Warzentheil: Entzündungen

Heilkundelexikon

Warzentheil: Entzündungen


Idiopathische Entzündungen der P. mast. kommen nur sehr selten zur Beobachtung, häufiger solche, welche von der Pauken höhle oder dem äusseren Gehörgange aus auf dieselbe übergehen. Sie können als phlegmonöse Entzündungen, als Periostitis und als Ostitis mastoidea auftreten.

a) Die phlegmonöse Entzündung am Warzentheil hat zuerst Voltolini4) beschrieben. Sie soll meist durch Erkältung entstehen und befällt zuweilen die supra-und postauriculäre Gegend beider Ohren zugleich.

Das Ohr selbst bleibt zunächst verschont, kann aber im Verlaufe des Leidens mitergriffen werden. Die Affection beginnt mit den heftigsten reissenden Schmerzen an einer oder beiden Kopfseiten; die Schmerzen breiten sich durch Irradiation auf das Gesicht und die Zähne aus; Fiebererscheinungen treten hinzu und nach einigen Tagen zeigt sich die Gegend über oder auch hinter dem Ohre geschwellt, roth, glänzend, sehr gespannt und ausserordentlich schmerzhaft. Sich selbst überlassen, geht der Entzündungsprocess in Eiterung über, und es kann zu Senkungsabscessen und Fistelbildungen kommen und der Kranke durch die Monate lang fortdauernde Eiterung und die beständigen Schmerzen marastisch zugrunde gehen.

Wenn der Eiter, was zuweilen geschieht, die häutige obere und hintere Wand des Gehörganges durch bohrt und sich nun aus diesem entleert, kann eine Verwechslung mit Otitis externa oder media vorkommen, ist jedoch durch eine sorgfältige Unter suchung mit dem Spiegel, eventuell unter Zuhilfenahme der Sonde zu ver meiden. Therapeutisch empfiehlt Voltolini im Anfange Blutegel in grosser Anzahl zu setzen, möglichst bald aber, selbst wenn noch kein Eiter vorhanden ist, die straffe Anschwellung durch eine kräftige Incision zu spalten. Einen eigenthümlichen Fall von Entzündung des tiefer gelegenen Bindegewebes in der Gegend der Pars mastoidea ohne Erscheinungen einer phlegmonösen Entzündung beobachtete Urbantschitsch5) bei einem 8jährigen Knaben. Ohne nachweisbare Ursache war eine bedeutende Schwellung der äusseren Decke des Warzenfortsatzes ohne Röthung und Schmerz eingetreten; die hintere Gehörgangswand ragte in das Lumen des Canales wurstförmig hinein. Ueber Nacht trat ein spontaner Durchbruch der Geschwulst in den Gehörgang ein und aus demselben entleerte sich eine profuse, rein seröse Flüssigkeit. Die Geschwulst war am nächsten Tage verschwunden; das Trommelfell erwies sich intact und auch im äusseren Gehörgang war die Durchbruchsstelle nicht mehr sichtbar.

b) Die Periostitis mastoidea tritt nur selten primär infolge von Traumen, noch seltener ohne nachweisbare Ursache, meist seeundär durch Fortleitung einer Entzündung von den Cellul. mastoideae oder vom äusseren Gehörgange aus auf. Während im letzteren Falle die Affection direct von dem
Periost des äusseren Gehörganges auf das des Warzentheils übergeht, geschieht die Portleitung der Entzündung von den Cellul. mastoid. entweder auf dem Wege der Bindegewebszüge und der Vasa perforantia oder unter Betheiligung der Corticalis.

