezold19) und Hartmann20) als Orientirungspunkt für die Wahl der Eingangsöffnung in den Knochen empfohlene Spina supra meatum, welche nach zahlreichen Messungen an anatomischen Präparaten etwas höher als der Boden des Antrum mastoideum an der hinteren oberen Peripherie der äusseren Oeffnung des knöchernen Gehörganges gelegen ist, oft nur schwach ausgeprägt und dann bei der Operation weder zu sehen, noch zu fühlen ist, so schlägt Politzer vor, als die vordere Grenze der Operationsöffnung die Umbiegungsstelle des Planum mastoideum in die hintere Gehörgangswand und als obere Grenze die Höhe des oberen Randes des knöchernen Gehörganges zu benutzen. Dieser wird am sichersten dadurch aufgefunden, dass man mit dem in die Schnittöffnung eingeführten Zeigefinger die Umbiegungsstelle des Planum temporale in den oberen Gehörgang tastend aufsucht. Von besonderer Wichtigkeit ist es, bei der Operation darauf zu achten, dass nicht der nach hinten vom Operationsterrain belogene Sinus transv. verletzt werde. Es soll deshalb der im Knochen zu erzeugende Hohlkegel in der Richtung von aussen hinten und oben nach innen vorn und unten parallel mit der Gehörgangsaxe angelegt werden. Der Meissel darf nie nach hinten wirken und der Knochen nur allmählich und schichtenweise abgetragen werden. Bezold und Hartmann wollen, um die Gefahr der Eröffnung des Sinus transv. zu vermeiden, den Operationscanal vor die Anheftungslinie der Ohrmuschel, circa 7 Mm. hinter der Spina supra meatum verlegen. Bei abnormer Lage des Sinus transv. kann es jedoch, trotz der angegebenen Cautelen, sich ereignen, dass die Wand desselben, ebenso wie bei anormaler Lage der mittleren Schädelgrube die Dura mater blossgelegt wird. Die einfache Entblössung beider bleibt jedoch ohne schlimme Folgen, während Verletzungen derselben durch abspringende Knochensplitter als wesentlichste Gefahr bei der Meisseloperation anzusehen sind. Schwartze sah durch einen solchen Unglücksfall den Tod eintreten. Doch liegen bereits eine ganze Anzahl von Mittheilungen über Fälle vor, bei denen die Verletzung des Sinus transv. gut überstanden wurde. Die Blutung wird durch Jodoformgazetamponade meist schnell gestillt. Nicht selten entleert sich schon nach den ersten Meisselschlägen reichlich eitriges Secret aus den Zellräumen des Warzentheiles und es genügt dann oft, dieselben mit dem scharfen Löffel auszukratzen, um auch das Antrum freizulegen. Ergiebt sich bei der Operation, dass der Warzenfortsatz sklerosirt ist, dann soll man ?nach Schwartze nicht tiefer in denselben eindringen als 2, 5 Cm., d. i. bis zur Tiefe des Trommelfells und der Paukenhöhle, weil sonst die Gefahr besteht, den Facialis und das Labyrinth (horizontaler Bogengang) zu verletzen. Hat man das Antrum mast. eröffnet und, wenn nöthig, also bei ausgedehnter Caries, die Corticalis in grosser Ausdehnung fortgenommen, ein gedickte käsige Massen, fungöse Granulationen mit dem scharfen Löffel entfernt, eventuell gelöste Sequester extrahirt, dann soll, nach Schwartze, die Höhle mit einer 0, l%igen Sublimatlösung ausgespült und ein Drainrohr eingelegt werden. Ich habe, wie wohl jetzt die meisten Ohrenärzte, schon seit einer Reihe von Jahren von Ausspülungen vollständig Abstand genommen und führe nach beendigter Operation nur einen Jodoformgazestreifen ein, über welchen eine Lage gekrüllter steriler Gaze und eine Schicht Watte kommt, die durch einen Occlusivverband befestigt werden. Der Verband bleibt, wenn weder Fieber noch Schmerzen eintreten, 5 ?6 Tage liegen; der Patient muss in den ersteh acht Tagen das Bett hüten. Die Heilung erfolgt, wenn es sich um primäre Ostitis oder um Fälle, die im Anschluss an acute Mittelohr eiterungen aufgetreten sind, handelt, in 6 ?8 Wochen, zuweilen schon früher. Die Eiterung aus dem Gehörgang sistirt meist schon bald nach der Operation.

