Vulva: Carcinome

Heilkundelexikon

Vulva: Carcinome


Carcinom der Vulva ist viel seltener als das des Uterus (1: 35 ?40), aber etwas häufiger als dasjenige der Vagina; es kommt hauptsächlich bei Greisinnen vor, der jüngste beobachtete Fall war im Alter von 18 Jahren (Pritsch1). Eine ge wisse Prädisposition für maligne Neubildungen ist allerdings an der Vulva ziemlich häufig in Gestalt von pigmentirten (Pigmentflecken und Naevi pigmentosi) und pigmentarmen, weissglänzenden Stellen (Leukoplakien), sowie von kleinen Papillomen zu beobachten, die jahrzehntelang unverändert und symptomlos bestehen, bis sie plötzlich ohne nachweisbare Ursache rapide wuchern und zerfallen.

Der Ausgangspunkt des Vulvacarcinoms ist entweder die Haut oder eine Bartholin'sche Drüse, letzteres viel seltener.

Das Hautcarcinom

geht meist von der äusseren Fläche der grossen Labien, seltener der Nymphen, auch von der Fossa navicularis aus; gern ist die Clitoris, ebenso die Umgebung des Orificium externum urethrae ?welche letztere eine merkwürdige Resistenzfähigkeit gegen carcinomatöse Degeneration zu haben scheint (Fritsch, 1. c.) ? der Sitz der Neubildung.

Weitere Fortschritte macht das Vulvacarcinom nach oben, in die Scheide hinein und neben dieselbe, in das Beckenbindegewebe bis in das Peritoneum hinauf; nach unten zu entstehen durch dasselbe Infiltrationen nach dem Damme und in den Glutäen. Bald ent wickelt sich auch eine derbe Infiltration der Leistendrüsen und Becken lymphdrüsen. Häufig kommen Contactmetastasen vor, d. h. es entwickelt sich eine secundäre Affection der einen Labie gerade an derjenigen Stelle, welche der primär erkrankten Partie der anderen Schamlippe gegenüberlag und dieselbe berührte. Das Wachsthum der Neubildung ist in einzelnen Fällen ein langsames (eine Krankheitsdauer über 8 Jahre wurde beobachtet), in anderen wiederum sehr rapid.

Der Hautkrebs der Vulva tritt in 3 Formen auf:

1. Als mehr circumscripte, pflaumen-bis apfelgrosse, sehr harte, meist noch gut verschiebliche, zuweilen von papillären Excrescenzen besetzte Geschwulst, deren Oberfläche in vorgeschrittenen Fällen exulcerirt ist.

2. Als mehr diffuse, starre Infiltration der Haut, bei der gleichfalls frühzeitig geschwüriger Zerfall einzutreten pflegt und

3. als Endproduct der beiden vorgenannten Formen als tiefes kraterförmiges Geschwür mit harten, aufgeworfenen Rändern (Gebhard, 1. c). Mikroskopisch erscheint das Hautcarcinom in der Form des Cancroids mit ausgesprochener Neigung zur Bildung concentrisch geschichteter Keratinkugeln (Epithelperlen). Gebhard 2j hat ein melanotisches Carcinom der Vulva mit Metastasen in der Leber, Milz, Lunge und Dura mater beschrieben.