Die Krankheit beginnt mit ziemlich heftigen Schmerzen, die entweder sich auf eine umschriebene Stelle des Warzentheiles beschränken oder auf die ganze Gegend desselben und nicht selten noch gegen das Schläfenbein hin sich erstrecken; Fiebererscheinungen sind nicht selten. Alsbald zeigt sich die Haut über der Pars mastoidea intensiv geröthet, geschwollen und fühlt sich derb an; die Ohrmuschel steht von der Seitenfläche des Kopfes ab. Wenn, was zuweilen geschieht, der obere Theil des Muscul. sterno- cleidomastoideus mit von der Entzündung betroffen wird, so kann es zu einer Schiefstellung des Kopfes (Caput obstipum) kommen, die an sich die subjectiven Beschwerden noch wesentlich vermehrt. Bei weiterem Fort schreiten der Entzündung tritt zwar meist unter zunehmender Schwellung Fluctuation ein, doch kann dieselbe auch fehlen und sich die vorhandene Eiteransammlung infolge der starken Resistenz des Gewebes nur durch eine teigige Beschaffenheit documentiren. Diese Resistenz des Gewebes ist auch der Grund, weshalb ein spontaner Durchbruch des Eiters oft erst sehr spät erfolgt.

Aus dieser Beschreibung ergiebt sich, dass sich die Symptome der Periostitis mastoidea, wenigstens soweit es sich um die primäre Form der selben handelt, nicht wesentlich von denen der oben als phlegmonöse Ent zündung nach der Schilderung Voltolini's bezeichneten Affection unterscheiden.

Der gewöhnliche Ausgang der primären Periostitis mastoidea ist der in Heilung, und zwar in der Weise, dass der Process sich entweder zurück bildet, bevor es noch zur Eiterbildung gekommen ist, oder dass nach ein getretener Suppuration spontan der Durchbruch des Abscesses erfolgt, wenn derselbe nicht vorher künstlich eröffnet worden ist. Zuweilen kommt es zur Ausstossung kleiner Knochensplitterchen der Corticalis. Bei der secun- dären Periostitis hängt der Ausgang von dem Verlaufe des Entzündungs- processes im Knochen selbst ab (s. unten). Die Behandlung erfordert energische Antiphlogose durch Application von Blutegeln, Eisumschlägen, resp. Eis beuteln, an deren Stelle man sich auch mit Vortheil des von Politzer6) und Bürkner l8) empfohlenen Kühlapparates (nach Leiter in Wien) bedienen kann. Derselbe ist so construirt, dass zwei Windungen der Bleiröhre vor dem Ohre und 6 ?8 Windungen hinter demselben zu liegen kommen. Politzer empfiehlt, da die unmittelbare Berührung des Metalles dem Kranken unan genehm ist, den Warzenfortsatz mit einer doppelten Lage dünner Leinwand zu bedecken. Der grosse Vortheil, welchen dieser Apparat vor den kalten Umschlägen hat, besteht darin, dass man mit demselben einen stets gleich bleibenden Kältegrad zur Anwendung bringen kann. In manchen Fällen, namentlich wenn die Eisapplication nicht vertragen wird, werden einfache Priessneriz'sche Umschläge mit Vortheil angewandt. Wenn sich trotz dieser Behandlung die Entzündung nicht zurückbildet, dann ist eine ausgiebige In- cision bis auf das Periost indicirt, und besonders natürlich dann, wenn es bereits zur Eiterbildung gekommen ist.