Bei chronischen Fällen nimmt die Nachbehandlung schon viel mehr Zeit in Anspruch, zuweilen bis zu acht Monaten und länger, und selbst nach consequenter Anwendung von täglichen Durchspülungen, Aetzungen der Granulationen, Einlegung von Gummidrains und konischen Bleinägeln (Schwartze) sistirt die Eiterung auch nach dieser Zeit nicht. Wegen dieser Unsicher heit des Erfolges hat zuerst Küster8) vorgeschlagen, in den Fällen, wo das Trommelfell ganz oder fast ganz zerstört und die Gehörknöchelchen verloren gegangen sind, an Stelle der einfachen Aufmeisselung, respective Ausräumung des Antrum mast., wie es oben geschildert wurde, die hintere knöcherne Gehörgangs wand wegzumeisseln, um so in die Paukenhöhle gelangen und alles Krankhafte unter Leitung des Auges mit dem scharfen Löffel entfernen zu können. Dieser Anregung Küster's folgten zunächst Zaufal23) und Stacke 2*>Oa), indem sie unabhängig von einander Methoden angaben, vermöge welcher es möglich ist, nach Vorklappung der Ohr muschel, Abmeisselung der hinteren knöchernen Gehörgangswand und der äusseren Wand des Kuppelraumes der Paukenhöhle, sämmtliche Mittel ohrräume freizulegen und dieselben nach Entfernung alles Krankhaften, in einen einzigen grossen, der directen Besichtigung zugängigen Hohlraum, bestehend aus Antrum, Paukenhöhle und äusserem Gehörgang, zu ver einigen. Dieses, jetzt unter dem Namen »Radicaloperation« allgemein bekannte, seither bezüglich der Technik verschiedentlich modificirte Operationsverfahren hat sich im grossen und ganzen zur Heilung chronischer Mittelohr eiterungen mit Betheiligung des Antrum mast, einschliesslich der als Chole- steatom bezeichneten Affection ausserordentlich bewährt. Die Operation wird in folgender Weise ausgeführt: Bogenförmiger Hautschnitt dicht hinter der Ansatzstelle der Ohrmuschel, resp. 1 Cm. über der Linea temporalis begin nend und bis zur Spitze des Proc. mast. reichend bis auf den Knochen. Oben über den M. temporalis führt man zweckmässig den Schnitt nur bis auf die Fascie desselben und schiebt den Muskel mittels Raspatorium nach oben, so da3s der Knochen freiliegt. Hierauf wird nach sorgfältiger Blut stillung die häutige Auskleidung der hinteren und oberen Gehörgangswand mit einem schmalen Elevatorium von der knöchernen Unterlage bis zum Margo tympanicus abgehebelt und mit einem schmalen, auf die Fläche gekrümmten Messer nahe am Trommelfell, respective Margo tympanicus durchschnitten, wenn sie nicht, wie dies häufig geschieht, schon beim Abhebein abgerissen ist. Mittels eines rechtwinkelig abgebogenen stumpfen Hakens wird nun mehr die abgelöste häutige Gehörgangswand gegen die stehen gebliebene vordere gedrückt, um die Tiefe des Gehörganges, respective das eventuell noch erhaltene Trommelfell freizulegen. Bei der nun folgenden Knochen operation wird man verschiedentlich vorgehen, je nachdem sich an der äusseren Fläche des Proc. mast. der Knochen erweicht oder gar fistulös durchbrochen oder aber äusserlich intact zeigt. Im ersten Falle geht man an der erweichten Stelle, respective der Fistel entsprechend in der Weise, wie es bereits bei der Schwartze'schen Operation beschrieben wurde, mit Meissel und scharfem Löffel vor, bis man das Antrum eröffnet hat, meisselt alsdann die hintere Gehörgangswand von aussen nach innen vorschreitend ab, wobei man, je tiefer man kommt, umso vorsichtiger vorgehen muss, um nicht den N. facialis und den horizontalen Bogengang zu verletzen. Am besten ist es, die Aufmeisselung auf einer vom Antrum in die Paukenhöhle durch den Aditus ad antrum