Das Carcinom der BARTHOLiN'schen Drüse

ist sehr selten. Honau3) beschreibt einen in der LANDAu'schen Klinik operirten und sechs aus der Literatur gesammelte Fälle; ebenso berichtet Schweizer4) über einen von Rumpf operirten. und einige aus der älteren Literatur zu sammengestellte Fälle. Fritsch (1. c. pag. 67) exstirpirte nur einmal die in ein bösartiges Adenom umgewandelte BARTHOLiN'sche Drüse. Nach Sitz und Aus sehen gleicht der Drüsenkrebs vollkommen den Cysten der BARTHOLiN'schen Drüsen, fühlt sich aber hart und knollig an. Mikroskopisch zeigt daa Car cinom alveolären Bau; Reste der intacten oder krebsig degenerirten Drüsen schläuche lassen sich mitten in den Geschwulstmassen nachweisen, ein Um stand, der für den Ursprung der Geschwulst beweisend ist. Die Symptome bestehen im Beginn und namentlich beim Sitz des Carcinoms an der Clitoris in Pruritus, der als Frühsymptom sorgfältig zu beachten ist, später auch in Schmerzen, Jauchung und Blutung. Die Diagnose ist meist leicht zu stellen, in Fällen von verjauchten Fibromen und Lipomen der Vulva allerdings nur durch das Mikroskop. Grössere Schwierigkeiten kann allerdings die Differentialdiagnose von ver nachlässigten syphilitischen Geschwüren, Lupus und Elephantiasis vulvae bereiten, zumal neuerdings auch Lupuscarcinom der Haut und Schleimhaut (Ashihara6) beobachtet wurde.

Die Prognose ist, wenn eine vollständige Entfernung alles Erkrankten einschliesslich der Lymphdrüsen noch vorgenommen werden kann, besser als beim Scheidencarcinom. Es sind eine Anzahl von Fällen mit jahrelanger Heilung bekannt. Verfasser exstirpirte bei einer 49jährigen Nullipara ein von der Clitoris ausgehendes Carcinom, das erst nach 6 Jahren ein Recidiv (Alveolarcarcinom) am Mons pubis machte, nach dessen Exstirpation vor nunmehr 3 Jahren Patientin noch recidivfrei ist. Die Therapie besteht in der radicalen Exstirpation des Tumors, mög lichst im Gesunden und unter Mitentfernung der erkrankten Lymphdrüsen, und zwar mittels Messers oder Thermokauters, letzteres zur Vermeidung der Einimpfung von Krebskeimen in die Wundfläche. Die Operation ist meist recht blutig und kann sehr in die Tiefe, bis an den Knochen gehen. In einzelnen Fällen musste sogar der letztere oder die mitergriffene Urethra resecirt werden. In nicht mehr radical operablen Fällen und bei Greisinnen sind Narkotica und Sorge für örtliche Sauberkeit am Platze. Ausser den genannten Geschwülsten kommen an der Vulva noch als grosse Seltenheiten: Sarkome (Rund-, Spindelzellen-und Myxosarkome7), Melanome6), Adenome der BARTHOLiN'schen Drüsen und Enchondrome vor (s. Veit und Gebhard, 1. c).

Literatur. Die ältere ist zusammengestellt'von Hildebrandt, Die Krankheiten der äusseren weiblichen Genitalien. Handb. d. Frauenkh. von Billroth. 8. Abschn., pag. 58. ? Die neuere Literatur findet sich vollständig-bei Veit, 1. c III, pag. 224 ?-235 und Gebhard, I. e. pag. 594 ?601. ?Ausserdem: *) Fritsch, Krankheiten der Frauen.. 9. Aufl. 1900, pag. 64. ?2) Gebhakd, Demonstration in der Berliner Gesellach, f. Geburtsh. und Gyn. Centralbl. f. Gyn. 1891, pag. 20. ?8) Honau, Ueber Carcinome der Glandulae Bartholini. Iiiaug. -Dissert. Berlin 1897. ?4) Schweizer, Carcin. gland. Barthol. Arch. f. Gyn. XLIV, pag. 322. ?5j Ashihara, Ueber das Lnpuscarcinom. Inaug. -Dissert. Breslau 1900. ? 6) Haeckel, Ueber melanotische Geschwülste der weiblichen Genitalien. Arch. f. Gyn. 1888, XXXII, pag. 400. ?7) Steffeck, Kleinwalnussgrosses Sarkom des Vestibulum (1%Jahre nach der Operation noch nicht reeidivirfc). Verhandl. d. Berliner Gesellsch. f. Geburtsh. und Gyn.; Zeitschr. f. Geburtsh. und Gyn. 1900, XLII, pag. 334.


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