c) Ostitis mastoidea. Wie die Periostitis mastoidea, so tritt auch die Entzündung der Zellräume des Warzentheiles nur sehr selten primär auf, und zwar auch wiederum entweder ohne nachweisbare Ursache oder infolge von Traumen. Politzer6) erwähnt einen Fall von Ostitis mastoidea, der mehrere Wochen nach Ablauf einer acuten Mittelohrentzündung ohne erneute Betheiligung der Paukenhöhle eintrat. Fälle von acuter Entzündung in den Zellräumen der Pars mastoidea ohne vorausgegangene Mittelohrentzündung veröffentlichten LEVi6a) und Bernard 6b), doch ist auch in diesen Fällen die
Möglichkeit, dass eine acute Mittelohrentzündung vorausgegangen war, nicht aus geschlossen. Nach Küster8) sind auch die tuberculösen Ostitiden des Warzen fortsatzes als primäre Affectionen desselben zu betrachten, während nach den Erfahrungen der Ohrenärzte es sich hier meist um eine secundäre, von der Paukenhöhle ausgehende Af fection handelt. Dass aber die in Rede stehende Affection auch als primäre Ostitis des Schläfenbeines beginnen kann, ist durch Untersuchungen von Barnick 8a) nachgewiesen. Küster rechnet auch einen Theil der sogenannten Cholesteatome des Mittelohres zu den primären Warzenfortsatzerkrankungen, eine Anschauung, die von pathologischen Ana tomen (Virchow9) getheilt, von den meisten Ohrenärzten bisher bekämpft wurde. Die grosse Mehrzahl der letzteren dürfte wohl, nachdem die Frage infolge der oben erwähnten Arbeit Küster's wieder zur Discussion gestellt wurde, dank den Arbeiten von Habermann10), Kuhn n), Bezold12) und Anderen jetzt sich der Ansicht zuneigen, dass zwar das Cholesteatom als heteroplastische Neubildung vorkommt, dass aber in der Mehrzahl der Fälle, die man als Ohrcholesteatom bezeichnet, es sich um eine Ansammlung cholesteatomatöser Massen in den Mittelohrräumen, resp. den Zellräumen der Pars mastoidea handelt, die ihr Entstehen einer Einwanderung der Epidermis des äusseren Gehörganges und des Trommelfells durch eine Perforation des letzteren auf die ihres Epithels durch chronische eitrige Mittelohrentzündung beraubte Schleimhaut der Paukenhöhle verdanken. Neuerdings spricht sich Koerner1211) dahin aus, dass nicht nur die genetische Verschiedenheit dieser beiden Erkrankungen, sondern auch ihr verschiedener klinischer Verlauf und die Notwendigkeit, je nach der Art des Falles auf verschiedene Weise therapeutisch einzugreifen, zu einer getrennten Betrachtung zwingt. Es ist hier nicht der Ort, näher auf die Einzelheiten dieser Darstellung Koerner's einzugehen, doch verdienen sie eingehend geprüft zu werden. Primäre Ostitis mastoidea kommt nach Koerner1213) auch bei Diabetes vor, Davidsohn26) und Eulenstein27) dagegen halten auch die bei Diabetikern vorkommende Ostitis mastoidea nur für eine, allerdings verhältnissmässig häufig vorkommende, Complication der Mittelohrentzündung. Der Beginn der primären Ostitis mastoidea giebt sich zunächst nur durch mehr oder weniger heftige Schmerzen in der Gegend des Warzen fortsatzes, die besonders bei Druck zunehmen, zu erkennen, während sicht bare Veränderungen noch nicht nachzuweisen sind. Auch Fiebererscheinungen sind durchaus nicht constant, treten jedoch bei weiterem Fortschreiten der Affection meistens ein. Nach einigen Tagen zeigt sich Röthung und Spannung der Haut, ein Zeichen, dass der Process von den Cellulae mastoideae aus sich auf das Periost fortgepflanzt hat. Weiterhin kann der Verlauf dann ganz dem entsprechen, wie er bei der Periostitis mastoidea geschildert wurde, und zum Durchbruch des Abscesses nach aussen führen; häufiger jedoch erfolgt der Durchbruch nicht nach aussen, sondern der Eiter breitet sich nach innen gegen die Paukenhöhle aus und es kann zu einer Perforation des Trommel fells kommen, die sich dann meistens im hinteren oberen Quadranten desselben findet (Politzer). Während in diesen letzteren Fällen der Verlauf oft ein recht langwieriger ist, gehen die Fälle, bei denen der Durchbruch nach aussen erfolgt, meist schon nach 2 ?3 Wochen in Heilung über. Der Diagnose bieten diese Fälle auch keine besonderen Schwierigkeiten und könnte höchstens, wenn bereits Röthung und Schwellung der Weichtheile über der Pars mastoidea eingetreten sind, eine Verwechslung mit der primären Peri ostitis mastoidea stattfinden. Beim Uebergang der Eiterung in die Pauken höhle ist dagegen eine Unterscheidung, ob es sich um eine primäre oder secundäre Ostitis handelt, nur möglich, wenn man den Fall von Anfang an beobachtet hat und eine der Affection der Pars mastoidea vorausgegangene Entzündung der Paukenhöhle ausschliessen konnte. Der Ausgang der primären Ostitis mastoidea ist zumeist, und zwar in ziemlich kurzer Zeit (2 ?3 Wochen), der in Heilung. Nur bei vorhandenen Complicationen (Syphilis) und beim Uebergang der Eiterung in die Paukenhöhle zieht sich der Process oft sehr lange hin.