vorgeschobenen Sonde zu machen. Schliesslich wird die äussere Wand des Kuppelraumes (Recessus epitympanicus) abgerneisselt, worauf die noch etwa vorhandenen Gehörknöchelchen mit der Pincette, wenn nöthig nach Tenotomie des Tensor tympani, extrahirt werden. Aus dem so hergestellten muldenförmigen Raum werden käsige oder cholesteatomatöse Massen, Granulationen, cariöse Partien mit dem scharfen Löffel vorsichtig ausgekratzt, wobei man besonders darauf zu achten hat, ob der Facialis zuckt, und schliesslich mit dem Meissel noch alle Ecken und Kanten vom überstehenden Knochen entfernt, um eine möglichst glatte Wundfläche her zustellen. Bei äusserlich intactem Proc. mast. kann man wiederum zwei Wege einschlagen, indem man entweder nach Zaüfal (1. c.) oder nach Stacke (1. c.) vorgeht. Nach Zaüfal wird das Antrum unter Anlegung einer breiten, quer über der Wurzel des Warzenfortsatzes, knapp unter der Linea temporalis verlaufenden Rinne, die sich nach vorn stärker vertieft, nach rück wärts seichter wird, eröffnet. Der Zugang zu den in der Tiefe erscheinenden Hohlräumen wird so erweitert, dass man mit einer LuER'schen Zange ein gehen kann, mit der schliesslich alle überhängenden Knochenpartien fort genommen werden, bis das Antrum frei vorliegt. Die äussere Wand des Kuppelraumes wird dann ebenfalls mit der Luer'schen Zange abgetragen, Hammer und Amboss extrahirt und mit dem scharfen Löffel alles Krank hafte, wie bereits oben beschrieben, entfernt. Nach Stacke (1. c.) verfährt man in der Weise, dass man zunächst die äussere Wand des Kuppelraumes mit einem nach rückwärts abgebogenen Hohlmeissel entfernt, den Rest des Trommelfells und die Gehörknöchelchen extrahirt und alsdann auf einer in das Antrum vorgeschobenen gekrümmten Sonde oder dem von ihm als »Schützer« bezeichneten Instrument (ein S-förmig gekrümmtes schmales Raspatorium) die lateral von diesem gelegenen Partien der knöchernen hinteren oberen Gehörgangs wand abmeisselt, bis die Sonde, respective der Schützer frei beweglich in das Antrum gleitet und hier nach allen Richtungen hin die Orientirung gestattet. Die Gefahr der Verletzung des N. facialis ist, nach Stacke, bei diesem Vorgehen vollständig ausgeschlossen. Es folgt nun die Abtragung der äusseren Corticalis und des lateralen Theiles der hinteren Gehörgangswand bis es keinen Hohlraum mehr giebt, sondern eine flache Mulde vorliegt, aus der alle pathologischen Producte bequem unter Leitung des Auges entfernt werden können. In einzelnen Fällen, wo sich auch der Boden der Paukenhöhle erkrankt zeigt (circa 2%der Fälle), eröffnet Stacke auch diesen untersten, von Kraetschmann als Recessus hypotympanicus be zeichneten Theil, durch Abtragung des medialsten Theiles der unteren Gehörgangswand und des Restes des Annulus tympanicus, ein Vorgehen, das Jansen, nach Stacke's Angabe, principiell für alle Fälle, die der Radicaloperation unterworfen werden, empfiehlt. Gerade bei diesem Vorgehen ist die Gefahr der Verletzung des Facialis am grössten und deshalb möchte Stacke diese »principielle Freilegung« des Recess. hypotympani- cus widerrathen. Welche von den beiden zuletzt genannten Methoden der Knochenoperation man wählen soll, die ZAUFAL'sche oder die Stacke'sche, ist nicht von principieller Bedeutung, da man mit beiden den erstrebten Zweck: vollständige Freilegung der Mittelohrräume erreicht. Das Wichtigste ist, dass der Operateur die an und für sich recht schwierige Operation be herrscht, wozu häufig wiederholte Uebungen an der Leiche unter sach verständiger Leitung unerlässlich sind.