Die im Verlaufe einer Otitis media acuta oder chronica auftretenden Entzündungen der Cellulae mastoideae sind im Vergleich zu den primär hier entstehenden entzündlichen Processen viel häufiger. Politzer6) sah bei seinen zahlreichen Sectionen von Mittelohreiterungen keinen einzigen Fall, bei welchem sich nicht auch gleichzeitig pathologische Veränderungen in den Warzen zellen vorgefunden hätten. Er fand in den Fällen, wo die Eiterung bis zum Tode andauerte, die Auskleidung der Warzenzellen geröthet, gewulstet, glatt oder drusig, zuweilen mit mikroskopisch kleinen Polypen bedeckt. Die Zell räume waren entweder von einer eitrigen oder schleimig-eitrigen Flüssigkeit oder von halbflüssigen, krümlichen, der Tuberkelmaterie ähnlichen Massen erfüllt, oder es wucherte die Schleimhaut so excessiv in den Zellräumen, dass dieselben vom Qranulationsgewebe vollständig ausgefüllt waren. Hie und da findet man, namentlich in chronischen Fällen, einen grösseren oder kleineren Sequester, zuweilen den Knochen überall biossliegend, rauh, zerfressen, von käsigen Herden durchsetzt, die Zellensepta zum Theil eingeschmolzen, corrodirt. Dann wieder zeigt sich eine deutliche Abscessmembran, das ganze Zellensystem auskleidend, auf deren innerer Oberfläche cholesteatomartige Epithellamellen in geringer Menge aufgelagert sind. Bei umfangreichen Cho- lesteatomen zeigt sich nicht nur die Corticalis an der hinteren oberen Ge hörgangswand häufig stark verdünnt oder durchbrochen, sondern zuweilen auch die Schädelgruben durch Druckusur eröffnet, so dass das Cholesteatom der Dura mater unmittelbar anliegt (Stacke65). Auch nach abgelaufener Mittelohreiterung findet man, nach Politzer, den Warzenfortsatz nur selten normal. Die Zellräume zeigen häufig Verdickungen ihrer Auskleidung, zu weilen sind sie angefüllt mit Bindegewebswucherungen oder geschichteten Epidermisplatten; vollständige Verödung der Zellenräume durch Sklerose und ebenso Caries und Necrose des Knochens finden sich nicht allzu selten.

Als Ursache der secundären Entzündung des Warzentheiles wird namentlich Eiterverhaltung infolge von zu kleiner oder zu hoch gelegener Perforation oder auch infolge von Polypenbildung in der Paukenhöhle, resp. dem äusseren Gehörgang, oder auch hochgradiger Schwellung des letzteren an geführt. Dass Ansammlungen von cholesteatomatösen Massen zur Mastoiditis führen können, wurde bereits erwähnt, ebenso die Ausbreitung der Tuberkulose des Mittelohres auf die Pars mastoidea. Häufig tritt sie infolge von In- jectionen grösserer Flüssigkeitsmassen in 'das Ohr, und zwar namentlich dann ein, wenn dieselben bei einer bisher vernachlässigten chronischen Mittelohreiterung zur Anwendung kommen. Es ist wohl denkbar, dass durch derartige Masseneinspritzungen Entzündungserr. eger in die Zellräume des Warzenfortsatzes hineingelangen, namentlich wenn ein freier Abfluss der Flüssigkeit durch die Tuba Eustachii infolge von Schwellung ihrer Schleim haut nicht stattfindet. Was die Natur dieser Entzündungserreger anlangt, so mag hier nur darauf hingewiesen werden, dass Zaufal7) in einer Anzahl von Fällen von Otitis media acuta, in deren Secret der Streptococcus pyogenes, ferner bei anderen Fällen, in deren Secret der Diplococcus pneumoniae nach gewiesen werden konnte, Otitis mastoidea auftreten sah. Er ist geneigt, dieselbe mit den genannten Mikroorganismen in ursächlichen Zusammenhang zu bringen. Scheibe 13a) glaubt, da er in 56%der von ihm untersuchten, mit Mastoiditis complicirten Fälle vonOstitis media acuta (unter 16 Fällen 9mal) den Diplococcus pneumoniae fand, dass es besonders dieser Mikroorganismus sei, welcher die secundäre Mastoiditis hervorrufe. Dagegen fand Leutert 13b) bei 63 nach acuten Ohreiterungen aufgetretenen Warzenfortsatzempyemen 38mal den Streptococcus in Reincultur, denPneumococcus nur llmal, den
Staphylococcus albus 5mal, den Tuberkelbacillus 2mal. Bei den nach chronischer Mittelohreiterung auftretenden Complicationen finden sich meistens verschiedene Arten von Bakterien. ?J. 0. Greene's13c) Untersuchungen an 144 Fällen, bei denen der gelegentlich der Mastoidoperation gewonnene Eiter bacteriologisch untersucht wurde, wiesen 49mal Staphylokokken, 31mal Streptokokken, 23mal Pneumokokken, 8mal Pyocyaneus in Reincultur, in den übrigen Fällen gemischte Culturen auf. Greene glaubt nicht, dass die Art des Mikroorganismus von besonderer Bedeutung für den Verlauf und Ausgang der Affection sei, derselbe hänge vielmehr von histologischen und anatomischen Eigenthümlichkeiten des Knochens ab. Weitere Beobachtungen darüber müssen abgewartet werden. Von Allgemeinkränkheiten, welche ein Uebergreifen der Entzündung von der Paukenhöhlenschleimhaut auf die Zellen des Warzenfortsatzes im Gefolge haben, kommen namentlich Scarlatina, Influenza, Diabetes mellitus, seltener Masern, Typhus, Tuberkulose und Syphilis in Betracht. Als Symptome der secundären Entzündung des Warzentheiles zeigen sich, ebenso wie bei der primären Form, zunächst Schmerzen, mehr oder weniger heftige Fiebererscheinungen, dann bei weiterem Fortgang der Affection Röthung und Schwellung der Weichtheile über dem Warzenfortsatz. Gleichzeitig mit dem Auftreten dieser Erscheinungen wird oft der bisher reichliche Ausfluss aus dem Ohre geringer oder sistirt ganz; die Patienten klagen dann nicht selten über unangenehme subjective Geräusche, Schwindel, besonders beim Versuche, sich im Bett aufzurichten. Alle diese Erscheinungen können zwar unter geeigneter Behandlung zurückgehen, allein oft genug schreitet der Process trotz der energischsten Antiphlogose weiter fort, die Schmerzen sowohl als auch die Anschwellung nehmen zu und es kommt zur Bildung eines Abscesses. Auch in diesem Stadium kann, ohne dass es zur Caries oder Nekrose kommt, der Process in Heilung übergehen, wenn der Abscess sich durch das Antrum mastoideum in die Paukenhöhle entleert. Leider sind derartig verlaufende Fälle viel seltener als diejenigen, wo der Knochenabscess seinen Ausgang in Caries und Nekrose der Pars mastoidea nimmt.