Ist die Knochenoperation beendet, so entsteht die Frage, ob man die durch sie gesetzte Wunde schliessen und die Nachbehandlung vom äusseren Gehörgang oder unter Offenhaltung der retroauriculären Oeffnung von dieser aus leiten soll. In der grossen Mehrzahl der Fälle wird man sich zu dem letzten Verfahren entschliessen müssen, weil es nur so geli igt, sich die vollständig freie Uebersicht über die Wunde zu erhalten, wobei natürlich nicht ausgeschlossen ist, dass man später, nach gehöriger Ueberhäutung derselben, die retroauriculäre Oeffnung sich schliessen lässt, eventuell durch Plastik ihren Verschluss bewirkt. Aber auch wenn man von dem primären Verschluss der Operationswunde absieht*, ist es rathsam, einen Theil der gesetzten Wundfiächen mit Hautlappen zu bedecken, um eine schnellere Epidermisirung derselben herbeizuführen. Zu diesem Zwecke empfahl zuerst Stacke (I. c.) nach Vollendung der Knochenoperation die hintere häutige Wand des Gehörganges in der Richtung seiner Achse oben der Länge nach zu spalten und durch einen zweiten, vom lateralen Endpunkte des ersten senkrecht auf diesen nach unten geführten Schnitt einen viereckigen Lappen zu bilden, welcher nach hinten umgeklappt und auf die Meisselfläche auftamponirt wird. An Stelle dieses einen unteren Lappens kann man auch, wie es in der ScHWARTZE'schen Klinik geschieht, zwei Lappen aus der hinteren Gehörgangs wand bilden, deren einer nach hinten und oben, der andere nach hinten und unten umgeklappt und möglichst durch Nähte in dem oberen, respective unteren Wundwinkel fixirt wird. Als eine neuerdings vielfach geübte Methode der Lappenbildung ist die von Koerner 12a) empfohlene zu nennen, die auch am häufigsten zur Anwendung kommt, wenn es sich um primären Verschluss der Wunde hinter dem Ohre handelt. Die Cymba conchae wird an zwei, circa 10 ?12 Mm. von einander liegenden Stellen möglichst nahe der Ansatzlinie der Muschel durchstochen, alsdann die hintere Wand des Gehörgangsschiauches durch zwei parallele Scherenschnitte in ihrer ganzen Länge gespalten und der so entstandene Lappen auf die Knochenwunde auftamponirt, nachdem die losgelöste Ohrmuschel sorgfältig angenäht ist. Als Vortheil dieses Verfahrens wird von Koerner hervorgehoben, dass die äussere Operationswunde meist unter dem ersten Verbände heilt und dass die deckende Epidermis von vier langen Schnittwunden aus wächst und deshalb den grössten Theil der Höhle früher als bei den anderen Methoden über kleidet und die eiternde Granulationsfläche schneller verkleinert. Wenn es sich darum handelt, die retroauriculäre Wunde dauernd offen zu erhalten, *Die neuerdings von Küster (Centralbl. f. Ohir. 1899, Nr. 43) empfohlene »osteoplastische Aufmeisselung des Warzenfortsatzes«, welche den sofortigen Verschluss der durch Freilegung der Mittelohrräume gesetzten Oeffnung mittels eines Haut-Periost Knochenlappens aus der Corticalis des Proc. mast, anstrebt, dürfte sich kaum einbürgern, da, wie aus den Mittheilungen Küster's selbst hervorgeht, der Erfolg ein äusserst zweifelhafter ist. (S. hierüber:

Passow, Osteoplastische Aufmeisselung des Warzenfortsatzes. Münchener med. Wochenschr. 1899, Nr. 49.)
wie z. B. bei Cholesteatomen, dann kommen am besten Transplantationen Thiersch'scher Lappen, wie sie zuerst von Siebenmann28) angewandt wurden, in Betracht. Andere Methoden sind von Stacke, Passow29) empfohlen worden.


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Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem Text auf dieser Seite um einen Auszug aus einem über hundert Jahre alten Fachbuch der Medizin handelt.
So entsprechen vor allem die genannten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen nicht dem aktuellen Stand der Medizin, die Anwendung kann nicht nur die Diagnose einer Erkrankung verzögern, sondern auch direkt den Körper schädigen.

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