Je nach dem oberflächlicheren oder tieferen Sitz des Abscesses erfolgt dann nach kürzerer oder längerer Zeit der Durchbruch entweder direct nach aussen oder nach dem äusseren Gehörgang oder nach innen, gegen die Schädel höhle und den Sin. transversus zu. Als günstigste Eventualität ist diejenige zu bezeichnen, bei welcher der Durchbruch des Abscesses direct nach aussen in die Regio mastoidea oder nach dem äusseren Gehörgang zu erfolgt. Bei Untersuchung mit der Sonde findet man dann die Corticalis des Proc. mast. in grösserer oder geringerer Ausdehnung cariös zerstört, und es lässt sich eine Communication mit dem Antrum mastoideum häufig constatiren. Wo diese Untersuchung im Stich lässt, gelingt es oft noch, die vorhandene Communication durch Einspritzungen in die Paukenhöhle nachzuweisen; die Injectionsflüssigkeit fliesst dann aus der Wunde am Warzenfortsatze ab. Bei hochgradiger Schwellung der Paukenhöhlenschleimhaut und dadurch bedingter Verlegung des Einganges zu den Warzenzellen kann auch diese Durchspülung ein negatives Resultat geben.

Hessler14) hat die Aufmerksamkeit auf eine Erkrankung des Warzen fortsatzes gelenkt, die er als Empyem und Caries der Zellen desselben glaubt bezeichnen zu müssen. Diese Affection charakterisirt sich nach Hessler nicht als die directe Fortpflanzung der Mittelohreiterung durch das Antrum mast., auch nicht als bedingt durch Eiterretention daselbst, sondern sie tritt zumeist gleich mit der Eiterung im Mittelohr in jenen Zellen des Warzenfortsatzes auf, die mit dem Antrum keine Communication zeigen. Der Durchbruch des Abscesses nach dem äusseren Gehörgang geschieht an der hinteren oberen Wand des knöchernen Theiles desselben. Es zeigt sich bei Besichtigung des Gehörganges schon anfangs an den betreffenden Stellen eine ziemlich beträchtliche Schwellung, die allmählich so zunehmen kann, dass der ganze Gehörgang verschlossen wird. Der Durchbruch selbst erfolgt zuweilen erst ziemlich spät, und wird man in vielen Fällen schon deshalb sich zur Incision veranlagst sehen, um dem infolge dieses Verschlusses des Gehörganges stagnirenden eitrigen Secrete aus der Paukenhöhle freien Abfluss zu verschaffen. Nach Eröffnung des Abscesses dringt die Sonde auch hier auf cariösen Knochen und in die Zellräume des Warzenfort satzes. Kleinere Knochenpartikelchen sowie auch grössere Sequester ent leeren sich alsdann spontan oder müssen entfernt werden, sobald sie, was oft längere Zeit erfordert, frei beweglich geworden sind. Diese Sequester sind nicht selten, ebenso wie die an der Aussenseite des Proc. mast. losge- stossenen, von ganz beträchtlicher Grosse, und es sind Fälle beobachtet worden, wo nicht nur Theile des knöchernen Gehörganges und des Warzenfortsatzes allein, sondern gleichzeitig ein grosser Theil des Schläfenbeins überhaupt mit Theilen des Gehörganges, der Schuppe, des Warzenfortsatzes und des Labyrinths nekrotisch ausgestossen worden sind, worauf bereits bei Besprechung der Mittelohreiterung (s. Otorrhoe) hingewiesen worden ist. Nach Abstossung der Sequester kann der Process schnell zur Heilung über gehen, indem die Eiterung sistirt und die durch den Substanzverlust im Knochen gebildete Höhle sich mit Granulationen füllt, welche sich in ossi- ficirendes Bindegewebe umwandeln. An der äusseren Fläche des Warzen fortsatzes documentirt sich dieser Ausgang durch das Vorhandensein einer trichterförmig eingezogenen Knochennarbe. In anderen Fällen schliesst sich die Höhle nicht, die Eiterung dauert fort, es bildet sich eine persistirende Fistel. Dies ist besonders dann der Fall, wenn bei nicht genügender Weite der Fistelöffnung es immer von neuem zu Anhäufungen eitriger und käsiger Massen kommt.

Zuweilen erfolgt, sowohl bei acuter als auch bei chronischer eitriger Mittelohrentzündung, wie zuerst Bezold15) beschrieben hat, nach wochen-oder monatelanger Dauer der Affection der Durchbruch des Abscesses nicht an der äusseren Fläche des Proc. mast., sondern an der medialen Seite desselben in der Incisura mastoidea. Es handelt sich hier, wie Politzer hervorhebt, gewöhnlich um solche Individuen, bei denen der untere Abschnitt des Proc. mast. aus einer einzigen, der Bulla ossea des Hundes ähnlichen Blase mit dünner Knochenwand oder aus mehreren grösseren, pneumatischen Räumen besteht, welche nach innen von einer dünnen Knochenschale bedeckt werden. Der Eiter wird sich besonders dann nach dieser Richtung einen Weg bahnen, wenn die äussere Knochenschale compact ist und dem andrängenden Abscesse stärker widersteht (Politzer). Die Weiterleitung des an der Innen seite ausgetretenen Eiters geschieht auf dem Wege der Scheide des hinteren Bauches des Digastricus oder der an der inneren Seite desselben verlaufenden Arteria occipitaiis. Da nun aber infolge der festen bindegewebigen Verbindung, welche die M. sternocleidomastoideus, splenius und longissimus capitis nach vorn und hinten eingehen, der Eiter nach diesen Richtungen hin nicht vordringen kann, so ergiesst er sich zwischen die tiefen Hals und Nackenmuskeln. Unterhalb des Proc. mast. entwickelt sich dann eine schmerzhafte, feste, nach unten sich ausdehnende Infiltration, die rückwärts gegen die Mittellinie manchmal bis hinab zu den untersten Hals-und obersten Brustwirbeln reicht. Der Process kann, wenn nicht dem Eiter Abfluss verschafft wird, nach monatelanger Dauer theils durch Erschöpfung, theils durch Mit leidenschaft der
Wirbelsäule, vielleicht auch durch Glottisödem und durch Senkungen in den Thoraxraum zum Tode führen. Ebenso ungünstig wie in diesen letzten Fällen ist der Ausgang der secundären Ostitis mastoidea, wenn der Durchbruch des Abscesses nach innen, sei es direct gegen die Schädelhöhle, sei es in den Sinus transversus, erfolgt. Meningitis, Gehirnabscess, Phlebitis und Thrombose des Sinus transv., resp. die durch letztere bedingte Pyämie, können alsdann, wenn nicht recht zeitig eingegriffen wird, unter den bereits (s. Otorrhoe) beschriebenen Symptomen das tödtliche Ende herbeiführen.

Nicht in allen Fällen documentiren sich die in den Zellräumen des Warzen fortsatzes auftretenden Entzündungsprocesse durch die bisher geschilderten Veränderungen in der Regio mastoidea, vielmehr kommen nicht allzu selten Fälle vor, in welchen die letztere, trotz hochgradiger Veränderungen im Innern des Warzentheiles, sich ganz normal zeigt. Dies ist besonders dann der Fall, wenn, wie recht oft bei viele Jahre bestehender chronischer Mittelohreiterung, die Corticalis sklerosirt ist. Die Diagnose ist dann schwierig; für das Vorbandensein einer Ostitis sprechen: Schmerz, spontan und auf Druck an der Wurzel des Proc mast, anhaltendes Fieber, eventuell Symptome von Hirnreizung, vermehrtem Hirndruck:
Schwindel, Kopfschmerz, Erbrechen, Stauungspapille. In einer Reihe von Fällen gelingt es, durch die otoskopische Untersuchung den Sitz der Eiterung in der Pars mastoidea nachzuweisen, und zwar dann, wenn die Perforation des Trommelfelles sich im hinteren oberen Quadranten desselben findet. Man sieht alsdann, wie das eiterige Secret sich von hier aus entleert, und kann mit der Sonde, besonders wenn ein Theil der hinteren oberen Gehörgangswand, resp. der äusseren Wand der Pars epitympanica durch Caries zerstört ist, in den Warzenfortsatz gelangen.

Schliesslich muss noch hervorgehoben werden, dass, namentlich bei acuten Mittelohreiterungen, Empyeme des Antrum mastoideum vorkommen können, die sich lediglich durch profuse, viele Wochen andauernde Otorrhoe docu mentiren, ohne dass Schmerzen oder Fieber bestehen.

Als ein zur Ermittelung centraler Ostitiden des Warzenfortsatzes in einigen Fällen verwerthbares Mittel wurde von Koerner und Wild 15a) die LüCKE'sche Knochenpercussion empfohlen. Die bei Vergleichung der kranken mit der gesunden Seite auftretende Dämpfung des Percussionsschalles über dem Proc. mast. soll, selbst wenn keine äusseren Zeichen auf die Ostitis mastoidea hinweisen, schon frühzeitig die Diagnose ermöglichen. Zur Percussion empfehlen Koerner und Wild ein Stahlhämmerchen, dessen Klopffläche 8 Mm. breit und leicht convex, dessen Stiel 16 Mm. lang ist und aus dünnem federnden Fischbein besteht. Auch Eulenstein 15b) sieht in der richtigen An wendung der Percussion des Warzenfortsatzes ein sehr werthvolles dia gnostisches Hilfsmittel für die Diagnose centraler Ostitiden desselben.

In den von Knapp18) als Mastoiditis interna beschriebenen, auch von anderen Autoren beobachteten Fällen ist der andauernde, allen Mitteln trotzende Schmerz das einzige auffallende Symptom, selbst Eiterung und Trommelfellperforation fehlen.

Die Prognose der secundären Ostitis mastoidea ist eine günstige in den Fällen, wo der Sitz der Entzündung, resp. des Abscesses, mehr ober flächlich ist, das eitrige Secret, sei es durch die Paukenhöhle und den äusseren Gehörgang, sei es nach Durchbruch des Abscesses in diesen letzteren oder direct nach aussen, freien Abfluss hat. Bei tiefem Sitze des Abscesses und bei Ausbreitung der Affection auf grössere Partien des Warzentheiles ist die Prognose wesentlich ungünstiger, ebenso wenn die Entleerung des eitrigen Secretes durch Verengerung des Gehörganges oder durch Polypen bildung in der Paukenhöhle erschwert ist; noch ungünstiger aber, wenn es sich um tuberkulöse Individuen oder solche handelt, welche durch den lang dauernden Eiterungsprocess bereits sehr herabgekommen sind. In allen diesen Fällen kann jedoch, selbst nach jahrelanger Dauer, unter geeigneter Behandlung, wobei die operative Eröffnung des Antrums, resp. die Aus räumung der erkrankten Partien der Pars mastoid. nach vollständiger.

Freilegung derselben besonders in Betracht kommt, noch eine relative Heilung (Sistirung der Eiterung) erfolgen. Auch in denjenigen Fällen, wo der Durchbruch des Abscesses nach innen gegen die Schädelhöhle, resp. den Sinus transv. erfolgt, ist die Prognose nicht absolut ungünstig, und die Zahl der Beobachtungen, in welchen durch die operative Eröffnung von Hirnabscessen und Ausräumung des erkrankten Sinus transvers. Heilung erzielt wurde, vergrössert sich fast von Tag zu Tag. Bei bereits bestehender Meningitis ist bisher durch operatives Eingreifen der tödliche Ausgang nur ganz ausnahmsweise hint angehalten worden, doch scheint, wie bereits in dem Artikel Otorrhoo hervorgehoben wurde, nach den Erfahrungen Macewen's1öc), der von elf operirten Fällen sieben heilen sah, auch hier die Hoffnung auf bessere Ergebnisse noch nicht ausgeschlossen zu sein.


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So entsprechen vor allem die genannten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen nicht dem aktuellen Stand der Medizin, die Anwendung kann nicht nur die Diagnose einer Erkrankung verzögern, sondern auch direkt den Körper schädigen.

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